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Tourismus Ist Austritt aus der „Deutschen Fachwerkstraße“ eine notwendige Einsparung oder der Verlust einer guten Werbeplattform für Halberstadt?

Von Sandra Reulecke 26.04.2021, 16:16
Während die historische Bebauung im Zentrum Halberstadts zu großen Teilen im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, finden sich etwa in der Voigtei  noch heute bunte, aufwendig sanierte Fachwerkhäuser.
Während die historische Bebauung im Zentrum Halberstadts zu großen Teilen im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, finden sich etwa in der Voigtei noch heute bunte, aufwendig sanierte Fachwerkhäuser. Archivfoto: Sandra Reulecke

Halberstadt

Mehr als 100 Städte in ganz Deutschland stellen ihre Fachwerk-Schätze in den Fokus. Halberstadt ist eine von ihnen – noch. Derzeit steht zur Diskussion, ob sich die Domstadt von der „Deutschen Fachwerkstraße“ zurückzieht.

Dabei handelt es sich um eine Ferien- und Kulturstraße, die sich von der Elbe bis zum Bodensee erstreckt. Sie zählt zur Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte und hat ihren Sitz in Fulda.

„Wir schlagen die Kündigung vor“, informierte nun Thomas Rimpler, Wirtschaftsförderer und stellvertretender Oberbürgermeister Halberstadts, im Kultur- und Sportausschuss. Ab Ende des Jahres wäre damit Halberstadts Mitgliedschaft in der Deutschen Fachwerkstraße beendet und die Stadtverwaltung spart somit jährlich etwa 3400 Euro ein, erläuterte er weiter. „Die Mitgliedschaft setzt wenig touristische Impulse für Halberstadt.“ Diese Einschätzung stamme aus der Tourist-Information und wurde im Ausschuss von Kulturbüroleiterin Sandra Salomo bestätigt. „Es macht wenig Sinn, Geld in etwas zu investieren, das keinen Nutzen für uns hat“, sagte Thomas Rimpler weiter. „Es gibt Projekte in Halberstadt, in denen das Geld besser investiert ist.“ Zumal der Fokus der Fachwerkstraße mehr auf Süddeutschland liege.

Sehenswürdigkeiten über Stadt hinaus beschrieben

Er könne die Einschätzung, dass die Zugehörigkeit zur Fachwerk-Route kaum Nutzen für Halberstadt habe, nicht teilen, sagte Sebastian Knobbe (Buko). „Es wird kaum jeder, der mit dem Wohnwagen nach Halberstadt kommt, gefragt, wie er auf die Idee gekommen ist“, gab der Langensteiner zu bedenken. „Ich habe mir die Homepage angeschaut. Sie ist gut frequentiert und aufgemacht. Halberstadt ist in den Streckenempfehlungen aufgeführt, zum Beispiel auch für Wohnwagentouren. In Zeiten von Corona ist das nicht unwichtig.“

Gefallen habe ihm zudem, dass auch die Sehenswürdigkeiten der Stadt wie die Spiegelsberge samt Tiergarten oder das Gleimhaus beschrieben werden und sogar über die Stadtgrenzen hinaus geschaut werde. So sind auch Informationen zur Altenburg und den Hoppelbergen zu finden. Keine schlechte Werbung, finde er. „Und wir reden hier von 3400 Euro.“

Jens Müller (SPD), Ortsbürgermeister des Schachdorfs Ströbeck und beratendes Mitglied des Kultur- und Sportausschusses, nannte noch einen weiteren Aspekt, warum die Mitgliedschaft aus seiner Sicht für Halberstadt wichtig sei. „Fachwerk ist auch Baukultur“, betonte er. In dieser Hinsicht habe die Domstadt im Zweiten Weltkrieg herbe Verluste erleben müssen.

Mehr als 1600 Häuser bis zur Stadtzerstörung

Vorher wurde Halberstadt gern mit dem Beinamen „Rothenburg des Nordens“ versehen. Grund dafür waren die vielen, individuell gestalteten Fachwerkhäuser. Nach Informationen des Städtischen Museums Halberstadt existierten davon 1943 noch 1605 bewohnte im Stadtgebiet. Viele davon wurden beim Bombenangriff am 8. April zerstört, wurden zu DDR-Zeiten abgerissen oder dem Zerfall preisgegeben. „Wenn ich mir ansehe, was das Bauamt alles mit dem Fachwerkzentrum auf die Beine gestellt hat in den vergangenen Jahren“, so Jens Müller. Diese Leistung sollte gewürdigt, die mittlerweile aufwendig sanierten Häuser in den Fokus gestellt werden. Immerhin verfügt Halberstadt heute über 447 Fachwerkhäuser aus vier Jahrhunderten, wie auf der Internetseite der Deutschen Fachwerkstraße nachzulesen ist.

Dieser schließen sich Städte an, deren Fachwerkschatz sogar bedeutend kleiner ist. Zum Beispiel Montabaur, eine Kreisstadt zwischen Frankfurt und Koblenz, mit rund 100 Fachwerkhäusern. Mit der Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte wolle sich Montabaur jetzt verstärkt mit seiner Vergangenheit beschäftigen. „Hier wird im Rahmen einer Tourismusoffensive auch kulturelles Erbe erhalten“, fasst es der SWR2 am 21. April zusammen.

Die Frage, ob Halberstadt aus der touristischen Arbeitsgruppe austreten soll, steht als Tagesordnungspunkt 27 auf der Agenda der kommenden Stadtratssitzung am Donnerstag, 29. April. Die Mitglieder des Kultur- und Sportausschusses empfahlen in ihrer jüngsten Sitzung mehrheitlich, dass Halberstadt Teil der Fachwerkroute bleiben soll.