Busfahrer, der im März in Ballenstedt eine Passantin angefahren hat, wird zu Geldstrafe verurteilt Vorläufiges Ende einer tragischen Geschichte
Vor dem Amtsgericht Quedlinburg ist am Dienstag ein 30 Jahre alter Busfahrer wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Mann hatte im März in Ballenstedt beim Abbiegen eine Passantin angefahren und lebensgefährlich verletzt.
Ballenstedt/Quedlinburg l Der 8. März dieses Jahres hat das Leben der 21 Jahre alten, angehenden Krankenschwester von einer Sekunde auf die andere radikal verändert. Die junge Frau ist an diesem Morgen auf dem Weg in eine psychiatrische Klinik in Ballenstedt, um den letzten Tag ihres dreiwöchigen Praktikums zu absolvieren. Kurz nach sechs Uhr in der Früh ist es nicht nur dunkel, sondern schmuddelig-kalt. Obendrein hat die 21-jährige Wernige- röderin, die bei einer Freundin in Ballenstedt übernachtet hat, auch noch verschlafen. Nun ist sie zu Fuß auf dem Weg in die Klinik. Beim Passieren der Kreuzung Marienstraße (B 185)/Breitscheidplatz passiert es: Als sie den Breitscheidplatz im Bereich des Gehwegs passiert, zeigt ihre Ampel Grün. Grün hat auch der 30 Jahre alte Busfahrer, der mit dem tonnenschweren Mercedes von der Marienstraße nach links zum Breitscheidplatz abbiegen will und dabei die 21-Jährige übersieht. Die Schwesternschülerin prallt gegen die Frontscheibe und rutscht nach einigen Metern seitlich am Bus herunter, direkt vor dessen rechtes Vorderrad. Die Uhr zeigt 6.15 Uhr, als für alle Beteiligten nichts mehr ist wie Augenblicke zuvor.
Am Dienstag musste sich der Ballenstedter, der hinter dem Lenkrad des Linienbusses saß, vor der Strafkammer des Amtsgerichtes Quedlinburg verantworten. Weil er, wie ihm Staatsanwalt Ralf Ebbing vorhält, fahrlässig und aufgrund verletzter Sorgfaltspflichten jenen schweren Unfall verursacht habe. Mit im Saal sitzt als Nebenklägerin das Opfer.
Die junge Frau erlitt schwerste, lebensgefährliche Verletzungen. Unter anderem zahlreiche Frakturen, eine Schädelprellung, innere Quetschungen. Die Ärzte in der halleschen Spezialklinik Bergmannstrost konnten ihr Leben retten, den Kampf um das gequetschte rechte Bein jedoch haben sie verloren.
Die Frage, wie genau es zu dieser folgenschweren Kollision kommen konnte und wer daran welche Schuld trägt, steht in der Verhandlung unter dem Vorsitz von Richterin Antje Schlüter im Mittelpunkt. Dabei wird eines ganz schnell klar: Die junge Frau verhielt sich korrekt. Sie passierte die Straße an der vorgesehenen Stelle, hatte Grün und konnte, wie die Richterin immer wieder betont, darauf bauen, dass Kraftfahrer anhalten, um sie passieren zu lassen. Obendrein sind Mutmaßungen, wonach sie womöglich vom Mobiltelefon abgelenkt gewesen sein könnte, schnell vom Tisch.
Anders der Busfahrer, der sich vor Gericht zunächst gar nicht zur Sache äußern will. Er kannte zwar die Örtlichkeiten und war schon mehrfach die Linie gefahren. Allerdings noch nie zu dieser frühen Stunde, wo fast nur Schüler im Bus sitzen.
So aber nimmt die Tragik ihren Lauf: Der Bus passiert die Station in der Marienstraße ohne Stopp. Wäre der junge Mann diese morgendliche Runde schon mal gefahren, hätte er gewusst, dass jene Station für viele Schüler ein Umsteigepunkt ist, an dem der Bus immer anhält. So aber habe er nach hinten geschaut, keinen Haltewunsch erkannt und sei weitergefahren, so der Angeklagte später.
Warum die Schüler nicht den Halteknopf drückten, bleibt unklar. Klar indes sind die fatalen Folgen: Im Bus bricht Chaos aus, die Schüler lärmen, fordern den sofortigen Halt. Für den Mann am Steuer, der mittlerweile als Linksabbieger an der Ampel auf Grün wartet, purer Stress. Zusätzlicher, wie Gutachter Joachim Töpel erkennen lässt. Beim Abbiegen müsse der Fahrer seine Augen überall haben - vorn links ebenso wie rechts, aber auch hinten rechts, um das Heck des Busses im Blick zu behalten. Wahrscheinlich ist es dabei passiert: Beim Blick nach hinten huscht die Passantin in den toten Winkel, Sekundenbruchteile später knallt es.
Laut Gutachter waren die Rahmenbedingungen schlecht. Miserable Sichtverhältnisse, teilweise Gegenlicht. Dazu alles andere als optimale Sichtmöglichkeiten durch die linke Seitenscheibe des Busses und eine Passantin, die teilweise von Schildern und Ampelmast verdeckt wurde. Unter diesen Bedingungen, so der Gutachter, sei die Kollision nur schwerlich zu vermeiden gewesen.
Dem Fahrer, der sich am Ende mit Tränen in den Augen beim Opfer entschuldigt, hilft das nicht. Richterin Schlüter folgt dem Antrag von Staatsanwalt Ebbing und verurteilt den Mann zu 60 Tagessätzen zu 30 Euro. Vorläufiges Ende in einem Fall, an dem nicht nur die Beteiligten, sondern auch Polizisten und Feuerwehrleute noch immer schwer zu tragen haben.