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Corona Halberstädter Oberbürgermeister zieht Bilanz nach 100 Tagen im Amt

Daniel Szarata ist seit 1. Januar 2021 Oberbürgermeister Halberstadts. Ist das Amt so, wie es sich der 38-jährige Christdemokrat vorgestellt hat? Welche Ziele hat er für dieses Jahr und seine Amtszeit?

Von Sabine Scholz Aktualisiert: 10:04

Volksstimme: Herr Szarata, Hand aufs Herz, ist der Job so, wie Sie ihn sich vorgestellt haben?

Daniel Szarata: Sogar noch besser. Es macht mir noch mehr Spaß, als ich vorher gedacht hätte. Ich merke von Tag zu Tag mehr, dass ich etwas gestalten kann. Im Landtag war es andersherum. Da wuchs die Ernüchterung von Tag zu Tag, weil ich gemerkt habe, dass vieles nicht so konkret ist.

Was ist die größte Veränderung, die bislang unter Ihrer Federführung stattgefunden hat?

Motiviertes Team

Dass jetzt sehr schnell Entscheidungen getroffen werden. Wir regeln Sachen jetzt sofort. Ein Beispiel dafür ist der Haushalt. Wir hatten ein Defizit von minus sieben Millionen Euro, als ich angetreten bin. Mittlerweile sind wir bei minus fünf Millionen Euro. Das ist immer noch viel zu viel. Aber es ist uns gelungen, 1,4 von den zwei Millionen Euro Differenz an nur vier Tagen zu finden und einzusparen. In der ersten Runde hieß es, dafür haben wir jetzt keine Zeit mehr. Also habe ich alle am nächsten Tag wieder an einen Tisch geholt.

Ich bin beeindruckt von der Verwaltung, was in kürzester Zeit geht, was sonst nicht möglich war. Aber Sätze wie „Das geht nicht.“ dulde ich auch nicht.

Apropos nicht dulden. Wie kommt denn Ihr Führungsstil, der sich ja doch erheblich von dem Ihres Vorgängers unterscheidet, bei den Mitarbeitern an?

Sehr unterschiedlich, vermutlich. Aber ich bin auf ein sehr motiviertes Team getroffen. Ich hoffe, dass bei einem Großteil der Belegschaft – alle kann man nie erreichen – der entscheidungsfreudige Stil ankommt und die Mitarbeiter mitziehen, weil sie die Entscheidungen nachvollziehen können. Das erachte ich für besonders wichtig. Ebenso, dass sie sehen, dass etwas passiert.

Sätze wie „Das geht nicht.“ nicht geduldet

Haben Sie neue Strukturen innerhalb der Verwaltung geschaffen?

Ja, auf dem Organigramm der Stadt habe ich die Wirtschaft neben das Amt des OB gezogen, um zu verdeutlichen, wie wichtig mir dieser Bereich ist. Auch räumlich hat sich etwas geändert. Der Wirtschaftsförderer und stellvertretende Oberbürgermeister Thomas Rimpler sitzt nun im Büro neben meinem. Timo Günther, Justiziar und ebenfalls stellvertretender Oberbürgermeister, ist mit im Haus. So kann ich schnell auf die Führungsriege zurückgreifen.

Das ist alles?

Nein. Mir steht seit diesem Monat ein persönlicher Referent namens Holger Wegener zur Seite. In der Pressearbeit hat sich ebenfalls etwas getan. Da Ute Huch bald in Altersteilzeit geht, hat sich das ohnehin ergeben. Ich möchte die Social-Media-Arbeit noch mehr ausbauen. Es hat einfach eine andere Gewichtung, wenn sich der Oberbürgermeister direkt an die Bürger wendet.

Mehr Resonanz in sozialen Netzwerken

Stichwort Social Media. Haben Sie schon gemerkt, ob man als Amtsinhaber mehr Kritik einstecken muss als in der Opposition?

Das Gegenteil ist der Fall. Das hat sich zum ersten Mal geändert, als ich in den Landtag gezogen bin. Vorher gab es nur Kritiker, niemanden, der mir zur Seite stand. Umso höher ich in der politischen Hierarchie geklettert bin, desto mehr Befürworter habe ich bekommen. Das ist der positive Effekt. Was die Kritiker angeht: Es sind immer wieder dieselben Leute, zum Teil seit 2013, die gegen mich schießen. Da hat sich also nicht wirklich was geändert. Aber damit kann ich umgehen.

Die wachsende Zahl Befürworter ist vielleicht dem Fakt geschuldet, dass die Arbeit eines Oberbürgermeisters viel konkreter ist, näher am Bürger, als die im Landtag. Profitieren Sie dennoch für Ihr jetziges Amt von der Zeit in Magdeburg?

Unheimlich. Zum einem wegen der vielen Kontakte. Ich habe die Handynummern vieler Minister und Staatssekretäre in meinem Handy – zumindest bis zur nächsten Wahl. Zum anderen kann ich Entscheidungen auf Landesebene besser nachvollziehen. Ich kenne die Regeln und weiß zum Beispiel, wie ein Finanzausgleich funktioniert, womit eine Kommune realistisch rechnen kann.

Ausblick auf Landtagswahl

Was denken Sie, wer wird nach der Wahl im Juni Ihre Nachfolge im Landtag antreten?

Wie es derzeit aussieht, könnten dafür vier Nachfolger in Frage kommen. Mein Wunsch wäre natürlich, dass Thomas Krüger für die CDU das Direktmandat gewinnt. Christian Hecht von der AfD und Andreas Henke von den Linken haben schon aufgrund ihrer Listenplätze gute Chancen, in den Landtag zu kommen. Das sieht bei Peter Köpke von der SPD aufgrund seines Listenplatzes anders aus. Wir werden sehen, wer es von den Halberstädtern in den Landtag schafft.

