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Kultur Willkommene Rückkehr zum Alltag

Nach zögerlichem Beginn steigen die Besucherzahlen in Harzer Museen. Probleme wegen der Auflagen gibt es kaum, wie eine Umfrage ergab.

Von Sabine Scholz 08.06.2020, 01:01

Harzkreis l Eine versteckte Tür in der Schatzkammer des Halberstädter Doms ist geöffnet. Auf Schloss Wernigerode ist der Dienstboteneingang wieder mit einer wichtigen Funktion versehen – ganz ohne adlige Herrschaft. Ute Bergemann und Christian Juranek sind froh, dass diese Türen existieren und genutzt werden. Zugleich freut es die Leiter der Museen in Dom und im Schloss nicht wirklich, beide Türen zu benötigen. Auch wenn die einen Rundgang durch die wertvollen Sammlungen ermöglichen, ohne dass es zu „Gegenverkehr“ kommt. Eine Bedingung für die Öffnung der Museen in Corona-Zeiten.

Während im Schloss und im Domschatz wieder Besucher empfangen werden können, kämpfen andere Häuser noch darum, praktikable Konzepte und bauliche Lösungen zu finden, um die Anforderungen an Abstand und Hygiene erfüllen zu können. „Wir hoffen, im Juli wieder Gäste begrüßen zu können“, sagt Antje Gornig, Direktorin des Städtischen Museums Halberstadt, „zurzeit laufen bei uns noch Umbauarbeiten im Foyer“. Die Spiegelsche Kurie ist zwar eine imposante Behausung für das Museum, hat aber zum Beispiel nur ein Treppenhaus, was die Einhaltung der Abstandsregeln erschwert.

Denkmalgeschützte Gebäude atmen Geschichte, erschweren aber oft die Umsetzung behördlicher Vorgaben. Da war der Ausbau der Scheune auf dem Vier-Seiten-Hof des Museums für bürgerliche Wohnkultur in der Halberstädter Altstadt ein doppelter Glücksfall. Dabei wurde ein zweiter Treppenaufgang geschaffen, der nun Besucher den Blick auf den vollständig erhaltenen Haushalt der Tuchfärber- und Kaufmannsfamilie Schraube aus der Zeit um 1900 ermöglicht.

Den großen Salon allerdings, bürgerliches Gegenstück zum Adels-Festsaal auf Schloss Wernigerode, können die Besucher noch nicht wieder betreten. „Es verbietet sich einfach, auf das historische Parkett Pfeile aufzukleben“, nennt Antje Gornig einen Grund dafür. Ihr Mitarbeiterteam ist sehr gefordert, um ständig Geländer, Oberflächen und Klinken zu desinfizieren. „Aber wir können einen virtuellen 3-D-Rundgang durch den Salon anbieten, die Besucher können digital im Skizzenbuch des Malers Carl Hasenpflug blättern und über die QR-Codes auf dem Smartphone in einer Broschüre mehr zur Familie Schraube erfahren“, berichtet Gornig. All das, während sie auf Einlass warten oder nach dem Gang durch die historischen Wohn- und Arbeitsräume.

Betreten werden können diese erst, wenn die Besucher Fragebögen ausgefüllt und ihre Kontaktdaten hinterlassen haben, so, wie es derzeit in allen öffentlichen Einrichtungen erforderlich ist. Für einen Besuch der Lyonel-Feininger-Galerie Quedlinburg können die Gäste diese Bögen schon zuhause ausfüllen und mitbringen. Die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt hat das entsprechende Formular auf den Internetseiten der von ihr getragenen Einrichtungen eingestellt.

„Bislang gab es keine Diskussionen wegen der Auflagen“, berichtet Manuela Winter vom Galerie-Team. Die Besucher fänden sich mit der Situation ab. Die Einhaltung der Abstandsregeln gelinge, zurzeit ist nur die Dauerausstellung der Galerie geöffnet. Kreativkurse und Museumspädagogik-Angebote sind derzeit nicht möglich. Und es dürfen ohnehin nur zehn Personen pro Zeitfenster in die Galerie. Das reiche zurzeit aus, weil der Zustrom an Gästen noch überschaubar sei. Auch wenn die Pfingsttage und damit die Öffnung des Landes Sachsen-Anhalt für auswärtige Besucher einen spürbaren Aufschwung gebracht habe, so die Sprecherin der Kunstgalerie. Wie es dann mit Öffnung der geplanten Sonderausstellung wird, müsse man abwarten.

