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  7. "Hier gibt es keine Gefahr wie in Nachterstedt"

Geschäftsführer der Befer GmbH stellt sich im Gemeinderat den Fragen der Groß Quenstedter / Dr. Benjamin Geller versucht zu beruhigen: "Hier gibt es keine Gefahr wie in Nachterstedt"

Von Dieter Kunze und Dennis Lotzmann 04.10.2011, 04:40

Seit dem Tagebau-Unglück in Nachterstedt machen sich auch bei vielen Groß Quenstedtern Sorgen in punkto Sicherheit beim Kiesabbau breit. Schließlich wird direkt vor den Toren des Dorfes in großem Stil Kies gefördert. Firmenchef Dr. Benjamin Geller nutzte deshalb die jüngste Sitzung des Gemeinderates, um über die Details der Abbauarbeit aufzuklären und die Einwohner zu beruhigen.

Groß Quenstedt. Gleich vier Seen bestimmen das Luftbild zwischen Halberstadt und Groß Quenstedt. Der Halberstädter See ist bereits seit langem zum Badesee umgestaltet, zwei weitere Wasserflächen warten noch auf eine neue Nutzung. Inzwischen wird am vierten See nahe Groß Quenstedt und direkt zwischen der Bundesstraße 245 und der Bahnstrecke Halberstadt-Magdeburg Kies gewonnen.

"Ich bin heilfroh, hierher in den Gemeinderat eingeladen zu sein"

Als vor eineinhalb Jahren der bisherige Eimerkettenbagger stillgelegt und ein Schwimmbagger für noch größere Tiefen angeschafft wurde, machten sich einige Anwohner des nahen Dorfes Sorgen. Schließlich sind die Bilder von Nachterstedt noch allgegenwärtig.

Am dortigen Tagebau-Restloch waren vor zwei Jahren schlagartig und völlig unerwartet große Teil der Böschung abgerutscht und hatten neben einem Aussichtspunkt mit einem ausgestellten Braunkohlenzug auch Teile einer Wohnsiedlung mit in die Tiefe gerissen. Drei Menschen, die im Schlaf von der Katastrophe überrascht wurden, starben, viele verloren von jetzt auf gleich ihre Wohnung.

Noch immer ist das Areal am Rande des riesigen Tagebausees, der im Rahmen des "Seeland-Projektes" eigentlich längst touristisch genutzt werden soll, absolutes Sperrgebiet und wird rund um die Uhr bewacht. Und die Prognosen, die Fachleute, die die Ursachen für die Katastrophe klären sollen, erst jüngst abgaben, sind alles andere als optimistisch: An eine Nutzung des Areals ist auf lange Sicht nicht zu denken. Im Gegenteil: Es besteht weiterhin akute Gefahr, dass Böschungsteile nachrutschen.

Seither sorgen sich Groß Quenstedter, dass sich auch bei ihnen ein solches Unglück ereignen könnte. Schließlich ist der Kiesabbau-See nicht nur dem Dorf sehr nahe gekommen, sondern mittlerweile auch recht tief. Der Geschäftsführer der Befer GmbH, die vor Ort den Kies abbaut, trat jedoch in der Ratssitzung derartigen Befürchtungen entgegen. "Ich bin heilfroh, hierher eingeladen zu sein", sagte Dr. Benjamin Geller mit Blick auf die damit verbundene Chance, den Sachstand aus seiner Sicht zu erläutern.

Der Fachmann hat nach eigenen Worten einst Bergbau studiert und an der Technischen Hochschule noch einige Jahre wissenschaftlich zum Thema Tagebau gearbeitet. Für ihn ist Nachterstedt ein ganz anderer Fall: "Dort gab es ein Setzungsfließen mit Material, das einst aufgekippt wurde." Ein Fakt, der unter Fachleuten unstrittig ist. Die dort abgerutschte und teilweise sogar bebaute Kippe, war vor Jahrzehnten mit abgebautem Abraum aufgeschüttet und künstlich angelegt worden.

