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Zahlreiche Leser geben Hinweise zur Geschichte des Anwesens - Ursprung der Bezeichnung "Tränenvilla" bleibt ungewiss Historische Spurensuche: Villa Albrecht gibt weiterhin Rätsel auf

27.07.2012, 03:19

Haldensleben (mb/az) l Die Villa Albrecht kennen viele Volksstimme-Leser noch aus den guten Tagen des Anwesens. So haben mehrere Leser nach dem Beitrag über die Villa angerufen oder geschrieben. Wolfgang Behrens legte seinem Brief Kopien von alten Fotos bei, die seine Mutter (siehe Foto daneben) und seinen Uropa in der Handschuhfabrik zeigen.

Wolfgang Behrens ist in Rätzlingen geboren, wohnt zwar heute nicht mehr dort, kommt aber jeden Monat mehrere Tage in seinen Heimatort, wo er auch die Volksstimme liest. Dabei fand er auch den Artikel über die Villa Albrecht und die Überlegungen der Leitung der Stadtwerke Haldensleben, diese Villa vor dem kompletten Verfall zu retten. In der nächsten Woche wird der Aufsichtsrat der Stadtwerke darüber befinden.

"Es ist schade, dass diese ehemals schöne Villa so verkommt."

Wolfgang Behrens

"Meine Mutter Hanna Schmidt ist in Haldensleben geboren, Jahrgang 1907, und arbeitete in der Handschuh-Fabrik Albrecht als Kontoristin. Mein Uropa mütterlicherseits hat in der Handschuhfabrik gearbeitet. Sein Name war Pieper", schrieb Wolfgang Behrens. "Wie ich von den Unterhaltungen mit meiner Mutter in Erinnerung habe, kommt der Begriff ,Tränen-Villa\' daher, dass die in der Villa tätigen Handwerker teilweise ihr Geld nicht bekommen haben und in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind." Warum sie kein Geld bekamen, ob die Firma Albrecht damals finanzielle Probleme hatte oder in Konkurs ging, das wisse er aus der Erinnerung leider nicht. "Es ist schade, dass diese ehemals schöne Villa so verkommt", bedauert Wolfgang Behrens.

Walter Kohrs aus Haldensleben meldete sich beim Kreis- und Stadtarchiv, weil er eine andere Variante kennt: "Im Volksmund hieß es damals, die Arbeitsbedingungen in der Firma seien schlecht, die Löhne gering gewesen. Man sagte, die herrliche Villa sei aus den Tränen der Arbeiter gebaut worden", erinnert sich Walter Kohrs. Wiederum andere Auslegungen ranken sich um den Niedergang der Handschuhfabrik. "Meine Mutter hat in der Villa gearbeitet. Ich habe dort selbst als Kind gespielt", sagt Rosa Bergmann.

Als es für das Unternehmen wirtschaftlich eng wurde, habe sich der Handschuh-Fabrikant bei seinen Arbeitern Geld geliehen. "Die Rückzahlung lief wohl ziemlich schleppend. Deshalb haben damals viele geweint", vermutet Rosa Bergmann.

Mehrere Leser riefen auch an, weil sie sich an die Zeiten erinnern, in der die Villa als Haus der Pioniere genutzt wurde. Das sei keineswegs bereits ab 1952 gewesen, ist sich Dietrich Kloß ganz sicher. Zu der Zeit sei das Haus der Pioniere noch in der Jahnallee gewesen. Und in der Villa Albrecht habe sich die Arztpraxis von Dr. Pasemann befunden. Der habe hier wahrscheinlich bis Ende der 1950er Jahre praktiziert. Neue Befunde aus dem Stadt- und Kreisarchiv belegen das.

"Es war früher viel Leben in diesem Haus."

Walter Kohrs

Dr. Werner Pasemann ist bereits für das Jahr 1937 als Bewohner der Villa Albrecht belegt, zusammen mit zahlreichen weiteren Mietparteien. Ein Familienmitglied der Albrechts ist dagegen nicht mehr als Bewohner, geschweige denn als Eigentümer, aufgeführt. Werner Pasemann betrieb in der Villa eine Praxis und starb 1957. Danach führte seine Witwe das Anwesen als Pension. Die ehemalige Handschuh-Fabrik wurde im Jahr 1966 abgerissen.

Im Jahr 1960 verkaufte die Witwe Pasemann die Villa jedoch an den Rat der Stadt Haldensleben. Im selben Jahr zogen die Pioniere und die FDJ-Kreisleitung ein. Kurz darauf wurde die Stadt Haldensleben Träger des Areals. "Die FDJ hat begonnen, eine niedrige Mauer um das Gelände zu errichten, deren Reste heute noch zu sehen sind", erklärt Walter Kohrs. Die Mitglieder der FDJ hätten dafür freiwillige Arbeitseinsätze im Sandsteinbruch Alvensleben geleistet. Die Maurerarbeiten habe die Lehrlingsbrigade des Baubetriebes erledigt. Bis zur Wende habe es auf dem weitläufigen Parkgelände außerdem einen Verkehrsgarten gegeben.

"Es war früher viel Leben in diesem Haus", erinnert sich Walter Kohrs. Ob vielleicht bald wieder reges Treiben in dem alten Anwesen herrscht, bleibt vorerst abzuwarten.