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Schraube Museum Historische Zeitzeugen geborgen

Objekte aus dem unter Denkmalschutz stehenden und in Sanierung befindlichen ehemaligen Stadtbad Halberstadt werden künftig in einer Dauerausstellung im Schraube Museum präsentiert.

Von Jörg Endries Aktualisiert: 31.05.2021, 07:30
Architekt Jörg Gardzella (Mitte) übergibt die während der Sanierung der alten Badeanstalt geborgenen historischen Gegenstände an Dr. Antje Gornig, Direktorin des Städtischen Museums, und Thomas Rimpler, stellvertretender Bürgermeister.
Architekt Jörg Gardzella (Mitte) übergibt die während der Sanierung der alten Badeanstalt geborgenen historischen Gegenstände an Dr. Antje Gornig, Direktorin des Städtischen Museums, und Thomas Rimpler, stellvertretender Bürgermeister. Fotos (2): Jörg Endries

Halberstadt - Fliesen für das Schraube Museum in der Voigtei Halberstadts. Die wurden in einem Geschenke-Paket am vergangenen Freitag von Jörg Gardzella an das Museum für Wohnkultur der Jahrhundertwende übergeben. Nicht für anstehende Sanierungsarbeiten, sondern als Ausstellungsstücke. Denn bei den Jugendstil-Fliesen, bunten Glasbausteinen, Wannenhalterungen und Schilder handelt es sich um historische Zeitzeugen, die Einzug in die Ausstellung des Museums halten.

„Zeitlich und thematisch passen diese Exponate in die Sammlung des Schraube-Museums, denn unser Fräulein Schraube war leidenschaftliche Schwimmerin und Spitzensportlerin im Turmspringen“, informierte Museumsdirektorin Dr. Antje Gornig.

Die Stücke sollen daher ab dem Spätherbst im Rahmen einer neuen Dauerausstellung im Schraube Museum präsentiert werden. Dazu käme unter anderem noch historische Badebekleidung von Margarete Schraube (1903-1980) sowie historische Fotos der Museums-Stifterin, die sie als Turmspringerin im Stadtbad zeigen. Halberstadt sei vor dem Krieg eine bedeutende Sportstadt in Deutschland gewesen. „Hier fanden unter anderem Schwimmvorentscheidungen für Olympia statt“, so Antje Gornig.

Viel Geld für feinstes Baumaterial ausgegeben

„Die Halberstädter identifizieren sich bis heute mit der ehemaligen Badeanstalt. Viele lernten dort Schwimmen. Es ist ein wichtiges Gebäude in der Stadt. Toll ist, dass es nach über 20 Jahren Leerstand saniert wird und bald wieder in Schönheit erstrahlt“, unterstrich Thomas Rimpler, stellvertretender Bürgermeister Halberstadts.

Die geborgenen Gegenstände aus der Badeanstalt seien ein wichtiges Stück Stadtgeschichte, die im Schraube Museum der Nachwelt erhalten bleiben.

„Das Stadtbad ist bis heute stadtbildprägend und wurde vor über 121 Jahren für die Bürger gebaut. Hintergrund war, dass es zu dieser Zeit kaum Bäder in den Haushalten Halberstadts gab. Das Wannenbad war ein Angebot, um die Hygiene in der Stadt zu verbessern“, erklärte die Museumsdirektorin. Dies habe sich die Stadt damals viel Geld kosten lassen und nur feinstes Baumaterial verwendet.

Dazu gehören unter anderem kostbare Jugendstil-Fliesen von Villeroy & Boch, mit denen das Bad großzügig ausgestattet wurde. „Aber auch die bunten Glasbausteine, die in den 1950er Jahren in der nördlichen Fensterwand verbaut wurden, sind wichtige Zeitzeugen. Sie sind wertvoll, weil sie so heute nicht mehr hergestellt werden“, so Antje Gornig.

Jörg Gardzella lies die historischen Gegenstände bei den seit Herbst 2020 laufenden umfangreichen Um- und Ausbauarbeiten in der ehemaligen Städtischen Badeanstalt in der Bödcherstraße bergen. Der Architekt gehört gemeinsam mit Ralf Becker, Ingo Gehrke, Ralf Baberski und Andreas Krützfeldt zu den Gründern der Stadtbad GbR, einer Investorengruppe, die die unter Denkmalschutz stehende Städtische Badeanstalt rettet.

Investoren retten altes Gebäude

Die Akteure der Stadtbad GbR belassen es aber nicht nur dabei einige Fliesen und andere Gegenstände für die Nachwelt zu retten. So wird großer Wert auf die Sanierung der imposanten Außenfassade gelegt. Die während des Bombenangriffs am 8. April 1945 über dem Eingang und links am Haus zerstörten Giebel-Risalite, neobarocke Teile der Fassade, werden wieder hergestellt. Gerettet wird außerdem im Erdgeschoss der schöne Fliesen-Fußboden aus dem Jahr 1900, der zurzeit von Holzfaserplatten geschützt wird. Besonderes Augenmerk gilt der originalgetreuen Restaurierung des attraktiven Foyers. Ein eigens dafür engagierter Restaurator legte unter fünf Farbschichten einen rötlichen Stein frei, informierte der Architekt. Eine Zukunft haben auch die alten Türen im Erdgeschoss. Sie werden aufgearbeitet und anschließend in einem attraktiven Dunkelrot und die Zargen in einem dunklen Blau gestrichen. Zu den schutzwürdigen Teilen im Inneren des Hauses gehört eine sehr gut erhaltene Holztreppe aus der Bauzeit des Bades, die alle Stockwerke miteinander verbindet. Sie dient künftig als zweiter Fluchtweg.

„Wir sind gut im Zeitplan. Ende 2021 wollen wir das Haus an den künftigen Nutzer, das Diakonische Werk des Kirchenkreises Halberstadt, übergeben“, sagte Jörg Gardzella.

In den Jahren 1898 bis 1900 ist die Badeanstalt nach Plänen vom Stadtbaurat Goedecke errichtet worden. Am 8. April 1945 trafen bei dem Luftangriff auf Halberstadt mehrere Bomben das Stadtbad. Von 1949 bis 1952 erfolgte der Wiederaufbau. Vor 21 Jahren ist die Badeanstalt geschlossen worden, weil das Sea Land im Freizeit- und Sportzentrum damals öffnete.  Danach dämmerte das Bad bis auf temporäre Nutzungen für Bauausstellungen und Konzerte im Dornröschenschlaf. Generationen von Halberstädtern haben in der alten Badeanstalt schwimmen gelernt und dort ihre Freizeit verbracht.

Nach wie vor genießt das Haus trotz des über 20 Jahre währenden Leerstands einen hohen Stellenwert bei den Bürgern der Stadt. Im Mai 2019 kamen über 2000 Bürger auf Einladung der Investoren in die Badeanstalt, um sie vor Beginn der Sanierung noch einmal im ursprünglichen Zustand in Augenschein zu nehmen. Im September des vergangenen Jahres erfolgte der offizielle Startschuss der Sanierung, die mit dem Abriss der Schwimmhalle begann. Auf dem Areal sollen Stellplätze für Pkw entstehen.