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Projekte Vorurteile im Spiel und in der Realität

An der Europaschule "Am Gröpertor" werden regelmäßig Projekte organisiert. Jetzt ging es um Demokratie, Toleranz und Frauenrolle.

Von Gerald Eggert 03.10.2017, 21:00

Halberstadt l Der Alltag einer Schulsozialarbeiterin ist vielfältig. An der Europaschule „Am Gröpertor“ nimmt sich Sandra Spormann vor allem der Probleme der Schüler an, hört ihnen zu, unterbreitet ihnen Hilfsangebote, sucht gemeinsam mit ihnen nach Lösungen. Sie gilt Vermittlerin zwischen Schülern, Lehrern und Eltern. Längst definieren diese die Schulsozialarbeit als eine unverzichtbare Komponente im Schulalltag.

Zu ihren Aufgaben zählt Sandra Spormann auch Projekte und Workshops zu ausgewählten Schwerpunkten, die sie eigenständig organisiert. Kurz vor den Herbstferien hat sie sich mit 28 Schülern der Klasse 9c dem Thema „Demokratie, Toleranz und Frauenrolle in Deutschland“ gewidmet.

Gemeinsam mit Alicia Holschumacher, Anna Hensel, Rona John, Jannik Graap und Moritz Bensemann ließ sie in einer Gesprächsrunde die Veranstaltung noch einmal Revue passieren.

Die jungen Leute bezeichneten die zweieinhalbstündige Zusammenkunft als sehr gelungen. Zu der Veranstaltung wurden der Migrationsberater Christopher Bänecke von der Diakonie in Halberstadt und Stefanie Rademacher, im Caritasverband Dekanat Halberstadt zuständig für Migration, hinzugezogen. „Das war etwas anderes als Unterricht und hat echt Spaß gemacht“, resümierte Rona John, „auch, weil wir manchmal überrascht waren, von dem was gerade passierte, und was wir so nicht erwartet hatten.“

Zum Beispiel beim Rollenspiel „Albatros“. Hier erlebten die „auf die Insel Albatros verschlagenen“ Neuntklässler in kurzen Szenen die Riten und Gewohnheiten eines ihnen fremden Volkes und beschrieben anschließend, was sie beobachtet haben. Der Beschreibung folgte die Interpretation des Wahrgenommenen. Die danach folgende Aufklärung über die „Albatros-Kultur“ fiel ernüchternd aus. „Wir lagen völlig daneben“, gesteht Alicia Holschumacher. „Denn für uns war klar, dass die Frauen benachteiligt, ja sogar unterdrückt werden und nicht die gleichen Rechte haben wie die Männer.“

In der folgenden Diskussion wurde herausgearbeitet, wodurch die Fehlinterpretationen zustande gekommen sind. „Dieses Spiel hat dazu beigetragen, darüber nachzudenken, wie es mit den eigenen Vorurteilen steht“, sagte Sandra Spormann. Oft werde vorschnell geurteilt, anstatt sich mit Situationen und Problemen auseinanderzusetzen.

Das Spiel zeigte zudem umgehend Wirkung. Plötzlich war Interesse da, dem Mitschüler Milat, der vor zwei Jahren als Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland gekommen war, zuzuhören und Fragen zu stellen. „Der Junge war bislang sehr schweigsam und hatte wenig Kontakte“, so die Schulsozialarbeiterin. Sie hatte ihn ermuntert, sich zu öffnen.

„Wir erfuhren einiges über die Kultur in dem Land seiner Kindheit und merkten, dass wir nicht viel wussten und auch hier mit Vorurteilen behaftet waren“, sagt Anna Hensel, „wir haben einiges dazu gelernt.“ Und so habe die Neugier einen Sieg gegen die bislang vorherrschende Fremdheit davon getragen. Die Erfahrung zeige, dass Menschen sich begegnen, miteinander reden und sich kennenlernen sollten. Denn nur so könnten Missverständnisse aus dem Weg geräumt und Vorurteile abgebaut werden.

Denkaufgaben, Rollen- und Frage-Antwortspiele machen in der Regel Spaß und sind methodisch bestens dafür geeignet, Schülern reale Zusammenhänge erleben zu lassen, zum Nachdenken anzuregen, zu hinterfragen und spielerisch neue Erfahrungen zu machen, berichtete Sandra Spormann. So wurden bei einem weiteren Spiel zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden Thesen aufgestellt, die es mit „Stimmt“ oder „Stimmt nicht“ zu beantworten galt. „Dabei haben wir festgestellt, dass es viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede gibt in unterschiedlichsten Bereichen“, sagte Jannik Graap.

Wichtig war es Sandra Spormann zudem, die Mädchen- und Frauenrechte in Deutschland zu thematisieren. Mädchen sollten wissen, wann und wo sie nein sagen können, und Jungen sollten akzeptieren „Nein heißt Nein“.

Mit dem Verlauf und dem Ergebnis des Projektes war die Schulsozialarbeiterin zufrieden. Ihr war es auch diesmal wichtig, dass die jungen Leute neugierig sind oder es werden, sich interessieren, hinterfragen und nicht pauschal urteilen. Dass sie Toleranz gegenüber anderen Personen, Meinungen und Lebensstilen üben, miteinander reden, zuhören, argumentieren, erklären und diskutieren.

Deshalb möchte Sandra Spormann künftig nicht verzichten auf Projekte und Workshops in der Schulsozialarbeit, die vom Europäischen Sozialfonds (ESF), der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und den Ministerien für Kultur sowie Gesundheit und Soziales Sachsen-Anhalt gefördert werden.