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Flüchtlingsquartier Kopfschütteln und Rätselraten

Der Betreiber eines Ferienheims im Oberharz sorgt wegen einer Stornierung für Kopfschütteln nicht nur im Harz.

Von Dennis Lotzmann 21.10.2015, 01:01

Sorge/Magdeburg l Das Verhalten des Mannes aus Sorge (Stadt Oberharz am Brocken) hat in der Region ebenso wie in Magdeburger Landesministerien für Unverständnis und Kopfschütteln gesorgt. Der Mann, der seit Anfang September in seinem Heim 150 Flüchtlinge betreut und so die Zentrale Anlaufstelle in Halberstadt (Zast) entlastet, hatte aufgrund dieser Aufnahme kurzerhand anderen Gästen den Stuhl vor die Tür gesetzt (die Volksstimme berichtete).

Dieses Verhalten sei keineswegs akzeptabel und schade letztlich auch dem Ansinnen, in der Bevölkerung ein breites Verständnis für die Hilfe für die Flüchtlinge zu finden, hieß es hinter vorgehaltener Hand auf Landesebene. Gleichwohl sei man für derartige Vorgänge nicht verantwortlich, wurde mehrfach betont. Wenn Eigentümer dem Land derartige Unterkünfte anböten, sei es nicht Aufgabe des Landes, zu prüfen, ob etwaige andere Buchungen bestehen, hieß es. Überschneidungen oder Kollisionen mit anderen Kunden zu vermeiden, sei Sache des Anbieters.

Gleichwohl ist, nachdem die Volksstimme den Fall publik gemacht hatte, in Magdeburg eine gewisse Verstimmung zu registrieren. Der Heimbetreiber hatte die Buchung einer Frau, die Mitte September 20 Gäste einer Familienfeier für eine Nacht in dem Haus unterbringen wollte, kurzerhand storniert.

Die Frau hatte die Unterkunft bereits am 24. August über das Online-Portal „Booking.com“ geordert. Eine solche Stornierung von Seiten der Anbieter ist in den Geschäftsbedingungen von Booking.com nicht vorgesehen, so ein Mitarbeiter der Online-Plattform.

Doch warum diese kurzfristige Entscheidung zur Einquartierung von 150 Flüchtlingen auf dem Rücken einer anderen Kundin? Sind es wirklich nur humanitäre Aspekte, wie der Heimbetreiber in einem Telefonat gegenüber der Volksstimme ausdrücklich betont hat? Oder geht es ihm auch darum, längerfristige Buchungen für sein Haus fest zu machen? Schließlich zahlt das Land für die Unterbringung.

Der Betreiber selbst will sich mittlerweile nicht mehr äußern und lehnt ein Gespräch mit der Volksstimme ab. Auch im Innenministerium, dem Vertragspartner des Heimbetreibers, hält man sich bedeckt. Eine Ministeriumssprecherin erklärt lediglich, dass der Vertrag mit dem Heimbesitzer zeitlich nicht befristet abgeschlossen worden sei. Zur genauen Höhe der Zahlungen will man sich nicht äußern.

Vergleiche lassen sich jedoch ziehen. So wurde der Betreiber eines Hotels im sächsischen Bautzen, der als einer der ersten bundesweit Flüchtlinge aufnahm, in Medien mit der Auskunft zitiert, dass er 13 Euro pro Tag und Flüchtlinge erhalte. Eine Information, die sich mit Fakten rund um das Maritim-Hotel in Halle deckt. Dort zahlt das Land nach Recherchen der Volksstimme pro Jahr rund 3,1 Millionen Euro. Auf die rund 700 dort untergebrachten Flüchtlinge heruntergerechnet, entspricht das rund zwölf Euro pro Person und Tag.

Setzt man in Sorge fiktiv einen Betrag von pauschal zehn Euro an, entspräche das bei 150 Personen täglich 1500 Euro oder rund 45 000 Euro pro Monat. Mit derartigen Zahlungen sind von Seiten des Landes die Unterbringungskosten abgedeckt. Für Betriebskosten sowie Reparaturen oder Sicherheitsdienste müssen in aller Regel die Betreiber aufkommen.