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Praxis geschlossen Todesdrohungen gegen Hausarzt im Harz

Ein Ballenstedter Hausarzt sieht sich mit Todesdrohungen konfrontiert. Der Mann hat seine Praxis geschlossen und ist mit Familie abgetaucht.

Von Dennis Lotzmann 15.05.2020, 01:01

Ballenstedt l Dirk Schwientek ist verschwunden. Der Allgemeinmediziner, der mit einem Partner eine Hausarztpraxis in Ballenstedt führt, hat selbige seit Montag, 11. Mai, geschlossen. Obendrein hat Schwientek auch privat mit seiner Familie seine Heimatstadt verlassen. Den Grund dafür nennt der 54-Jährige auf Anfrage beim Namen: „Ich werde mit dem Tode bedroht und musste so handeln.“

Diese Drohung nehme er sehr ernst und habe daher sofort die nötigen Konsequenzen gezogen, berichtet der sichtlich schockierte Schwientek. Die Praxismitarbeiter – zwei weitere Ärzte sowie acht Schwestern und eine Reinigungskraft – seien informiert. „Wir haben sicherheitshalber erst mal geschlossen, um niemanden zu gefährden.“ Geöffnet werde die Praxis erst wieder, wenn die nötige Unversehrtheit aller Beteiligten garantiert werden könne.

„Wir wollen einen Sicherheitsdienst hinzuziehen“, kündigt Schwientek an. Abgesehen von der persönlichen Angst und der Sorge um alle tangierten Praxismitarbeiter sieht der 54-jährige Hausarzt vor allem die Patientenversorgung in Gefahr. Deshalb wolle sein Team so schnell wie möglich wieder starten – wenn es die Rahmenbedingungen möglich machen, vielleicht schon ab Montag, 18. Mai.

Zu Details und Hintergründen der Bedrohungen will sich Schwientek wegen der laufenden Ermittlungen – Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigen eine Anzeige wegen Bedrohung – und wegen seiner ärztlichen Schweigepflicht nicht äußern. „Ich bin nur total schockiert und erlebe so etwas zum ersten Mal.“

Nach Informationen der Volksstimme steht die Drohung im Zusammenhang mit dem Tod einer 35 Jahre alten Frau. Diese starb am Samstag vergleichsweise überraschend im Quedlinburger Klinikum, nachdem sie zuvor wohl wegen einer eher banalen Erkrankung behandelt worden war. Der Vater der Frau – ein 62 Jahre alter Mann – soll daraufhin besagte Todesdrohung gegenüber allen beteiligten Medizinern ausgesprochen haben. Offenbar gehören neben Schwientek auch mehrere Ärzte des Harzklinikums dazu. Dem Vernehmen nach wohl drei Klinikärzte.

Eine Bestätigung gibt es dafür seitens des Harzklinikums nicht. Nach Recherchen der Volksstimme soll mittlerweile aber nicht nur Schwienteks Strafanzeige wegen Bedrohung gegen den 62-Jährigen auf dem Tisch liegen, sondern wohl auch zwei Anzeigen wegen fahrlässiger Tötung gegen Schwientek und eine Klinik-Oberärztin – erstattet von dem 62-Jährigen.

Seitens der Justiz gab es dafür am Donnerstag, 14. Mai, keine Bestätigung. Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck von der Staatsanwaltschaft in Halberstadt erklärte auf Anfrage lediglich, dass wegen besagter Bedrohungsanzeige ermittelt werde. Zudem gebe es mit Blick auf die verstorbene 35-Jährige von Amts wegen ein Todesursachen-Ermittlungsverfahren. „In diesem Zusammenhang haben wir auch eine Obduktion beantragt“, so der Chef der Strafverfolgungsbehörde. Davon und vom daraus resultierenden Gutachten erhoffen sich die Ermittler Klarheit, ob an den spontanen Vorwürfen des 62-Jährigen, der den Medizinern Fehler vorwirft, etwas dran ist.

Durchaus berechtigt dürften indes die Ängste sein, die Schwientek veranlasst haben, Ballenstedt vorsorglich den Rücken zu kehren. Denn der 62-Jährige, der die Bedrohungen ausgesprochen haben soll, ist alles anderes als ein unbeschriebenes Blatt. Seitens der Polizei heißt es lediglich, dass der Mann in der Vergangenheit bereits in Erscheinung getreten sei.

Was nach Informationen der Volksstimme vergleichsweise nett formuliert ist: Bei dem 62-Jährigen soll es sich um jenen Mann handeln, der sich 2015 als Kopf der sogenannten Harzer Radladerbande vor Gericht verantworten musste. Die Truppe hatte über Monate hinweg mit gestohlenen Radladern die Wände von Baumärkten und Bankfilialen eingerissen und mit brachialer Gewalt EC-Automaten und Tresore entwendet. Fünf Personen standen damals vor dem Landgericht Magdeburg, der 62-Jährige kassierte fünf Jahre Haft und kam 2019 vorzeitig auf freien Fuß.