Einen deutlichen Sprung nach oben in den Besucherzahlen zu den Pfingsttagen hat auch Madeleine Aulich vom Flugzeugmuseum Wernigerode bemerkt. „Trotzdem haben wir nicht mal die Hälfte der sonst üblichen Besucherzahlen“, sagt Aulich. Negative Reaktionen auf die Auflagen wie das Tragen einer Mund-Nase-Maske, das Ausfüllen der Fragebögen, die Einhaltung der Abstandsregeln hätten sie und ihr Team kaum gespürt. Das würde ohnehin eher die Gäste aus der engeren Umgebung abhalten, denn die könnten warten, bis die Auflagen nicht mehr notwendig sind. „Touristen, die nur eine Woche Ferien machen, nehmen die Auflagen halt in Kauf, um sich etwas anschauen zu können“, so Madeleine Aulich.

Sie mache zurzeit eine interessante Erfahrung, berichtet die Wernigeröderin weiter: Aufgrund der Auflagen „nehmen wir uns mal selbst am Schlafittchen und beleuchten unsere Abläufe, schauen, wo wir nachjustieren müssen, weil wir betriebsblind geworden sind“. Schön sei auch, das mehr abteilungsübergreifend gearbeitet werde. Mit den Hygieneanforderungen habe ihr Team keine Probleme, weil man im Haus von Anfang an ein Gastronomie-Angebot vorhalte, sei man strenge Anforderungen gewöhnt.

Etwas schwieriger sei indes die Personalplanung. Anders als früher sei es aktuell schwierig abzuschätzen, wie viele Besucher zu erwarten sind. Die sonst üblichen Abfragen nach Buchungen in den Hotels ergebe zurzeit kein sicheres Bild. „Ohnehin haben wir schon jetzt 15 000 Besucher weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres“, sagt Madeleine Aulich.

Ein Fakt, den auch Ferdinand Benesch im Gespräch bestätigt. „Wir haben sonst 800 bis 1000 Besucher pro Tag, in den ersten drei Wochen unserer Wieder-Öffnung waren es 20 bis 30 Gäste, die zu uns fanden“, sagt der Unternehmenssprecher der Derenburger Glasmanufaktur Harzkristall. „Seit Pfingsten wird es langsam besser, wir merken, dass wieder Touristen nach Sachsen-Anhalt kommen dürfen.“ Den Verlust aufgrund der Schließzeit werde man jedoch nicht wettmachen können.

Immerhin könne das Haus seit dem 5. Juni wieder Führungen durch die Manufaktur anbieten. „Wir haben die Gruppengröße auf 15 Personen beschränkt, dadurch sind die Rundgänge wieder möglich“, sagt Benesch. Auch im Laden seien Vorkehrungen getroffen worden, um die Hygieneanforderungen zu erfüllen. Nicht angeboten werden könne derzeit den Besuchern das Blasen von Glaskugeln. „Hierbei ist der Mindestabstand zwischen Glasbläser und Gast nicht einzuhalten. Aber das Gießen von Handabdrücken in Glas werden wir ab 4. Juli wieder jeden ersten Samstag anbieten, hier sind die Abstände möglich“, so Benesch.

Noch nicht offen ist der Spielplatz, was der Unternehmenssprecher sehr bedauert. „Gerade viele Gäste aus der Region rufen an und fragen, ob der Spielplatz wieder zugänglich ist. Aber das können wir derzeit nicht verantworten“, sagt Benesch. In der jüngsten Landesverordnung fehle ein entscheidender Satz: Eltern haften für ihre Kinder. „Deshalb müssten wir Mitarbeiter abstellen, die fragen, ob gemeinsam spielende Kinder zu einem Haushalt gehören und falls nicht, diese räumlich trennen. Das ist einfach nicht zu leisten.“ Er hoffe, dass das Land die Spielplatz-Regelung schnellstmöglich überarbeite.

Mit Spielplatzfragen muss sich das Team des Halberstädter Domschatzes nicht befassen. Auch hier war die Öffnung der Landesgrenzen spürbar, so Museumsleiterin Ute Bergemann. „Unsere Schatzkammer ist das Nadelöhr des Rundgangs“, sagt die promovierte Kunsthistorikerin. Obwohl man eine bislang verschlossene Tür zur Südempore im Dom wieder geöffnet habe, um einen Rundgang zu ermöglichen. Weil immer nur zwei Personen gleichzeitig in der Kammer sein dürfen, hätten manche Besucher das Gefühl, sich viel Zeit lassen zu können beim Betrachten der einzigartigen mittelalterlichen Kunstschätze. Einerseits sei das Interesse sehr schön, andererseits müsse mit Blick auf die anderen Gäste dann doch zum Weitergehen ermahnt werden.