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Verkehrte Welt Kreis versagt Pferdehaltung im Dorf

Eine selbstständige Ergotherapeutin möchte in Ströbeck eine reittherapeutische Praxis starten und droht am behördlichen Veto zu scheitern.

Von Jörg Endries 30.06.2020, 01:01

Schachdorf Ströbeck l Mit ­Schrecken hat Katharina Gröpler von der Kreisverwaltung Harz erfahren, dass mögliche Geräusch- und Geruchsbelästigungen, die von den Pferden ihrer reittherapeutischen Einrichtung ausgehen würden, für die Nachbarschaft nicht vertretbar seien. Daher wolle die Behörde das Vorhaben nicht befürworten, berichtet ­Katharina Gröpler.

Beruflich steht die ­Ströbeckerin seit 2005 auf ­eigenen Füßen. Die junge Frau gründete eine eigene ­Ergotherapiepraxis in Halberstadt. Sie arbeitet dort unter anderem mit dem Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte, der Carl-Kehr-Schule in Halberstadt, zusammen. Jetzt möchte sie mit der ­reittherapeutischen Praxis im Schachdorf Ströbeck den nächsten Schritt gehen. Dafür kaufte sie bereits Brachland im Schachdorf, vier Pferde hält sie momentan privat. „Leider werden mir zur Realisierung des Projekts vom Landkreis Harz Steine in den Weg gelegt“, kritisiert sie.

Was hat sie vor? Die Ergotherapeutin möchte auf dem Brachland Am großen Stiege, auf dem vorher auch schon Pferde gehalten worden seien, einen 500 Quadratmeter großen Reitplatz mit einer Zelt­halle (15 mal 15 Meter groß) zur privaten und gewerblichen Pferdehaltung und zur Reittherapie errichten. Eine vorhandene Scheune mit Stalltrakt solle zur Einlagerung von Stroh und Heu und als Bewegungsstall für die Pferde genutzt werden, erklärt sie.

Das Bauordnungsamt der Kreisverwaltung habe die Bauvoranfrage abgelehnt. „Zur Begründung hieß es, dass sich das Vorhaben nicht in die nähere Umgebung einfügt und durch die vier Pferde Gesundheitsgefahren oder erhebliche Belästigungen für die Anwohner zu erwarten sind“, berichtet Katharina Gröpler. Im Dorf würden an verschiedenen Stellen Pferde gehalten, da rege sich auch niemand auf. „Pferde gehören doch schließlich aufs Dorf“, sagt die Unternehmerin. Selbst gegenüber vom Brachland, das sie beleben will, stehe ein Pferd auf einer Koppel.

„Das Grundstück, das ich gekauft habe, ist als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen. Das eignet sich doch für die Pferdehaltung“, so die Therapeutin. Mit den in Frage kommenden Nachbarn habe sie bereits gesprochen, ob sie mit ihrem Plan Probleme ­hätten. „Niemand hat sich dagegen ausgesprochen.“ Katharina Gröpler fürchtet, dass ihr Traum von der Praxis auf dem Land zwischen den Mühlen der Bürokratie zerrieben wird.

Rückenwind habe sie für ihr Projekt vom Ortsbürgermeister Jens Müller (SPD) und den Ortschaftsräten bekommen, so die junge Frau. Während der jüngsten Sitzung des Ortschaftsrates Ströbeck habe sie bei den Lokalpolitikern erneut um Unterstützung geworben.

Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung Halberstadt habe dem Gremium erklärt, dass ein Dorf von den Behörden heute mehr als Schlafort eingestuft und daher für die Pferdehaltung als ungeeignet bewertet werde. Außerdem sei es auch etwas Glück, dass man mit seinem Antrag an den richtigen Mitarbeiter beim Landkreis komme. Diese Aussagen seien von Abgeordneten und Gästen der Sitzung mit Unverständnis registriert worden.

Ströbeck sei kein Schlafdorf, entgegnet Ortsbürgermeister Müller. Viele Bürger engagierten sich in Vereinen und darüber hinaus für einen lebenswerten und attraktiven Ort. „Und das mit großem Erfolg.“ Zum Praxis-Vorhaben bezieht er ebenfalls klar Stellung: „Wir unterstützen das Projekt von Katharina Gröpler. Sie hat uns ihre Pläne schon vor Wochen vorgestellt und mich sowie die Ortschaftsräte davon überzeugt, dass ihr Vorhaben eine Bereicherung für unser Dorf ist“, so Jens Müller. Es wäre ein „Jammer, wenn der Landkreis Harz die Therapiepraxis ablehnt“.

Daher sei er am vorigen Freitag gemeinsam mit Katharina ­Gröpler zu einem Gespräch bei den zuständigen Mitarbeitern der Kreisverwaltung gewesen, um den Weg für die Praxis zu ebnen. „Wenn der Stall von zwei Seiten verschlossen ist, dürfte eine mögliche Geruchsbelästigung vermieden werden“, betont Jens Müller. Katharina Gröpler wird jetzt ein Gutachten erstellen lassen. Er hofft, dass die offenen Fragen nach der parlamentarischen Sommerpause geklärt sind.

Ein prominenter Gast der Ortschaftsratstagung in ­Ströbeck, Halberstadts Ratspräsident Volker Bürger (CDU), war fassungslos, als er hörte, dass die Behörde mit der Pferde­haltung auf dem Dorf ein Problem hat. „Wenn Pferdehaltung ohne Probleme möglich sein sollte, dann doch auf dem Land. Ich finde es unmöglich, dass das in Frage gestellt wird“, so der Kommunalpolitiker nach der Sitzung.

Die Kreisverwaltung sagt dazu: „Die Angaben von Frau Gröpler sollen sich inzwischen wohl verändert haben. So soll es sich um mehr Pferde und eine größere Nutzfläche handeln als ursprünglich angegeben. Das Bauordnungsamt prüft den Vorgang wie alle anderen Anträge auch im Rahmen aller Vorgaben“, hieß es in einer ersten Stellungnahme von der Pressestelle der Kreisverwaltung. Detailliertere ­Informationen gab es am Montag bis Redaktionsschluss nicht, obwohl die Volksstimme-Anfrage seit vergangenem Donnerstag der Behörde vorliegt.