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Die Gruppe "Theaterspiel" bot mit dem Stück "Sehne mich süchtig" einen kreativen Ansatz zur Drogenprävention Von Druck und Einsamkeit in den Drogenkonsum

Von Daniel Schlechter 22.11.2013, 01:14

Warum verliert sich ein scheinbar normales junges Mädchen im Konsum harter Drogen? Um diese Frage drehte sich das Stück "Sehne mich süchtig" in der Kulturfabrik. Anschließend konnte das Publikum mit den Schauspielern das Problem diskutieren.

Haldensleben l Drogenprävention geschieht häufig auf etwas abstrakte Weise in Gesundheitsamtbroschüren oder auf Plakaten mit sehr merkwürdig aussehenden Jugendlichen. Einen kreativeren Ansatz hat die Gruppe "Theaterspiel" aus Witten bei Dortmund in der Kulturfabrik präsentiert. Mit dem Stück "Sehne mich süchtig" zeigten sie über 100 Schülern die Geschichte eines jungen Mädchens, das in der Droge Ecstasy eine Flucht vor familiärem Druck und Unverständnis sucht.

Das junge Mädchen Pat, Hauptcharakter in "Sehne mich süchtig", findet sich in dieser einsamen Situation wieder. Gespielt von der Berlinerin Kirsten Mohri lebt Pat mit Schwester und Bruder in einer Familie, in der sich die Eltern vor allem für ihre Karriere, Geld und das Ansehen der Nachbarn interessieren und von ihren Kindern verlangen, das Gleiche zu tun. Die Distanz zwischen Eltern und Kindern wächst über Jahre, Pats ältere Geschwister sind mittlerweile ausgezogen und kommen nur noch wenn es sein muss zu Besuch. In ihrem Freundeskreis gerät Pat an die Droge Ecstasy und findet in ihr ein Glücksgefühl, das sie zu Hause seit ihrer Kindheit nicht mehr erlebt hat. Als Bruder und Schwester zu einer Familienfeier nach Hause kommen und Pat unter der Droge einen Zusammenbruch erleidet, kommt ihr Geheimnis ans Tageslicht. Vater und Mutter reagieren empört, wollen aber nichts über die Hintergründe des Problems wissen - es soll einfach nur aufhören. Ihr Bruder, sehr humorvoll von Tobias Vorberg gespielt, hat selber eine Drogengeschichte hinter sich, ihre Schwester versucht den schönen Schein zu wahren, obwohl sie selbst ein latentes Alkoholproblem hat. Nach und nach finden die Geschwister jedoch ihr vertrautes Verhältnis wieder und tun mit Pat zusammen etwas, was keiner von ihnen zuvor getan hat: ehrlich über ihre Sorgen sprechen.

"Alle Menschen haben Pro- bleme. Für junge Menschen wird es kritisch, wenn niemand mit ihnen redet und das heißt vor allem echtes Zuhören", meint Beate Albrecht. Sie spielt nicht nur eine der Rollen, sondern führte auch Regie und hat das Drehbuch geschrieben. Dabei hat sie ihre eigene Geschichte verarbeitet. Im Anschluss an das Theaterstück führten die Schauspieler mit den Schülern eine Diskussion über Drogen.

"Es gibt verschiedene Gründe für Drogenkonsum. Ich habe als junges Mädchen angefangen Ecstasy zu nehmen, weil in unserer Familie enormer Druck herrschte und meine Eltern sich eigentlich nicht dafür interessiert haben, wie es mir wirklich geht. Hauptsache die Schulnoten waren gut." Dieses Druckgefühl konnten auch einige der Schüler im Publikum bestätigen.

"Wenn in einer Familie Drogenkonsum herauskommt, dann rufen Eltern oft ¿Macht mein Kind wieder gesund!\' und Kinder ¿Übertreibt nicht, ist doch kein Problem!\'. Das ist jedoch beides verkürzt", meint Beate Albrecht. "Kinder brauchen zunächst einmal das Grundverständnis, dass sie mit ihren Eltern über alles Reden können, ohne das gleich die Welt zusammenbricht".

Die Schüler interessierten sich ebenfalls für Beate Al- brechts Eindruck der negativen Seite. "Die Droge öffnete mich, machte mich glücklich. Aber die Depressionen danach waren massiv. Ich bin in den 12. Stock hinaufgeschossen und danach bis in den Keller gefallen. Das Problem ist, dass Du dieses Hochgefühl immer wieder haben willst, bis Du mal so tief fällst, dass Du nicht mehr aufstehst", berichtete sie.

Die anwesenden Lehrer meinten, dass Zigaretten das größte Problem an ihren Schulen wären. Steffen Rißmann und Martina Engelhard-Oxe von der Haldensleber Drogenberatungsstelle wussten von dem Problem. "Leider stehen Lehrer häufig selbst hinter der nächsten Ecke und rauchen vor den Schülern. Schulen müssen allgemein rauchfrei erklärt werden", meint Engelhard-Oxe.

Rolf Koppenhöfer von der Abteilung Jugend und Sport der Stadtverwaltung zeigte sich mit der Veranstaltung zufrieden: "Wir laden die Gruppe "Theaterspiel" jetzt seit gut zehn Jahren ein. Sie machen das einfach immer ganz toll und erreichen das junge Publikum auch wirklich."

Die Schüler schienen tatsächlich von dem Stück angetan. "Es war lehrreich, einmal zu sehen, wie und warum jemand so abstürzen kann", meinte Julian Brand. Sein Mitschüler Michael Thomalla stimmte ihm zu: "Man hat schon gesehen, dass man am Besten einfach die Finger davon lassen sollte."