Lockdown Neustart in zwei Wochen

Der erfolgreichen Premiere folgte die Schließung. Friseurmeisterin Melanie Rieke aus Halberstadt wurde von Corona ausgebremst.

Von Jörg Endries 15.02.2021, 00:01

Halberstadt l „Endlich ist es soweit“, freut sich Melanie Rieke. Seit Monaten wartet sie auf ein Signal aus Berlin, dass die Friseure ihre Läden wieder öffnen und Kunden empfangen dürfen. Seit Mittwochabend klingelt sich das Telefon der Friseurmeisterin heiß. Sie kommt gar nicht dazu, das Handy aus der Hand zu legen. Der Terminkalender füllt sich rasend schnell. Schon ist die erste Woche rappelvoll. Ihre Kunden möchten so schnell wie möglich ab dem 1. März einen Termin bei ihr ergattern.

„Kein Wunder nach dem langen Warten. Ich freue mich auf die Zeit nach der Schließung und auf meine Kunden.“ Die selbstständige Friseurin darf wie Tausende ihrer Kollegen in Deutschland ab 1. März unter Einhaltung von Hygieneauflagen ihren erst kurz vor dem zweiten Lockdown eröffneten Salon in der Altstadt Halberstadts wieder aufsperren.

Seit 20 Jahren arbeitet Melanie Rieke als Friseurin. Bis 2020 immer im Angestelltenverhältnis. „Ich bin so ein Sicherheitsmensch. Daher haderte ich lange mit mir, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Letztes Jahr fasste ich Mut und dann war es endlich soweit“, berichtet die 36-jährige Mutter von zwei Kindern. Spannungen mit ihrem Arbeitgeber seien maßgeblich der Treiber gewesen, den Plan, selbst einen Salon zu betreiben, in die Tat umzusetzen, sagt die Halberstädterin. Geschäftsräume fand sie in der Halberstädter Altstadt – in einem alten und sanierten Fachwerkhaus in der Bakenstraße. Dort richtete sie ihr eigenes Reich ein. Am 19. Oktober 2020 folgte die Öffnung des Salons.

„Die Freude war groß, dass ich durchstarten konnte. Die ersten Wochen liefen super an. Meine Kundschaft wuchs. Ich hatte sehr gut zu tun“, berichtet Melanie Rieke. Sie trug sich sogar mit dem Gedanken, ihr Ein-Frau-Unternehmen relativ schnell zu erweitern. Bedeutet: die Meisterin wollte eine Mitarbeiterin einstellen, später vielleicht noch eine zweite.

Eine Bewerberin habe es bereits gegeben, die sehr gut zu ihr und dem Laden gepasst hätte. Darüber sei sie sehr froh gewesen. Denn gutes Personal zu finden, sei nicht so einfach. Doch der erneute Lockdown durchkreutze sehr schnell ihren Expansionsplan.

Am 16. Dezember folgte die pandemiebedingte Zwangsschließung des Salons. „Dass ich so schnell wieder schließen musste, war nicht so schön“, sagt Melanie Rieke. Zumal sie sich wie alle anderen Friseure bestens auf die seit dem ersten Lockdown im März/April vergangenen Jahres gültigen Hygieneregeln eingerichtet habe. „Das klappte alles generell sehr gut in den Salons. Ich hörte bis heute von keinem, wo sich Kunden oder Frisöre in den Betrieben mit dem Corona-Virus infiziert hätten.“

Wobei bestimmte Hygieneregeln schlecht nachvollziehbar waren, sagt die Meisterin. „Wenn ich meinen Kundinnen, die blonidert werden möchten, die Harre vorher waschen muss, ist das sehr schmerzhaft. Das Mittel brennt auf der Kopfhaut“, nennt sie ein Beispiel.

Trotz der langen Wochen der Geschäftsschließung so kurz nach dem Start in die berufliche Selbstständigkeit ließ sich Melanie Rieke nicht entmutigen und steckte den Kopf nicht in den Sand.

