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Rote Zahlen Halberstädter Eigenbetrieb in der Krise

Der Stadt- und Landschaftspflegebetrieb Halberstadt steckt in der Krise. Doch die Chefin hat einen Plan.

Von Sabine Scholz 07.11.2019, 00:01

Halberstadt l 160.421,26 Euro sind es, die 2018 unterm Strich beim Stadt- und Landschaftspflegebetrieb (Stala) stehen. Allerdings mit einem Minus davor. Mit den roten Zahlen, die der städtische Eigenbetrieb bereits 2016 und 2017 einfuhr, summiert sich das Minus somit auf 235.266,07 Euro. Kein Pappenstiel.

Den Jahresabschluss stellte Wirtschaftsprüfer Metin Pencereci von der Göken, Pollak und Partner Treuhandgesellschaft mbH während der jüngsten Sitzung des Betriebsausschusses vor. Beauftragt mit der Prüfung wurde das Unternehmen wie üblich, vom Landkreis. Pencereci ging auf das Prüfverfahren ein und berichtete, dass es von Seiten der Prüfer – er prüfte gemeinsam mit seinem Kollegen Meinolf Mertens die Bücher, Abläufe und Rechnungslegungen – trotz der roten Zahlen einen uneingeschränkten Prüfvermerk gab. Alle Abläufe seien nachvollziehbar. Das es ein Minus gibt, obwohl der Jahresumsatz von 5,3 auf 5,7 Millionen Euro stieg, hat mehrere Gründe.

In der sich an den Vortrag anschließenden lebhaften Diskussion wurden mehrere Ursachen deutlich, auf die neben Pencereci auch Ulrike Lemme einging. Lemme ist seit Mai 2018 Geschäftsführerin der Stala. Das Unternehmen steckt nicht zum ersten Mal in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, schon 2002 und 2003 gab es heftige Turbulenzen, die in einen massiven Personalabbau mündeten, der in Teilen durch Lohnverzicht der verbleibenden Mitarbeiter abgefedert wurde. Derzeit sind nur noch 79 Mitarbeiter bei der Stala beschäftigt, 14 von ihnen in der Verwaltung.

Ein Verhältnis, das Geschäftsführerin Lemme durchaus ändern will. Ganz ohne Büroarbeit geht es jedoch nicht, aber mit neuen Strukturen könne einiges effizienter werden. So soll eine Stelle in der Führungsebene wegfallen, die neue Struktur sieht flachere Hierarchien und neue Eingruppierungen vor. Wobei die Mitarbeiter keine Abstufung befürchten müssen, weil es einen Bestandsschutz gibt. Aber perspektivisch soll mithilfe des jetzt erstellten Personalentwicklungsplans die Arbeit so aufgeteilt werden, dass einfache Arbeit nicht mehr von hochqualifiziertem Personal erledigt werde, so Lemme. „Ein Facharbeiter beim Unkrauthacken einzusetzen, ist wirtschaftlicher Unsinn“, sagte Lemme. Da seien Saisonkräfte sinnvoller. „Wir müssen uns auf unsere Stärken besinnen und schauen, was wir mit unseren gut geschulten Leuten sinnvoll für die Stadt leisten können“, so die Stala-Chefin. „Die Umsetzung des Personalbestandsentwicklungskonzeptes und der strukturellen Veränderungen sind zwingend, um die Arbeitseffektivität zu erhöhen“, betonte Lemme.

Allerdings hängt das Ziel, im kommenden Jahr wieder schwarze Zahlen zu schreiben, weitgehend von den Stadtfinanzen ab. Denn die Stadtverwaltung ist Hauptauftraggeber für die Stala. So liegen dem ebenfalls im Betriebsausschuss beratenen Wirtschaftsplan für 2020 die Zahlen als Einnahmen zugrunde, die im Haushaltsplan­entwurf der Stadt als Aufwendungen für Stadtreinigung, Grünpflege und Co. eingestellt sind. Doch der Stadtetat ist noch gar nicht beschlossen. Klar ist nur, ein ausgeglichenes Ergebnis ist nur möglich, wenn die Umsätze mit der Stadt stabil bleiben und Tarif- und Kostensteigerungen durch Neukalkulationen der Stundensätze abgefangen werden, wie Lemme sagte. Gerade bei letzterem gibt es großen Nachholebedarf. In den vergangenen zehn Jahren sind die Stundensätze nicht angepasst worden, hieß es in der Dikussion.

Thomas Preiß ist im Fachbereich Finanzen für Kalkulationen zuständig und sagte während der Ausschusssitzung, dass „wir ein Stück weit auch ehrlicher mit uns selbst sein müssen. Wir freuen uns, wenn das Mähen eines Quadratmeters Wiese seit Jahren nur einen Euro kostet. Aber real sind es vielleicht zehn oder gar 20 Euro“. Zur Kostenermittlung gehört, dass eben genau berechnet wird, was an Materialeinsatz erforderlich ist und welcher Stundenlohn tatsächlich anfällt.

Einen großen Anteil am negativen Jahresergebnis haben gestiegene Materialkosten. Unter die fallen zum Beispiel die stetig steigenden Ausgaben bei der Müllentsorgung. Rund 94 000 Euro schlugen dafür im vergangenen Jahr zu Buche. Wobei, wie Lemme auf Nachfrage im Ausschuss sagte, zum einen die Entsorgungskosten selbst steigen, zum anderen der Betrieb damit begonnen habe, zwei, über viele Jahre aufgetürmte Müllberge, zu entsorgen. „Zum einen brauchen wir den Lagerplatz, zum anderen wird es nicht billiger, wenn wir weiter abwarten“, so Lemme.

Leider könne auch an Grünschnitt nur wenig kompostiert werden. „Auf dem Friedhof haben wir relative saubere Biomasse, aber das Straßenbegleitgrün ist so mit anderen Stoffen und Müll durchsetzt, dass eine Trennung kaum möglich ist. Und eine eigene große Kompostanlage mit allen Anforderungen an den Emmissionsschutz und die geforderten Laboruntersuchungen ist für uns unwirtschaftlich“, erklärte Ulrike Lemme.

Der Betrieb verzichtet zudem seit Jahren auf Kreditaufnahmen, allerdings nicht ganz freiwillig. Die Kommunalaufsicht untersagt regelmäßig Kreditbegehren, weil das Unternehmen liquide Mittel hat. Die sind teilweise aber für bestimmte Arbeiten auf dem Friedhof zweckgebunden.

Deshalb wird Technik eher gemietet als gekauft, was die Materialkosten erhöht. Weil kein Gegenwert im Unternehmen bleibt, verringert sich zudem das Eigenkapital. Das diese Genehmigungspraxis der Aufsichtsbehörde sich ändert, ist eher unwahrscheinlich.