Freibäder Treue Gäste von der „Teenager-Spätlese“
Der Sommer 2016 will einfach nicht richtig in Gang kommen. Die Zahl der Freibad-Besucher in und um Osterwieck ist eher mau.
Osterwieck l Bloß gut, dass es die Hartgesottenen unter den Badegästen gibt. Jene, die selbst bei eher kühlen Wassertemperaturen und fehlender Sonne regelmäßig oder sogar täglich ihre Bahnen im Freibad ziehen. So wie die acht bis zehn Damen und Herren der selbst ernannten „Teenager-Spätlese“, die Tag für Tag im Freibad Zilly ins kühle Nass springen.
Das Wasser aktuell mit 21 Grad Celsius noch etwas kühle Werte – „wir waren in diesem Jahr aber schon bei 24 Grad“, berichtet Rita Wöhler. Die 51-Jährige ist gelernte Verkäuferin, hat ein Faible für Zahlen und arbeitet deshalb als Schatzmeisterin im Freibad-Förderverein Zilly.
Als Kassenwartin weiß Rita Wöhler nur zu gut, wie „bescheiden-schön“ das bisherige Sommerwetter 2016 für den Verein als Badbetreiber war: „Abgesehen von der ersten Woche im Juni war seither eher Ebbe in der Eintrittskasse angesagt.“ Daran ändere auch besagte Teenager-Truppe wenig, da die meisten Jahreskarten besitzen und in der täglichen Abrechnung keine Rolle spielen.
Einige Sorgenfalten zeichnen auch die Stirn von Christian Bosse. Der 37-Jährige ist hauptberuflich kaufmännischer Angestellter in einem Autohaus und managt in seiner Freizeit als Vorsitzender den Rohrsheimer Dorfklub. Nachdem die Einheitsgemeinde zuletzt sowohl in Zilly als auch in Rohrsheim die kommunalen Freibäder abgestoßen hat, zeichnet der Dorfklub mit seinen rund 40 Mitgliedern seit Anfang 2014 auch für das Sommerbad verantwortlich. Nur so war die drohende Schließung zu verhindern.
„Bislang war der Sommer 2016 ein wahres Trauerspiel“, berichtet Bosse. Wegen des Anfang Juni begangenen Dorfjubiläums begann die Bad-Saison 2016 erst am 12. Juni, und da war die erste Hitzewelle schon wieder vorbei. Seither sei der Sommer durchwachsen. Die Zahl der Badegäste liege bislang deutlich unter der der guten Vorjahressaison.
Sowohl in Zilly als auch in Rohrsheim ringen die Vereinsmitglieder um jeden Euro. Nach der Übernahme der beiden Bäder in freie Trägerschaft beteiligt sich die Kommune zwar bislang noch mit abschmelzenden Zuschüssen an den Kosten. Nach 5000 Euro und 2650 Euro in den beiden vergangenen Jahren gebe es nun letztmalig eine Finanzspritze in Höhe von 1000 Euro, berichtet Christian Bosse. „Ab 2017 heißt es endgültig: Geht oder geht nicht. Dann ist Kreativität gefragt, um Besucher anzulocken“, macht der 37-Jährige klar.
Jene Kreativität – am 23. Juli wird ab 14 Uhr mit dem Neptunfest in Rohrsheim ein Höhepunkt gesetzt – ist aber nur ein Aspekt. Hinzu kommt der Kostenfaktor, den ehrenamtlich tätige Helfer reduzieren helfen. „Uns hilft vor allem Eva Natzenberg, die am Eingang kassiert. Hinzu kommen Vereinsmitglieder, die dank einer speziellen Ausbildung an den Wochenenden als Rettungsschwimmer fungieren. So entfallen die Kosten für externe Rettungsschwimmer“, erklärt Bosse.
Jene Kreativität, die in den vereinsgeführten Freibädern gefragt ist, ist auch in den beiden kommunalen Bädern in Osterwieck und Hessen nötig. „Auch wir ringen um jeden Gast“, bestätigt Ronald Bönisch. Er ist Schwimmmeister in Osterwieck. Es sei nötig, besonders Kinder mit Aktionen zu locken. „Wir arbeiten eng mit Schulen und dem Hort zusammen“, so Bönisch. Die Mühen scheinen von Erfolg gekrönt: Kinder zählen zu den treuesten Gästen des Bades, neben den Senioren. Inge Baureck und Heidi Köllner zum Beispiel. Die 70- beziehungsweise 66-Jährigen ziehen fast täglich in der Saison ihre Bahnen durchs Becken.
Komplett verregnete Tage seien bislang selten gewesen. „Ich bin seit 27 Jahren Schwimmmeister – wir hatten schon schlechtere Sommer“, sagt Ronald Bönisch. „Wir haben immerhin auch an schlechten Tagen rund 30 Badegäste.“ Dies seien vor allem Dauerkartenbesitzer.
Zum Vergleich: Im heißen August 2012 zählte das Team im Osterwiecker Bad an Sonnabenden bis zu 600 Gäste. Aber: Auch damals war der Saisonstart kühl und verregnet. Es gibt also noch Hoffnung. Das Wasser im Osterwiecker Becken ist übrigens alles andere als kalt: Aktuell sind es 24,5 Grad Celsius.
Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (Wählergemeinschaft „Buko“) will derweil noch keine Prognose abgeben, wie sich die Freibad-Landschaft im Stadtgebiet langfristig entwickelt. In den insgesamt drei vereinsgeführten Bädern – neben Rohrsheim und Zilly gibt es noch eins in Schauen – müssen die Verantwortlichen Jahr für Jahr aufs Neue schauen, ob und wie das Abenteuer Freibad-Saison glückt.
„Wohin die Reise für die kommunalen Bäder geht, ist im Moment völlig offen“, stellt Wagenführ klar. Aktuell untersuche ein Gutachter den defizitären Etat der Einheitsgemeinde nach Einsparmöglichkeiten. „Bis zum Jahresende will er Möglichkeiten auflisten, dann muss der Stadtrat entscheiden, wo gespart wird.“ Fakt sei, dass mit beiden Bädern Defizite eingefahren würden. „Deren Höhe schwankt mit der jährlichen Besucherzahl.“ Fakt sei aber auch, dass vor zwei Jahren die Preise angepasst worden seien und sich in Osterwieck ein Verein darum kümmere, das Bad attraktiver zu machen.
Das aber sind nur Bausteine. Dreh- und Angelpunkt ist das Wetter. Und das verspricht zumindest für dieses Wochenende endlich mal wieder Sonne satt und Hitze. Soll heißen: Die Gesichter in den Freibädern dürften sich aufhellen.
Für die Macher in Zilly könnte der – wahrscheinlich wieder nur kurze Hitzeschwall – punktgenauer kaum kommen. Am heutigen Sonnabend startet ab 14 Uhr im Freibad – Spitzname: „Batze“ – das alljährliche Batzenfest. „Dann gibt es Spiel und Spaß rund ums Nass und natürlich auch Besuch von Neptun“, kündigt Rita Wöhler an. Die 51-Jährige, die einst den Kiosk im Freibad „geschmissen“ hat, freut sich auf die aktuelle Wetterprognose. Und sie lädt schon mal zum nächsten Event ein: Am 13. August lockt das Open-End-Nachtbaden nach Zilly. „Wir machen aus der Situation einfach das Beste.“