Investor kann auch mit Versprechen auf der Podiumsdisskussion die Bedenken der Bürger nicht ausräumen Ströbecker lehnen Putenmastanlage einhellig ab
Einwohner von Ströbeck lehnen den Bau einer Putenmastanlage am Ortsrand einhellig ab. Das zeigte die Podiumsdiskussion am Dienstagabend im Schachdorf sehr deutlich. Mit Zusicherungen und Versprechen konnte auch der Investor die Bedenken nicht ausräumen.
Von Ulrich Baxmann
Schachdorf Ströbeck l Nein, diskutiert wurde nicht mehr. Die Ablehnung einer Putenmastanlage durch die Ströbecker, zumindest jene, die vorgestern an der Podiumsdiskussion teilnahmen, war einhellig. Das brachten Beifallskundgebungen und spontane Zurufe an entsprechender Stelle immer wieder zum Ausdruck.
Mehr als 200 Personen waren der Einladung in den Saal des Gasthauses "Zum Schachspiel" gefolgt, so dass die Organisatoren sogar noch Stühle hinzustellen mussten, damit alle Interessenten einen Platz finden konnten. Das Vorhaben der in Klein-Oschersleben ansässigen Firma Börde-Puten GmbH, zwischen Bundesstraße 79 und dem Ortsrand von Ströbeck eine Putenmastanlage zu errichten, hatte bereits zuvor hohe Wellen geschlagen.
Das damals noch selbständige Schachdorf hatte dort vor fast zwei Jahrzehnten ein Gewerbegebiet erschlossen, nennenswerte Ansiedlungen blieben aber aus. Nun äußerte der Unternehmer aus Klein Oschersleben Interesse, ein Grundstück zu erwerben, um dort Ställe für etwa 50 000 Tiere sowie eine Biogas-Anlage zu errichten. Nachdem der Ortschaftsrat dem Grundstücksverkauf bereits zugestimmt hatte, regte sich Protest aus der Bevölkerung; die Entscheidung im Halberstädter Stadtrat wurde vertagt. Es bestehe noch Klärungsbedarf, stellte Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke), selber im Podium vertreten, dazu fest: "Die Interessen der Bürger sollten stärker berücksichtigt werden."
Bevor die von Volksstimme Redakteurin Sabine Scholz moderierte Podiumsdiskussion Fahrt aufnahm, stellte Hartmut Meyer vom Zentralverband der Putenwirtschaft seine Sicht der Dinge vor. Er verwies auf eine weltweit steigende Nachfrage von Putenfleisch. Im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung würden die Betriebe für eine tiergerechte Haltung sorgen, hob er hervor und präsentierte Bilder von modernen und hellen Mastställen. Zusätzlich zu den Mastställen seien eine Biogas- und eine Photovoltaik-Anlage vorgesehen, ergänzte Karl-Johannes Heinemann, Geschäftsführer der Börde-Puten GmbH. "Wir sehen uns als Produzenten von wertvollen Lebensmitteln und können das guten Gewissens tun", bekräftigte Heinemann im weiteren Verlauf der Diskussion.
"Wie eng stehen die Tiere im Stall?", wollte Jana Peter aus dem Publikum wissen. Dass es in der Endphase der Mast bis zu drei Tiere pro Quadratmeter sein können, gestand Hartmut Meyer ein, ergänzte aber, dass 45 Prozent der Stallfläche frei bleiben würden.
Die Position kontra Putenmast fiel Oliver Wendenkampf zu. Der Geschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Sachsen-Anhalt machte aus seiner grundsätzlichen Ablehnung der "industriellen Tierproduktion" keinen Hehl. Er konzentrierte sich auf die multiresistenten Keime, die sich durch die bekannten Antibiotika nicht mehr bekämpfen ließen. "Das ist mein Thema", bekräftigte er. Untersuchungen des BUND hätten ergeben, dass sich diese Keime in der Umgebung von fast allen derartigen Anlagen finden ließen - eine Folge des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung, so Wendenkampf. Er begrüßte, dass man sich frühzeitig entschieden habe, die Einwände zu sammeln, und verdeutlichte: "Eine derartige Putenmastanlage gilt als landwirtschaftlicher Betrieb. Wird der Antrag fehlerfrei gestellt, muss sie genehmigt werden."
"Was passiert hier eigentlich", fragte Joachim Borgmann für die Bürgerinitiative "Pro Ströbeck" auf dem Podium. Zwar sei es verständlich, dass man versuche, das Gewerbegebiet zu entwickeln, zumal noch eine "Schuldenlast" darauf liegt. Für eine Putenmastanlage bestehe aber "keine gesellschaftliche Notwendigkeit". Er schlug vor, das Gewerbegebiet mithilfe von Photovoltaik-Anlagen zu beleben, die sich mit Lagerhallen kombinieren ließen. Dafür gebe es bereits Interessenten.
Wie sich die Anlage der Massentierhaltung mit dem Anspruch "Kulturdorf" vertrage, wollte Beatrice Weiß wissen: "Ich richte die Frage an Bürgermeister Müller." Ströbecks Ortsbürgermeister Jens Müller (SPD) bezeichnete das Gewerbegebiet als "Erblast". Der Investor habe angefragt, er habe als Bürgermeister diese Anfrage an die Stadtverwaltung weitergeleitet.
Wie es sich mit Emissionen und Luft-Schadstoffen verhält, wollte die Ströbeckerin Ina Schellbach wissen. Das sei Gegenstand des Genehmigungsverfahrens, informierte Klaus Frey vom Umweltamt der Kreisverwaltung. Filter seien nicht zwingend vorgeschrieben, dem Problem der Emissionen werde durch eine Abstandsregelung begegnet. Genehmigungsbehörde sei das Landesverwaltungsamt, ergänzte er.
Ihre Bedenken hinsichtlich der Grundstückswerte - "wenn die Anlage erst einmal sichtbar wird" - äußerte Susanne Heizmann aus Ströbeck. Alles in allem blieben die Einwohner des Schachdorfs äußerst skeptisch gegenüber dem geplanten Vorhaben. Auch das Versprechen von Karl-Johannes Heinemann für eine artgerechte Haltung zu sorgen und "ordentliche Bedingungen" zu schaffen, änderte daran wenig.
Wie geht es nun weiter? Zunächst muss der Stadtrat entscheiden, ob er das Grundstück an das Unternehmen verkaufen will. Sollte es dazu kommen, haben die Ströbecker bei einem Erörterungstermin Gelegenheit, ihre Einwände noch einmal vorzubringen.