„Klar, der Schritt kostete wichtige Einnahmen, die einkalkuliert waren. Trotzdem bin ich recht relaxt. Mir geht es gut“, versichert sie. Gott sei Dank habe sie erst einmal aufgrund der Corona-Pandemie den Salon schließen müssen. Sie wüsste nicht, wie es aussehen würde, wenn sie wie viele andere Friseure schon das zweite Mal von der Zwangspause betroffen gewesen wäre.

Die Einstellung der Mitarbeiterin muss nun dennoch erst einmal warten. „Dafür brauche ich Sicherheit.“ Die sieht Melanie Rieke noch nicht. „Wer weiß, was die Pandemie uns noch so beschert“, sagt sie.

„Was mich eigentlich entspannt, ist, dass meine Familie nicht vollständig auf die Einnahmen aus meinem Geschäft angewiesen ist“, sagt die Frisörmeisterin. Ihr Mann habe einen sicheren Job, der nichts mit ihrer Branche zu tun habe. „Also verfügen wir immer über ein zweites Einkommen, dass sorgt für Sicherheit“, sagt Melanie Rieke sichtlich erleichtert.

Finanziell habe ihr auch die Meistergründerprämie geholfen, die sie mit der Gründung ihres Unternehmens erhalte habe. Das Geld sei allerdings nicht für den Lebensunterhalt gedacht gewesen, betont sie. Schließlich galt es Rechnungen für die Einrichtung ihres Salons sowie die Miete zu bezahlen. „Das kostet alles.“

Melanie Rieke betont, dass sie trotz aller Probleme, die die Zwangsschließung mit sich bringt, die Notwendigkeit der Pandemie-Bekämpfung nicht anzweifelt. „Ich habe allerdings keinen Bock darauf, erst zu öffnen, um dann in drei Wochen wieder zu schließen, weil es nicht gut gelaufen ist.“ Das ständige Hin und Her würde kein Unternehmen auf langer Sicht aushalten.

Eine baldige Öffnung der Friseur-Geschäfte fordern seit Wochen der Obermeister der Friseur-Innung der Handwerkskammer Harz-Bode, Oliver Kantelhardt, sowie Hagen Mauer, Präsident der Handwerkskammer Magdeburg, und Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg.

Die Lage der Betriebe sei nach Monaten der Schließung kritisch, betonten sie während einer Krisenberatung in Halberstadt in der vergangenen Woche. Tausende Existenzen und Arbeitsplätze seien bedroht. Die drei richteten einen dringenden Appell an die Politik: „Die Friseure müssen wieder öffnen dürfen. Tausende Existenzen und Arbeitsplätze sind bedroht. Vielen Unternehmen steht das Wasser bis zum Hals.“

Der Appell wurde gehört. Allerdings kommt das grüne Licht für die Öffnung später als von den Unternehmern gefordert. Sie wollten, dass die Salons bereits ab dem 15. Februar wieder öffnen dürfen.

„Wir haben uns eine frühere Öffnung gewünscht. Leider ist die Politik darauf nicht eingegangen“, bedauert Oliver Kantelhardt vergangene Woche. „Jetzt ist aber auf alle Fälle wieder Land in Sicht“, ergänzt der Halberstädter.

Oliver Kantelhardt, der seit vielen Jahren in Halberstadt mit seiner Frau einen Salon betreibt, unterstrich, dass seine wirtschaftliche Lage wie bei vielen seiner Kollegen katastrophal sei.

„Wir leben von unserem Geschäft. Es gibt keine ausreichende Hilfe für Unternehmerlöhne, Krankenkasse oder Altersvorsorge“, berichtete Oliver Kantelhardt. Der zweite Lockdown innerhalb von nur wenigen Monaten würde nicht nur an den Nerven zerren, sondern auch die finanziellen Reserven verschlingen. „Alle Ersparnisse sind fast aufgebraucht“, bilanzierte Oliver Kantelhardt. Er und seine Frau sind auf das Geschäft und den Umsatz angewiesen. Hier gibt es kein zweites, vom Laden unabhängiges Gehalt wie es bei Melanie Rieke der Fall ist. Guten Morgen