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Insolvenz Arsenfabrik in Osterwieck steht zum Verkauf

Tochterfirmen des in Pariser Recylex-Konzerns haben Schutzschirmverfahren beantragt. Davon betroffen ist auch die Arsenfabrik in Osterwieck.

Von Mario Heinicke 19.05.2020, 01:01

Osterwieck l Die Recylex-Gruppe hat von Paris aus schriftlich mitgeteilt, dass die deutschen Einzelfirmen jeweils ein Schutzschirmverfahren beantragt haben. Das ist eine spezielle Form der Insolvenz in Eigenverantwortung. Zur Recylex-Gruppe gehören in Deutschland Standorte in Nordenham, Langelsheim, Goslar-Oker und eben Osterwieck. Wobei Osterwieck und Langelsheim die Produktionsstandorte der PPM Pure Metals GmbH sind. Insgesamt rund 100 Mitarbeiter sind bei PPM beschäftigt.

Recylex ist spezialisiert auf das Recycling von Blei, Zink, Polypropylen sowie die Herstellung hochreiner Spezialmetalle. Wie Arsen. Der Konzern hat mehr als 730 Mitarbeiter.

Bereits seit 2018 sei darauf hingearbeitet worden, die Gruppe als Ganzes zu sanieren. Doch das sei nun aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie gestoppt worden. Es sei zu „einem dramatischem Verfall der Metallpreise“ gekommen. „Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Aussichten und nach Prüfung aller möglichen Szenarien musste schließlich davon ausgegangen werden, dass mit einer ausreichenden kurz- und mittelfristigen Erholung nicht gerechnet werden kann.“

Ziel der Schutzschirmverfahren sei „die Fortführung der Geschäftsbetriebe sowie Fortsetzung individueller Restrukturierungsprozesse, um den betroffenen Unternehmen jeweils das Überleben zu ermöglichen, nachdem die SARS-CoV-2-Pandemie überwunden ist“, heißt es in der Mitteilung.

„Um Osterwieck mache ich mir die geringsten Sorgen“, sagte am Motnag, 18. Mai, auf Anfrage PPM-Geschäftsführer Dr. Jan Freerks Riecken. Hier werde momentan weiter in drei Schichten produziert. Knapp 20 Leute arbeiten in Osterwieck, stellen metallisches Reinstarsen her. 2019 sogar gut die Hälfte der Weltproduktion.

Reinstarsen ist der Ausgangsstoff, mit dem nach Weiterverarbeitung unter anderem Computerchips und hochwertige Leuchtdioden hergestellt werden. Osterwieck war zuletzt eine von weltweit nur drei Fabriken, die dieses metallische Arsen allerhöchster Güte produzieren konnten. Die anderen sitzen in Asien.

Früher wurde Reinstarsen auch bei PPM in Langelsheim hergestellt. Im Jahr 2000 wurde bekannt, dass ehemalige PPM-Mitarbeiter in Osterwieck eigenständig solch eine Fabrik aufbauen wollten. Nach massiven Einwohnerprotesten ging die Astron AG später als geplant in Betrieb, sie geriet zeitlich in eine Absatzkrise, und es folgte schon bald die Insolvenz.

Nach zweieinhalb Jahren Stillstand kaufte im Jahr 2007 der Metaleurop-Konzern (später zu Recylex umfirmiert) die Osterwiecker Arsenfabrik. Anfangs als Firma Reinstmetalle Osterwieck am Markt, gehört die im Industriegebiet stehende Arsenfabrik seit einigen Jahren zu PPM. Deren Arsen-Produktion ist ganz auf die Ilsestadt konzentriert worden.

Wie geht es nun weiter? „Wir stehen zum Verkauf“, erklärte gestern Jan Freerks Riecken, der gemeinsam mit Dr. Ulrich Kammer Geschäftsführer von PPM ist. Riecken sieht gute Chancen, dass der Verkaufsprozess erfolgreich ausgehen wird.

Hoffnung verbreitete auch Recylex-Chef Sebastian Rudow in der Konzern-Mitteilung: „Mit den jetzt für die operativ tätigen Gesellschaften des deutschen Teilkonzerns eingeleiteten Schutzschirmverfahren wird ein neuer Weg beschritten, um den Herausforderungen der SARS-CoV-2-Pandemie entgegenzutreten. Ich gehe davon aus, dass die Sanierungserleichterungen, die das deutsche Recht in dieser Art von Verfahren bietet, den verschiedenen Unternehmen ermöglichen werden, ihre Geschäftsbetriebe fortzuführen und individuelle Restrukturierungswege weiter zu verfolgen.“

Zum Konzern heißt es in der Mitteilung: Die Recylex S.A. werde „mit den Beschlüssen des deutschen Insolvenzgerichts (welche zeitnah vorliegen sollten) unmittelbar die Kontrolle über den deutschen Teilkonzern verlieren, was wiederum zur Entkonsolidierung der deutschen Gesellschaften führt. Der Kontrollverlust wird eine direkte Folge der Anordnungen des deutschen Insolvenzgerichts auf die Insolvenzanträge sein. Mit den Gerichtsbeschlüssen werden die deutschen Geschäftsführer unter Aufsicht des Sachwalters alleinig handlungsbefugt. Infolgedessen besteht die Recylex-Gruppe ab diesem Moment ausschließlich aus französischen Aktivitäten.“