Gebärtigt und geköpft Vandalismus an Wahlwerbung in der Region um Osterwieck, Ilsenburg und Nordharz
Verschwunden oder beschädigt: Eine Vielzahl an Wahlplakaten ist Opfer von Vandalismus geworden. Zwei Osterwieckern reicht es jetzt. Sie haben Anzeige erstattet.

Osterwieck - So tief die Gräben zwischen den Parteien manchmal verlaufen, sind sich die politischen Vertreter in einem Punkt einig: „Der Vandalismus an Wahlplakaten geht gar nicht“, bringt es Alexander Räuscher auf den Punkt. Der Christdemokrat, der sich für das Direktmandat im Wahlkreis 15 bewirbt, hat wie Renate Fink aus Osterwieck Strafanzeige erstattet.
„Nachdem ich in Osterwieck das fünfte Mal abgerissene Wahlplakate vorgefunden habe, hat es mir gereicht. Da habe ich die Polizei informiert“, berichtet die Bündnisgrüne Fink. Gemeinsam mit ihrem Mann Jens Kiebjieß, dem Kandidaten der Bündnisgrünen für das Direktmandat im selben Wahlkreis, habe sie die Plakate aufgehängt. „Da fällt es mir natürlich auf, wenn welche fehlen“, sagt die Osterwieckerin und präzisiert: „Ich habe den Eindruck, dass vorwiegend die Werbung der Grünen betroffen ist, aber zum Teil auch andere Parteien.“
In einem Osterwiecker Ortsteil sei sie bereits beim Aufhängen des Plakats beschimpft worden, erinnert sie sich und musste feststellen: „Am nächsten Tag war es natürlich weg.“
Alexander Räuscher berichtet, dass er Ähnliches beobachtet habe: „Es sind eine ganze Menge Wahlplakate verschwunden, auch von mir.“ Bei den Grünen habe er Spuren entdeckt, die darauf hindeuteten, dass jemand probiert habe, diese anzuzünden. „Zum Glück brennen sie nicht“, sagt er und ist gleichzeitig erschüttert vom Ausmaß des Vandalismus.
Zielgerichteter Vandalismus erschüttert
Ein großes Transparent in Drübeck sei quer aufgeschlitzt worden. „Mir ist aufgefallen, dass auf manchen Plakaten sogar versucht wurde, den Kopf herauszuschneiden“, schildert der 50-Jährige.
Dass es sich um gezielte Handlungen und keine Versehen handele, so Räuscher, bestätigen auch die vielen Schmierereien. „Das ist eine politische Handlung, wenn jemand ein Hitlerbärtchen aufs Foto malt, um die Person in die rechte Ecke zu stellen“, findet der Osterwiecker.
Tatsächlich könnten derartige Schmierereien juristisch den Verdacht auf bloße Sachbeschädigung, der beim Zerstören von Wahlwerbung naheliegt, verändern, erklärt Uwe Becker. Der Sprecher des Harzer Polizeireviers schränkt dabei ein: „Es muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, welcher Tatbestand vorliegt.“
Christdemokrat Räuscher kritisiert: „Statt mit mir an einem meiner Infostände zu reden, die ich in verschiedenen Orten mehrfach anbiete, werden Straftaten begangen. Dabei stehe ich auch zu kritischen Fragen zur Verfügung.“
Missachtung von Demokratie
Seine Meinung, mit solch zerstörerischen Aktionen auszudrücken, lehnt auch Renate Fink klar ab und erklärt: „Demokratie ist so ein wertvolles Gut, das missachtet wird durch solchen blanken Vandalismus.“ Sie halte das für keinen Dummen-Jungen-Streich. „Das ist einfach kriminell und kein Kavaliersdelikt“, unterstreicht ebenfalls Alexander Räuscher.
Florian Fahrtmann, SPD-Mitbewerber im Wahlkreis 15, sieht es etwas gelassener und meint: „Der Ärger ist bei jeder Wahl der selbe.“ Auch er habe beispielsweise in Heudeber beschädigte Plakate entdeckt. „Auf einem war tatsächlich nur noch mein Kopf übrig und der Rest drumherum herausgeschnitten.“ Er nehme das aber nicht persönlich: „Ich habe eher den Eindruck, dass es dieses Jahr ruhiger zugeht.“ Er erinnert sich daran, dass gerade die Großtransparente sonst Zielscheibe des Vandalismus gewesen seien.
Ein Blick in die Statistik des Polizeireviers Harz zeigt im Vergleich zur letzten Landtagswahl 2016 keine große Veränderung. Pressesprecher Uwe Becker erläutert: „Es wurden mit Stand 1. Juni in diesem Jahr aufgrund von insgesamt 57 beschädigten oder entwendeten Wahlplakaten entsprechende Anzeigen erstattet. 2016 waren es insgesamt 67 Plakate.“ Er verweist jedoch auf die Dunkelziffer, die mutmaßlich noch höher liege, da nicht jede Beschädigung an Wahlwerbung auch angezeigt werde.
Ermittlung der Tatverdächtigen extrem schwierig
Eine Veränderung zeige sich jedoch bei den betroffenen Parteien, erklärt Uwe Becker. Während zur Landtagswahl vor fünf Jahren die meisten Anzeigen zum Vandalismus an Wahlwerbung von der Linkspartei, gefolgt von der SPD im Harzer Polizeirevier eingingen, zeige sich 2021 ein etwas anderes Bild. „Die AfD erstattete in diesem Jahr bislang elf Anzeigen. 2016 waren es nur zwei. Bei der CDU sind es 2021 fünf Anzeigen und damit zwei mehr als 2016“, so der Beauftrage für Pressearbeit. Mit bisher drei Anzeigen im Jahr 2021 sei es bei der SPD eine weniger als vor fünf Jahren.
Dass der Raum um Osterwieck, Nordharz und Ilsenburg in diesem Jahr besonders stark betroffen ist, kann der Polizeisprecher nicht bestätigen. Er teilt auf Anfrage mit: „Die Tatorte erstrecken sich über den gesamten Landkreis, wobei die Schwerpunkte in Wernigerode, Thale, Quedlinburg und der Stadt Oberharz am Brocken liegen.“ Was die Möglichkeit der Strafverfolgung angeht, bleibt Becker realistisch: „Es ist schwierig, die Tatverdächtigen zu ermitteln, wenn es keine Zeugen gibt, die etwas beobachtet haben.“
Fink und Räuscher sagen, dass sie sich dessen bewusst seien. Vielmehr gehe es darum, den Tätern klarzumachen, dass sie zu weit gehen, erklärt Räuscher und betont: „Die gewalttätigen Handlungen sagen wohl mehr über die Täter aus als über die abgebildeten Personen.“