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Breitbandausbau Warum bei einem Harzgeroder Ingenieur kein Homeoffice möglich ist

Langsames Internet und dazu auch noch keinen oder nur ganz schlechten Mobilfunkempfang. So was gibt es nicht? Doch. Am Ortsrand von Siptenfelde ist das die Realität. Ein Unternehmer berichtet über die Konsequenzen.

Von Frank Drechsler 04.02.2022, 05:45
Gerd Bräunig würde seinen Job gern weitestgehend von seinem Büro in Siptenfelde aus erledigen. Ohne richtiges Netz für das Telefon und lahmes Internet ist das aber schlicht unmöglich.
Gerd Bräunig würde seinen Job gern weitestgehend von seinem Büro in Siptenfelde aus erledigen. Ohne richtiges Netz für das Telefon und lahmes Internet ist das aber schlicht unmöglich. Foto: Frank Drechsler

Siptenfelde - „Drinnen braucht man es schon gar nicht zu versuchen. Das Smartphone zeigt konsequent ’Kein Netz’ an“, ist Gerhard Bräunig frustriert. Dabei habe er schon alles versucht. Sogar Antennen aufs Dach seines Hauses habe er gebaut. Alles vergeblich. „Wenn man mich ans Telefon kriegen will, muss man schon Glück haben. Und noch mehr Geduld“, sagt der Unternehmer.

Rund 75.000 Kilometer spult er jedes Jahr mit dem Auto ab. Und das allein nur dienstlich. Als anerkannter Sachverständiger des Eisenbahnwesens beim Eisenbahnbundesamt und der Landeseisenbahnaufsichten für NE Bahnen ist der 66-Jährige nicht nur deutschlandweit, sondern auch in Österreich, Luxemburg und Niederlande ein gefragter Ansprechpartner.

Telefon und Internet bereiten Probleme

Natürlich könnte er einen großen Teil seiner Arbeit auch online vom Schreibtisch aus in Siptenfelde erledigen, was er auch unzählige Male probiert hat. Vergeblich, denn ist telefonieren schon, bedeutet das lahme Internet noch ein viel größeres Problem.

Während er die Abnahme von Signalanlagen und/oder Umbauten natürlich vor Ort erledigen muss, könnte er eigentlich sehr viel Papierkram zu Hause vom Schreibtisch aus erledigten. Und das ist nicht gerade wenig. Mehrere Aktenordner füllen sich mit Plänen, Gutachten und Untersuchungen, die er für Signalanlagen und der Bahn anzufertigen und zu genehmigen hat. Die Papiere könnte er auch online versenden, was sich aber angesichts der enormen Datengrößen nicht umsetzen lässt.

An einem Beispiel macht Bräunig die Brisanz transparent. „Stellen Sie sich vor, dass an einem Bahnübergang, der gerade umgebaut und erneuert wird und sich in der Abnahme befindet, ein schwerwiegender Fehler festgestellt wird.“ Die Abnahme müsse unterbrochen, und nach einer signaltechnisch sicheren Lösung gesucht werden. Während dieser Zeit sei entsprechender Ersatz notwendig. So müsse ein Bewachungsunternehmen die Sicherung mittels Sicherungsleine und Sperrschild übernehmen. Da könnten in der Woche schon mal 20.000 Euro an zusätzlichen Kosten entstehen.

Keine Teilnahme an den Online-Beratungen möglich

Während dieses gesamten Prozesses sei nämlich zwingend, das sogenannte Sechs-, beziehungsweise Vier-Augenprinzip vorgeschrieben. Somit müsse je nach Art des festgestellten Fehlers der Sachverhalt im Planwerk durch den Abnahmeprüfer beschrieben und dokumentiert werden. Im Anschluss gehe diese Dokumentation erst zum Planer, dann zum Planprüfer der nach Untersuchung und Freigabe das Ganze wieder zurück zum Abnahmeprüfer sende. Erst nach dieser Zustimmung und Vorlage der Dokumente/Änderung dürfe er seine Abnahmeprüfung fortführen beziehungsweise beenden. Das Papierexemplar, welches aus gesetzlichen Gründen 30 Jahre aufbewahrt werden müsse, bleibe aber nach wie vor die generelle Grundlage.

Ein elektronisches Vorabexemplar könnte hier aber die Bearbeitungszeiten erheblich verkürzen. Wegen der Brisanz der Daten, der zeitlichen Zwänge und der gesetzlichen Grundsätze würden diese Papiere aber nicht mit der normalen Post, sondern müssten ausschließlich per Kurier versendet werden.

Unternehmer muss immer persönlich zu Beratungsterminen

In Corona-Zeiten habe sich dazu ein weiterer Umstand gesellt, der sich für Bräunig äußerst negativ auswirkt. Er könne an Team-Sitzungen, die im Vorfeld zu allen signaltechnischen Projekten immer stattfinden, nicht teilnehmen und sei gezwungen, immer persönlich zum Beratungsort zu fahren.

Um den Grundsätzen der Pandemie gerecht zu werden, habe hier die DB AG alle Projektmitarbeiter dazu angehalten, persönlichen Kontakte zu minimieren und Beratungen generell online stattfinden zu lassen.

Der Diplom-Ingenieur: „Da mir diese Möglichkeit auf Grund des stark vernachlässigten Ausbaus des Internet und der Mobilfunkanbindung verwehrt wird, bleibt mir nur die Möglichkeit zu meinen Ansprechpartnern persönlich hinzufahren.“ So sei er wegen dieser Beratungen, die in der Regel mit zwei Stunden angesetzt sind, des Öfteren mal in Rostock, Stuttgart, Luxemburg, den Niederlanden oder anderen Gegenden unterwegs. Das koste sehr viel wertvolle Zeit, die sich auf Grund der zuvor genannten Prozesse wesentlich besser einsetzen ließe.

Hoffnung auf Licht am Ende des Tunnels

Wie Gerd Bräunig geht es wahrscheinlich sehr vielen Unternehmern, die in ländlichen Gegenden händeringend auf schnelles Internet warten. Zwar sei nun etwas Bewegung in die Sache gekommen. Ob es das Licht am Ende des sprichwörtlichen Tunnels sei, wisse er noch noch nicht.

Fest stehe, dass ein großer Netzbetreiber wohl zunächst auf eigene Kosten den Breitbandausbau vorangetrieben habe. „Man sieht die Anschlussstellen und Verteiler im Ort. VDSL soll demnach in naher Zukunft auch hier zur Verfügung stehen. Was ich sehr hoffe. Dass das alles so lange gedauert hat, sieht der Unternehmer auch im langen Zögern der Politik sowie bürokratischen Hindernissen, vor denen alle Beteiligten stehen.

Bräunig: „Der Datenausbau ist aber gerade auch im ländlichen Bereich von enormer Wichtigkeit. Will man diese Region nicht dauerhaft ausbremsen, ist zwingend ein Umdenken erforderlich.“