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Ausstellung im Kreis- und Stadtarchiv über Feuer, Krieg und andere Katastrophen Vom großen Wasser und der Affäre Blum

21.08.2012, 03:19

Wo ist Geschichte lebendiger als im Kreis- und Stadtarchiv? Eine Ausstellung befasst sich gerade mit Feuer, Krieg und anderen Katastrophen, mit denen die Vorfahren leben mussten oder bei denen sie ihr Leben ließen.

Von Marita Bullmann

Haldensleben l Wer weiß schon, dass sich der Kriminalfall, der die Vorlage für den DEFA-Spielfilm "Affäre Blum" lieferte, in Rottmersleben zugetragen hat. Im Juni 1925 tötete Richard Schröder in Rottmersleben im Haus Nr. 13e Hermann Helling mit zwei Schüssen in den Hinterkopf. Das Magdeburger Gericht beschuldigte jedoch einen anderen, einen Juden, den Mord begangen zu haben. Der Justizskandal lieferte erst Stoff für einen Roman, dann für einen Film.

Wer weiß, dass in der Nacht vom 15. zum 16. Dezember 1940 zwei englische Bomben in Haldensleben in der Hafenstraße fielen. Die Bewohner des Hauses Nr. 12 kamen mit dem Schrecken davon, zogen danach aber nach Magdeburg. Hier kamen sie bei der Bombardierung im Januar 1945 um.

Wer weiß, dass die Marienkirche ursprünglich zwei Türme hatte, dass der Südturm im Februar 1808 mit Uhr und drei Glocken einstürzte und der zweite Turm kurz danach abgerissen wurde. Auch die beiden Türme der Jacobikirche waren einsturzgefährdet und mussten kurz danach abgerissen werden. So war Haldensleben etwa zehn Jahre ohne einen Kirchturm. Mit dem Bau der neuen Marienkirche wurde erst 1812 begonnen, und der Turm mit dem sechs Fuß hohen Adler stand erst im September 1821.

Das alles und noch viel mehr über Feuer, Krieg und andere Katastrophen können die Besucher im Kreis- und Stadtarchiv in der neuen Ausstellung erfahren. Katrin Jobke hat etwa ein halbes Jahr lang neben ihren anderen Tätigkeiten als Archivarin daran gearbeitet. Das Thema war zum diesjährigen Tag der Archive vorgegeben, erzählt Katrin Jobke, sie habe es nur etwas auf Haldensleben abgewandelt.

"Die Ausstellung zeigt nur eine kleine Auswahl von dem, was man darstellen kann", versichert sie, auch im Nachhinein habe sie in den Akten und Zeitungsbänden noch vieles gefunden, das genauso zum Thema passen würde und nicht weniger interessant ist. Berichte über das Hochwasser vom August 1937 beispielsweise. Sie würde sich freuen, wenn auch Bürger, die noch Dokumente oder Fotos von Katastrophen in oder um Haldensleben haben, diese beisteuern würden, bekräftigt die Archivmitarbeiterin. Auch Erinnerungen könnten aufgeschrieben werden. Schließlich will das Archiv Geschichte bewahren. "Ich wurde schon gefragt, ob diese Ausstellungsbögen nicht als Broschüre herausgegeben werden könnten", erzählt Katrin Jobke. Auf alle Fälle hat sie alles in A4-Bögen liegen, wenn jemand etwas nachschlagen will.

Auch die Geschichte des heutigen Haldensleben begann mit einer Katastrophe. 1166 gab es erste Angriffe von Magdeburger Seite auf das frühere Haldensleben. 1167 wurde bei einem Angriff des Erzbischofs Wichmann die Burg Niendorf zerstört. 1181 kam Bernhard von der Lippe auf die Idee, die Bever von Althaldensleben her aufzustauen, um so mit Bever und Ohre die mittelalterliche Siedlung als Insel uneinnehmbar zu machen. Was anfangs gut lief, schlug schließlich ins Gegenteil um, Wichmanns Truppen schütteten einen Damm auf, um Haldensleben zu ersäufen. Die Stadt musste aufgeben, die Magdeburger fielen plündernd in Haldensleben ein. 1223 begann der Wiederaufbau - das spätere Neuhaldensleben entstand. 1224 steht auf der Gründungsurkunde.

Auch dem Brand im Hundisburger Schloss 1945 ist ein Teil der Ausstellung gewidmet. Natürlich geht es ebenso um kleinere interessante katastrophale Begebenheiten aus mehreren Jahrhunderten. Angesichts der Meldungen, die wir heute jeden Tag von Unwetterkatastrophen, Verbrechen und anderen schlimmen Dingen hören, mag manches in der Ausstellung nicht sehr bedeutsam erscheinen, meint Katrin Jopke. Doch unsere Vorfahren sahen das sicher ganz anders.

Geöffnet ist das Kreis- und Stadtarchiv an der Bülstringer Straße 30 Dienstag von 9 bis 18 Uhr, Donnerstag von 9 bis 16 Uhr und Freitag von 9 bis 11 Uhr. Am 26. August zum Altstadtfest lädt das Archiv von 10 bis 14 Uhr zu einem Tag der offenen Tür ein.