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Rhansches Mahl Seit 1856 die gleiche Prozedur

Über 160 Jahre nach seinem Tod ist ein Osterwiecker Kirchensponsor noch allgegenwärtig. Jedes Jahr wird an August Friedrich Rhan gedacht.

Von Mario Heinicke 04.02.2019, 00:01

Osterwieck l Es war eine Runde von etwa 50 Damen und Herren, die sich am Freitagabend im Osterwiecker Waldhaus traf. Beim Rhanschen Mahl gibt es jedes Jahr die gleiche Prozedur. Nur der Saal ist ein anderer.

Der Personenkreis ist festgelegt, ihr Essen bezahlen müssen die Teilnehmer nicht. Das Geld stammt aus dem an die Kirche vererbten Vermögen von August Friedrich Rhan, der von 1796 bis 1855 gelebt hat. Der Landwirt und Kaufmann besaß zu Lebzeiten das prächtige Fachwerkhaus Kapellenstraße 1. Vor allem gehörten ihm große Ländereien. 164 Morgen Acker und Wiesen, zwei Gärten, das Zehntrecht von 400 Morgen im Barwinkel, die Rechte an 2200 gepflanzten Weiden. Etwa zwei Drittel seines Vermögens hatte er in seinem Testament der evangelischen Kirchengemeinde vermacht. Ihm zu Ehren wurde auf dem Dachfirst des Chorraums der Stephanikirche ein großes Eisenkreuz errichtet.

In seinem Testament, das am 2. Februar 1847 aufgesetzt wurde, bestimmte August Friedrich Rhan, dass an diesem Tage jedes Jahres ein Gastmahl abgehalten werden sollte. Erstmals fand das sogenannte Rhansche Mahl 1856 statt. In all den Jahren fiel es nur während des Zweiten Weltkrieges aus.

Rhan hatte in seinem Testament auch bestimmt, wer in der Tischrunde sitzen soll: die beiden Prediger (damals von Stephani- und Nikolaikirche), der Küster, der Kantor und Organist, der Rendant, der Vorsitzende des Königlichen Amtsgerichts, der Bürgermeister, der Stadtverordnetenvorsteher und zwei Mitglieder seiner Familie.

Kirchliche und weltliche Vertreter also sollten sich zum Wohle der Stadt an einen Tisch setzen. Sicher auch ein Dank an die Personen. Man sollte nicht nur arbeiten, sondern gemeinsam auch mal einen heiteren Abend verleben, interpretiert die heutige Kirchenratsvorsitzende Edith Werner die Zusammensetzung.

Früher war das ein überschaubarer Personenkreis, erinnert sie sich. Zu DDR-Zeiten sei zudem immer mit einer gewissen Spannung (und Schadenfreude) darauf geschaut worden, wen der Rat der Stadt entsendet, um mit den Kirchenvertretern das Tischgebet zu sprechen. Durch zig Reformen in Kirche wie Kommune ist der Kreis immer größer geworden. „Wir waren schon mal 70 Personen“, sagt Werner. Die Mitglieder des Gemeindekirchenrates, deren Stellvertreter (allein schon 33 Personen) und die jeweiligen Ehepartner, Bürgermeisterin, Kämmerin, Ortsbürgermeister und Stadtratsvorsitzender. Nicht zu vergessen Pfarrer und Kantorin. Für das Essen 2019 hatten sich 51 Personen angemeldet. Ein Buffet mit Fisch- und Fleischgerichten wurde angeboten.

Pfarrer Stephan Eichner hatte an diesem Abend die ebenfalls testamentarisch festgehaltene Aufgabe, einen Auszug aus dem Rahnschen Testament zu verlesen.

Dieses Jahr fand das Essen übrigens schon am 1. Februar statt. Was auch im Sinne des Kirchensponsors war. Wenn nämlich der 2. Februar auf einen Sonnabend fällt, sollte der Pfarrer an dem Tag Ruhe haben, um sich auf seinen Gottesdienst am Sonntag vorzubereiten.

Grundsätzlich werden von den Rhanschen Pachteinkünften auch soziale Projekte unterstützt. So gab es in jüngerer Zeit Unterstützung für Projekte der Flüchtlingshilfe in Osterwieck sowie die Arbeit der Diakonie vor Ort.