Nach der Flut Wie geht es den Betroffenen heute?
Kindertag 2018 kam ein Starkregen über Halberstadt. Keller und Geschäfte standen unter Wasser. Gibt es Auswirkungen bis heute?
Halberstadt l Kindertag, kurz nach dem Mittag: Ein Unwetter zieht über Halberstadt. Ausgerechnet in dem Sommer, der als einer der trockensten in die Geschichte eingeht, fallen binnen weniger Minuten 64,6 Liter Wasser pro Quadratmeter. Eine enorme Menge, wenn man bedenkt, dass die Leitwarte der Halberstadtwerke bei normalem Regen lediglich ein bis zwei Liter pro Quadratmeter registriert. Binnen kürzester Zeit verwandeln sich Straßen in Flüsse, Keller und Geschäfte stehen unter Wasser. Die Feuerwehr wurde zu weit mehr als 210 Einsatzstellen gerufen.
Die Volksstimme hat bei Betroffenen nachgefragt: Sind die Schäden mittlerweile verschwunden oder haben die sintflutartigen Regenfälle bis heute Auswirkungen?
Für die Mitarbeiter des Möbelgeschäfts Roller Am Sülzegraben ist beides der Fall. „Manche Leute denken, wir hätten noch immer geschlossen“, berichtet Marktleiter Reinhard Ruppert. Er habe einen Rückgang der Kundenzahlen registriert – sicherlich zum Teil der aktuellen Straßenbauarbeiten und den dazugehöreigen Umleitungen geschuldet. Aber eben nicht nur.
Bei dem Starkregen im vergangenen Jahr wurde die untere Etage des Geschäfts, 2500 Quadratmeter Fläche, geflutet. „Das Wasser lief vorne rein und hinten wieder raus. Es ging alles so schnell“, berichtet Ruppert. Das hatte zur Folge, dass das Geschäft sechs Wochen lang geschlossen werden musste. „Teppiche, Wände, Möbel – alles musste raus.“ Um Schimmel- und Sporenentwicklung entgegenzuwirken, wurde der Markt desinfiziert. Anschließend erfolgte ein Umbau. Nicht nur im Inneren.
Drainage, ein Entwässerungssystem und ein Wall, der um das Gebäude aufgeschüttet wurde, soll vor erneuten Sturzfluten schützen. Die meisten Kunden hätten auf die Schließzeit verständnisvoll reagiert. Und letztlich hatte das Unwetter fast etwas Gutes: „Jetzt ist alles auf dem neuesten Stand und richtig schick geworden“, sagt Reinhard Ruppert stolz.
Auch für Uhrmacher Matthias Rademacher hat sich das vergangene Jahr positiv entwickelt. Er wirkt zufrieden, wie er an seinem Arbeitstisch sitzt und das filigrane Uhrwerk repariert. Wenn er von seiner Arbeit hochschaut, blickt er durch ein Fenster auf einen gepflegten Hof in der Voigtei. „Ich fühle mich wohl hier.“ Zwar sei der Laden kleiner als der alte und die Kunden müssten erst wieder den Weg zu ihm finden, doch den Umzug bereut er nicht.
Dieser musste Knall auf Fall geschehen. Denn zusätzlich zu dem Wasser, das von außen in das Geschäft im Düsterngraben drückte, kam eine stinkende Brühe aus der Toilette, die den Laden ebenfalls flutete. Auch Tage nach dem Regen war die Luft in dem Laden feucht und modrig. Grund genug für Rademacher, den Standort des Geschäfts – das an der Stelle 24 Jahre existierte – zu verlegen.
Für diesen Schritt entschied sich auch das Ehepaar Arbanowski. Obwohl schon im Rentenalter haben sich die beiden Einrahmer, Kunstmaler und Restauratoren von Gemälden dazu entschlossen, in der Bakenstraße einen neuen Laden zu eröffnen.
Für das Ameos-Klinikum kam ein Umzug nicht infrage. Auch das Krankenhaus hat es im vergangenen Jahr erwischt. In Rekordzeit haben Mitglieder des Technischen Hilfswerks (THW) einen Wall mit Sandsäcken errichtet, um Schlimmeres zu verhindern. Um sich künftig in solchen Situationen besser schützen zu können, hat das Klinikum Hochleistungspumpen angeschafft, informiert Kliniksprecher Axel Hengehold. Zudem wurden „in gefährdeten Bereichen Fenster dauerhaft verschlossen sowie Spundwände installiert“.
Eine Pumpe wurde auch im Keller der Miriam-Lindner-Grundschule eingebaut. „Gerade erst Anfang der Woche“, berichtet Schulleiter Sebastian Lütgert. Die Kellerräume seien im vergangenen Jahr binnen kurzer Zeit vollgelaufen. Trotz des Einsatzes der Feuerwehr mit Pumpen ist ein Möbellager der Schule zu Schaden gekommen. Dass das geschehen konnte, sieht Lütgert auch in einem verstopften Abwasserrohr begründet. „Es ist eine Tonleitung, die im Laufe der Jahre zugewachsen ist.“ Zwar sei geplant, die Leitung zu sanieren, „aber das ist sehr aufwendig“.
Geduld ist auch in Sachen Sporthalle „Freiherr Spiegel“ gefragt. Soweit es möglich war, hat sich der Verein HT 1861 Halberstadt darum gekümmert, dass sie nach dem Starkregen wieder genutzt werden kann, berichtet Vereinschef Denis Schmid. Eine Sanierung sei dennoch dringend erforderlich, ein entsprechender Antrag auf Fördergeld wurde gestellt und genehmigt.
Allerdings gibt es einen Haken, so Schmid. Da die Halle auch für Schulsport genutzt wird, sind sowohl die Stadt als auch der Verein Antragsteller. Beide müssen einen Eigenanteil zur Finanzierung der Arbeiten beisteuern – für den Verein ist das gesichert. Doch „da Halberstadt keinen genehmigten Haushalt hat, muss die Kommunalaufsicht zustimmen. Dort liegt der Antrag gerade“, erläutert Schmid. Dabei ist Eile geboten: Sobald es stärker regnet, läuft noch immer Wasser in die Halle.