Cecilienstift bietet als erster Träger im Land neue Wohnform für Menschen mit Sinnesbehinderung Jenny und Marcel haben ihr Ziel erreicht - betreut, aber in den eigenen vier Wänden
Sie haben einen Brief geschrieben. Und weil sie das taten, ging ihr großer Traum in Erfüllung Jennifer Möbus und Marcel Zech leben in einer eigenen Wohnung. Ihren Handicaps zum Trotz.
Halberstadt l "Ich war baff, platt wie eine Briefmarke, als ich das hörte." Marcel Zech ist immer noch anzumerken, wie glücklich ihn die Nachricht machte, dass es endlich klappen wird mit dem Wohnen in den eigenen vier Wänden. Der 24-Jährige nimmt seine 21-jährige Freundin Jenny in den Arm und strahlt. Beide haben sich in der Werkstatt am Park kennengelernt, wo Menschen mit Sinnes- und Mehrfachbehinderungen eine sinnvolle Beschäftigung finden. Für für Medizintechnik- und Schreibwarenunternehmen wird in der OdF-Straße gearbeitet. Der junge Mann, der in der Altmark aufwuchs und in Soest ein Berufsbildungszentrum besuchte, hatte in der Werkstatt am Park einen Arbeitsplatz gefunden. Da fiel ihm der Umzug nach Halberstadt leicht. Doch das Wohnen im Sophienheim in Emersleben war nicht so ganz nach seinem Geschmack. "Da steht die Gruppe im Vordergrund, ich wollte aber lieber was mit meiner Freundin unternehmen", erzählt er.
Seine Freundin Jenny stammt aus Dessau, besuchte das Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte in Halberstadt und lebte im Klusheim. Doch auch sie wurde flügge und wollte mehr Eigenständigkeit. Was nicht so einfach ist, wenn man nur sehr eingeschränkt sehen und hören kann. Doch beide haben gesetzliche Betreuer, die ihren Drang nach Selbständigkeit verstehen und ebenso wie die Betreuer in Werkstatt und Heimen unterstützen.
Nun sitzt das Paar auf dem schwarzen Sofa vor der weißen Wand mit den roten Blumenstickern und erzählt. Dass sie ihr eigenes Schlafzimmer und ein Wohnzimmer haben, ist dem Engagement Vieler zu verdanken. Den letzten Anstoß aber haben die beiden gegeben, wie Ina Klamroth berichtet. "Wir haben Konzepte erarbeitet, Finanzierungsfragen verhandelt und es zog und zog sich. Aber als die beiden einen Brief an die Sozialagentur Halle schickten und fragten, warum sie ihren Weihnachtbaum noch immer nicht in ihrer eigenen Stube aufstellen dürfen, kam alles ins Rollen. Plötzlich kamen die Zusagen und unsere weit mehr als zwei Jahre intensiv verfolgte Idee wurde Wirklichkeit."
Die Bereichsleiterin Behindertenhilfe im Cecilienstift Halberstadt begrüßte gemeinsam mit Holger Thiele und Hannah Becker vom Vorstand des Stiftes zahlreiche Gäste in einem Haus in der Otto-Lilienthal-Straße. Ihr leben in drei Wohnungen der Wohnungsbaugenossenschaft Halberstadt neben Jenny und Marcel noch André Lehmann, Steven Rademacher, Christin Timm, Ronny Eiteljörge und Matthias Brandt. Stück für Stück erobern sie sich die Stadt, werden auf ihrem Weg in größtmögliche Selbständigkeit intensiv betreut. Diese intensivbetreute Wohnform ist für blinde, gehörlose bzw. sehschwache und stark schwerhörige Menschen bislang einmalig im Land Sachsen-Anhalt. Das ist etwas, worauf neben Jenny und Marcel auch alle anderen Partner dieses Angebotes sehr stolz sind, wie bei der offiziellen Einweihung der Wohnungen spürbar wurde. Froh sei man auch, so Ina Klamroth, dass die Nachbarn alle sehr aufgeschlossen und verständnisvoll sind.