"Arbeiten hier auf einem in Millionen von Jahren gewachsenen Boden"

In Groß Quenstedt, so Geller, arbeite man hingegen auf einem "in Millionen von Jahren gewachsenen Boden". "Kann aber die Uferböschung nicht doch unterspült werden", wollte ein Bürger wissen. Natürlich sei der Uferbereich gegenwärtig noch gefährlich, so Geller. Deshalb bleibe Baden streng verboten. Nach Abschluss des Kiesabbaus sollen die Randbereiche aber begradigt werden.

Viele Groß Quenstedter haben Angst, dass die mögliche Tiefe von bis zu 23 Metern Gefahren für die nahe Bundesstraße 245 heraufbeschwört. Gegenwärtig sei der See etwa 8,50 Meter tief, erläuterte Geller. Technisch sei es möglich, Kies aus bis zu 23 Metern Tiefe zu fördern. Je tiefer jedoch gespült werde, desto mehr Abstand werde auch von den Böschungen gehalten, versicherte Geller.

Etwa acht Jahre lang könnte das Unternehmen im aktuellen Abbaufeld noch Kies fördern. Dann sei auch See Nummer vier voll erschlossen. Die Befer GmbH prüfe deshalb bereits, künftig nördlich der Bahnlinie ein weiteres Kiesfeld zu erschließen. Erste Probebohrungen seien schon erfolgt, doch das Antragsverfahren befinde sich noch in der Vorbereitung.

Warum noch ein See, wenn beispielsweise auch bei Wegeleben gefördert werden könne, wurde in der Ratssitzung gefragt. "Wir haben ein eigenes Betonwerk und der Kies in Groß Quenstedt ist höherwertig", erläuterte Geller. Das Material bei Wegeleben habe mehr Kreidebestandteile. Die neue Erschließung werde jedoch komplizierter, weil die neuen Lagerstätten kleiner seien.

Eine weitere Sorge vieler Groß Quenstedter gilt dem Grundwasser und dessen Niveau. Da ändere sich aber nichts, hieß es. "Das Niveau in den Seen entspricht der Grundwasserhöhe in der Umgebung", versicherte Benjamin Geller. Alle drei Seen des Unternehmens hätten jedoch unterschiedliche Wasserhöhen und könnten deshalb leider nicht direkt miteinander verbunden werden. "Das wäre sonst ein ideales Segelrevier."

Der Groß Quenstedter Bürgermeister Meinhardt Stadler wollte wissen, wie es dann in Sachen Landerwerb vor sich gehen könnte. Laut Einigungsvertrag gelte bei Neuanlagen kein Bergbaurecht mehr, hieß es. Daher könne der Neuaufschluss nur über Kauf und nicht über Zwangsmaßnahmen erfolgen. "Enteignungen sind nur bei besonders wertvollen Bodenschätzen möglich", so Bergbaumann Geller.

"Die Seen bieten später ein Riesenpotenzial für Erholungszwecke"

Um eine Rekultivierung der nicht mehr genutzten Seen brauche man sich indes keine Gedanken zu machen, versicherte der Firmenchef. Dafür hätten Bankbürgschaften hinterlegt werden müssen. "Die Seen bieten später ein Riesenpotenzial für Erholungszwecke", ergänzte Geller. Da müsse man sich mal zusammensetzen und über die künftigen Maßnahmen diskutieren, regte der Unternehmenschef an. Auch ein Radweg sei dann beispielsweise denkbar.

"Ich hoffe, dass Sie mit Ihren Ausführungen Recht behalten"

Die jetzige Kiesaufbereitung soll auf jeden Fall am Standort bleiben, stellte Geller klar. Geplant sei dann ein Förderband über oder unter der Bahnlinie hindurch, so dass kein zusätzlicher Lkw-Verkehr auf den Ort zukommen würde. Außerdem habe sich die - meist in Richtung Halberstadt - transportierte Kiesmenge in den vergangenen Jahren halbiert.

Geschäftsführer Geller versicherte den Ratsmitgliedern und den Gästen, dass der Kiesabbau-Betrieb regelmäßig vom Bergamt sowie der Gewerbeaufsicht und den Umweltbehörden überprüft werde. Man könne sich gern auch mal im Betrieb treffen und Gutachten sowie andere Unterlagen einsehen, bot er an.

Ausführungen, auf die Bürgermeister Stadler das Schlusswort fand, dem wohl alle Anwesenden zustimmen konnten: "Ich hoffe, dass Sie Recht behalten!"