Teilen Sie denn die Meinung des Harzer Landrats Thomas Balcerowski (CDU), dass sich das Land 2023/24 die jetzt gezahlten Corona-Hilfen zurückholt, indem an den Zuschüssen für die Kommunen gespart wird?

Nein, diese Befürchtung teile ich nicht. Ich glaube zwar auch nicht, dass das Land nach der Wahl finanziell noch eine große Schippe drauflegt, wie es 2016 der Fall war, aber etwas mehr könnte für die Kommunen schon drin sein. Es ist eher unwahrscheinlich, dass dann wieder stark zusammengekürzt wird.

Die Befürchtung des Landrats zielt wohl vor allem darauf ab, dass im kulturellen Bereich gespart werden soll. Ich kann Ihnen sagen, das ist auf Landesebene genauso unbeliebt wie auf kommunaler Ebene. Was aber nicht heißt, dass man sich nicht trotzdem in Sachen Kultur im Harz breit und stark aufstellen sollte, um den Status Quo zu halten oder sogar noch mehr rauszuholen.

Zurück zu diesem Jahr. Wie lauten Ihre Ziele für 2021?

Dass wir besser aus der Corona-Pandemie rauskommen, als wir reingegangen sind.

Nicht mehr nur auf Sparflamme agieren

Heißt was?

Es ist mein Ziel, von den Touristen-Strömen, die auf jeden Fall in Deutschland bleiben, mehr nach Halberstadt zu ziehen, als es vor Corona der Fall war. Eine Möglichkeit dafür sind zum Beispiel Veranstaltungen wie Ton am Dom oder die Sommerhöfe, die die Leute ansprechen. Ich wünsche mir eine lebendige Stadt, was sicherlich unter Coronabedingungen noch schwieriger ist als ohnehin schon. Zum anderen hoffe ich, dass es uns gelingt, Weichen zu stellen für größere Ansiedlungen.

Für Wirtschaftsunternehmen?

Ja. Das würde uns sehr guttun und auch der Harzregion.

Die Stadt hatte vor einer Weile das Unternehmen BionTech angeschrieben und mit Hinweis auf das bestehende Medizintechnik-Cluster Platz im Industriegebiet angeboten.

Gab es Antwort?

Leider bisher nein.

Was sind die Ziele Ihrer gesamten Amtszeit?

Wir müssen den Haushalt in den Griff bekommen. Wenn uns das nicht gelingt, laufen wir immer weiter nur auf Sparflamme. Was heißt, dass wir uns nur das leisten können, was absolut nötig ist, und perspektivisch keine großen Sprünge möglich sind.

Halberstadt muss attraktiver werden

An welche großen Sprünge denken Sie?

An die Errichtung eines möglichen Veranstaltungszentrums in der Martinikirche. Und beim Theater muss sich was tun, das Theater-Gebäude muss dringend saniert werden, es ist bautechnisch und aus Brandschutzgründen bald nicht mehr tragbar. Und ich will die Pläne für den Breiten Weg umsetzen, ein lebendiges Zentrum schaffen. Wir sind verpflichtet, Radwege zu bauen. Und ich möchte die Kita „Ententeich“ wieder öffnen. Das alles geht aber nur mit Geld.

Allerdings ist es für Kommunen nicht möglich, mit Schulen und Straßen Geld zu verdienen. Sie haben kein Produkt, dass Sie verkaufen können, um Umsatz zu generieren oder die Abschreibungen im Haushalt auszugleichen ...

Stimmt, wir können nichts verkaufen, also müssen wir uns verkaufen. Ich meine das im positiven Sinn. Wir müssen attraktiv sein für Touristen und als Wirtschaftsstandort. Ich bin überzeugt, dass wir den Haushaltsausgleich nicht über Sparen erreichen, sondern nur über Mehreinnahmen. Ich habe zum Beispiel Kontakt zu unserer Partnerstadt Wolfsburg aufgenommen. VW will selbst Batterien herstellen und sucht sechs neue Produktionsstandorte in Deutschland – warum nicht in Halberstadt? So ein Konzern muss erfahren, dass es Halberstadt gibt.

Der Oberbürgermeister privat

Wie sieht eigentlich Ihre Frau Ihren beruflichen Wechsel?

Wenn Sie mich das in ein, zwei Jahren fragen, kann ich das eher beantworten. Momentan haben wir ja noch Corona, wenn das vorbei ist, wird sich die Arbeit vermutlich verändern. Dann wird es sicherlich mehr Abendtermine geben. Momentan ist sie froh, dass ich jeden Abend zu Hause bin, manchmal schon zum Essen, und eigentlich immer, bevor unsere Tochter ins Bett gebracht wird.

Was ist der größte Unterschied zwischen dem privaten Daniel Szarata und dem Oberbürgermeister?

Der private ist deutlich alberner.

Macht der private Daniel Szarata eigentlich noch Musik? Sie waren ja bereits als Schüler Mitglied einer Band.

Sagen wir es mal so: Er hat wahnsinnig viel Lust, Musik zu machen, aber keine Zeit dafür. Wenn ich mal eine Stunde Freizeit habe, verbringe ich die lieber beim Spielen mit meiner Tochter als mit der Gitarre.

Zum Abschluss unseres Gesprächs ein kurzer Exkurs in die Bundespolitik: Wer gewinnt die Wahl im Sommer?

Ich denke schon, dass die CDU stärkste Fraktion wird – aber ich denke auch immer, Deutschland wird Weltmeister. Die Menschen greifen gerade in Krisen lieber auf das zurück, was sie kennen als auf das Unbekannte. Ob das ausreicht, um in der Regierung zu bleiben, das bleibt abzuwarten.