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Tierschutz Eine zweite Chance für Fundhunde

Hunde bestimmen das Leben von Cassandra Sieland. Seit November engagiert sie sich für sie in der Halberstädter Fundtierunterkunft.

Von Sandra Reulecke 01.03.2017, 08:00

Halberstadt l Vernachlässigung, Hunger, Gewalt: Die Hunde, die in der Halberstädter Fundtierunterkunft landen, haben harte Schicksale hinter sich. Ihnen zu helfen und ein liebevolles Zuhause zu besorgen, hat sich Cassandra Sieland auf die Fahnen geschrieben. Die 28-Jährige ist seit November im Hundehaus tätig. Rund 30 Stunden die Woche. Ehrenamtlich.

Warum investiert die junge Mutter so viel Freizeit? „Ich mochte Hunde schon immer und bin mit ihnen aufgewachsen“, sagt die Pferde-Närrin und Halterin eines Schäferhundes, den sie Gonzo getauft hat. Sie könne nicht verstehen, wieso Menschen Tiere verletzen oder sich nicht um sie kümmern.

Im Hundehaus bekommen die vernachlässigten Tiere Pflege und Gelegenheit, zu sich zu kommen. Viele von ihnen zeigen Verhaltensauffälligkeiten, wenn sie in die Einrichtung in den Spiegelsbergen gebracht werden. Sie bellen viel, fletschen die Zähne, laufen ständig auf und ab, haben Angst vor Menschen.

Cassandra Sieland und weitere Ehrenamtler kümmern sich darum, diese Verhaltensweisen zu ändern. „Sie sollen sich wieder an Menschen gewöhnen und lernen, wie sie sich bei Spaziergängen, Arztbesuchen und beim Autofahren zu benehmen haben.“ Erfahrungen dafür hat die Halberstädterin dank einer eineinhalbjährigen Ausbildung zur Hunde-Erzieherin und -Verhaltensberaterin. „Mit dem, was im Fernsehen gezeigt wird, hat der Beruf nicht viel zu tun“, sagt sie lachend. „So schnell und einfach klappt das in ­der Realität mit der Erziehung der Hunde nicht.“

Wobei es eher die Herrchen sind, die erzogen werden müssen. „Meistens liegt das Problem am anderen Ende der Leine. Ich muss mehr mit dem Menschen arbeiten.“ Typische Fehler, die Herrchen und Frauchen begehen, sind Inkonsequenz und Verzeihen. „Wenn der Welpe zu ihnen kommt, darf er alles – schließlich ist er ja noch so klein und niedlich“, erläutert die Expertin. „Und dann wundern sich die Besitzer, warum der Hund, wenn er älter wird, immer noch Schuhe ankaut und das Tier begreift nicht, warum es das plötzlich nicht mehr darf.“ Es sei notwendig, so früh wie möglich die Vierbeiner zu trainieren. „Konsequentes Handeln ist das Wichtigste – wie bei Kindern“, betont die Mutter eines Neunjährigen.

Doch die Mensch-Hunde-Paare, die sie in ihrem Hauptberuf als selbstständige Hundetrainerin betreut, haben kleine Probleme – im Vergleich zu den Bewohnern des Hundehauses. Diese werden vom Ordnungsamt, der Polizei oder der Stadt gebracht. Der Großteil der Hunde in der Fundtierunterkunft sind jedoch nur kurz da. Bei ihnen handelt es sich um Ausreißer. „Die werden nach wenigen Stunden wieder abgeholt“, sagt Cassandra Sieland.

Manchmal gehen Notrufe bei der Unterkunft über schlechte Haltungsbedingungen ein. „Schlimm ist, dass es Menschen gibt, die das missbrauchen, um ihre Nachbarn anzuschwärzen“, sagt die Ehrenamtlerin empört. So wollte sie nach einem anonymen Anruf die Bedingungen bei vermeintlichen Haltern kontrollieren – diese hatten gar keinen Hund. Oft bewahrheiten sich die Anschuldigungen allerdings und die Tiere müssen den Besitzern weggenommen werden.

Manche bleiben für Monate und sogar Jahre in der städtischen Einrichtung – obwohl der Tierschutzverein Halberstadt, der das Hundehaus betreut, versucht, via Internetseite und Facebook neue Herrchen und Frauchen zu finden. „Leider wollen viele einen jungen Hund. Unsere sind oft schon älter, manche sind oder waren krank“, sagt die 28-Jährige. Zudem gebe es Vorurteile: Die Tiere seine unsozial, aggressiv. Cassandra Sieland hat eine ganz andere Erfahrung gemacht. „Die Hunde sind unheimlich dankbar und anhänglich.“ Es falle ihr schwer, nicht jeden ihrer Schützlinge selbst mit nach Hause zu nehmen.

Deshalb wählen sie und ihre Mitstreiter neue Herrchen sorgfältig aus. Zunächst sollen sich Mensch und Tier kennenlernen, die Wohnbedingungen der Interessenten werden überprüft und es gibt manchmal Probe-Tage im neuen Zuhause. „Besser, man merkt gleich, dass die Chemie nicht passt,“, sagt die Hunde-Expertin. Wie sie von den Tierschutzverein-Mitgliedern erfahren hat, kommt es dank der vorherigen Prüfung nur selten vor, dass einer der vermittelten Vierbeiner ins Hundehaus zurück gebracht wird.