Nacht der Kirchen Tausende sind fasziniert

Wenn in Halberstadt die Nacht der Kirchen lockt, ist die Anziehungskraft stets enorm. So auch bei der jüngsten Auflage.

Von Renate Petrahn 23.08.2015, 20:47

Halberstadt l Wenn in Halberstadt die Nacht der Kirchen lockt, ist die Anziehungskraft stets enorm. So auch bei der jüngsten Auflage am Sonnabend. Insgesamt sieben Gotteshäuser luden zum Besuch ein. Die Resonanz war so groß wie noch nie.

Es war eine Einladung, die von vielen Menschen jeden Alters - ganz egal, ob Halberstädter oder auswärtige Besucher, Gemeindemitglieder oder Menschen, die schon lange kein Gotteshaus mehr betreten haben - gern angenommen wurde. Sie alle verband das Interesse, teilzuhaben an diesem besonderen Erlebnis: Kirche als Ort facettenreicher kultureller Manifestationen, als Ort der (Wieder-)Begegnung und des Gesprächs mit anderen Menschen, aber auch als Ort der Andacht und der Besinnung auf sich selbst wahrzunehmen.

Auffallend dabei die vielen Familien mit ihren Kindern, die in dem insgesamt rund 50 Hektar großen Areal auf Entdeckungsreise gingen. In diesem Jahr stand das feierliche Ereignis unter dem Leitmotiv: "atemLUFT".

Ein eher abstraktes Thema, das aber Veranstalter und Mitwirkende zu überraschenden Aktionen motivierte, "um die Atemluft, die man nicht sehen oder riechen kann", wie Pfarrer Thorsten Göhler sagte, " auf diese oder jene Weise erfahrbar zu machen".

Umrahmt ist die "Nacht der Kirchen" in der Kreisstadt traditionell vom Kirchlichen Fest für den Frieden und die Einheit der Kirche im Halberstädter Dom. Dieses Fest wird seit der Reformation gefeiert. Es markierte am Sonnabend ab 18 Uhr mit dem Ökumenischen Friedensgebet den Auftakt der Veranstaltung. Gedacht und angelegt zum Wachsen der ökumenischen Zusammenarbeit über religiöse Grenzen hinweg beim Singen und beim Beten.

Das Gebet wurde eindrucksvoll von einer Schola - Benediktiner-Mönche von der Huysburg und Mitglieder der Kantorei Halberstadt - gemeinsam mit Pfarrer Thorsten Göhler gestaltet. Am anschließenden Friedensmahl im wieder zugänglichen Kreuzgang des Domes nahmen gut 350 Menschen teil.

Nach mitreißenden Dudelsackklängen vom Turm des Doms und dem Geläut in allen Kirchen war es dann endlich soweit: Um Punkt 20 Uhr öffneten sich die Kirchentüren.

639 Lichtballons, angelehnt an die Aufführungsdauer des John-Cage-Orgel-Kunst-Projekts und die Inventarnummern des Domschatzes, führten Blicke und Seelen der Eintretenden im leer geräumten Dom auf den Lettner mit der Triumphkreuzgruppe.

Die festlich-heitere Stimmung im Kirchenraum nach der Musik veranlasste die Kinder, sich mehr und mehr den leuchtenden weißen Luftballons zuzuwenden. Was zunächst wie ein Spiel aussah, das man durchaus als Bestandteil der Installation hätte interpretieren können, entwickelte sich mehr und mehr zu einem Wettkampf unter den Kindern, wer denn die meisten Luftballons erobern würde.

Das Urteil darüber fiel durchaus unterschiedlich aus. Für die einen Besucher war es wunderbar, zu sehen, welche Eigendynamik die Installation entwickelt. Andere wiederum vermissten, vorsichtig ausgedrückt, Respekt und Achtung beim Umgang mit Kunstwerken - vor allem im kirchlichen Raum.

Für ungeteilten Zuspruch hingegen sorgten die anderen Beiträge. Musikalisch wurde der Auftakt begleitet vom aktuellen Cage-Akkord und Improvisationen auf der Posaune - wie immer großartig dargeboten von Domkantor Claus Heinrich und Richard Roblee.

Die Martini-Kirche gehörte derweil - wie stets bei der Nacht der Kirchen - der Jugend. Hier waren die "Jeals" und die Jugendband Wegeleben der Kirchengemeinde mit der bezaubernden Hanna Lehmann zu erleben. Ein Highlight für sich war der Rainbow-Singers-Gospelchor in der Katharinenkirche.

Ein besonderes Erlebnis war auch die Performance von Dobrin Stanislasow. Seinen exotischen Instrumenten (Panflöte, Didgeridoo und Ocean Drum) entlockte er sphärische Melodien, die die Alltagswelt für die Zuhörer rasch vergessen machte.

Ein Hauch von Ewigkeit schwang durch die Liebfrauenkirche, der einzigartig mit der wunderbaren Blumeninstallation - vorwiegend Orchideen mit ihren Luftwurzeln - von Händlerin Scilla Witte korrespondierte. Wie groß ihr musikalisches Spektrum ist, bewiesen die Mitglieder der Chorgemeinschaft Halberstadt bei ihrem Auftritt in der Johanniskirche, bei dem die Sänger nachdenklich-getragene Melodien in den Mittelpunkt stellten.

Das Motto der Kirchennacht "atemLUFT" wurde in der Moritzkirche bei Gemeindepädagogin Katharina Wilke buchstäblich wortwörtlich genommen. Unter Anleitung von Astrid Wieser und mit Unterstützung von Tochter Vanessa konnten die Besucher selbst Glaskugeln blasen, einen Blasebalg für eine Orgel in Betrieb setzen und einen Dudelsackspieler erleben.

Unvollständig bliebe eine Bilanz des Abends, ohne die Textbeiträge von Pfarrer Harald Kunze zum Thema des Abends, die biblischen Lesungen von Pater Ubald, zu erwähnen. An der Orgel wurde Kunze von Bernhard Wieczorek begleitet. Obendrein brillierte Hanno Herzler, der zum 50. Todestag von Albert Schweitzer las, begleitet von Domkantor Claus Heinrich. Begeistert wurde auch das Pantomimespiel von Angela Kunze-Beiküfner aufgenommen.

Mit einem ökumenischen Nachtgebet endete die diesjährige Nacht der Kirchen, die dank des Ideenreichtums und des Engagements der Akteure ein eindrucksvoller Abend wurde. Immer wieder war in den Gesichtern der Besucher - die Veranstalter sprachen von insgesamt 4500 - Begeisterung unübersehbar. Am Ende konnten sich die Gäste auch einen Leuchtballon als Souvenir mitnehmen.

Die Besucher vom Sonnabend, das wurde in der Nacht zum Sonntag immer wieder deutlich, freuen sich auf die nächste Nacht der Kirchen in zwei Jahren.

Weitere Fotoimpressionen von der Nacht der Kirchen unter www.eventbild24.de