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Weltkriegsopfer  Innehalten am Fliegergrab

Erhard Merten aus Vogelsdorf kümmert sich seit 20 Jahren um ein Fliegergrab bei Badersleben. Er berichtet von seiner Motivation.

Von Ramona Adelsberger 16.11.2020, 00:01

Vogelsdorf l Unteroffizier Hans Niesgen war erst 24 Jahre alt, als er am 29. März 1944 zwischen Badersleben und Vogelsdorf im Luftkampf von einer amerikanischen Mustang abgeschossen wurde. Retten konnte er sich nicht. Das Flugzeug soll sich so tief in das Erdreich gebohrt haben, dass es nie geborgen wurde.

Ein Grab mit einem schlichten Holzkreuz mit Namen und Daten sorgt dafür, dass Hans Niesgen nicht vergessen wird. Und jederzeit ist das Grab gepflegt und in bester Ordnung. Darum kümmert sich der 80-jährige Erhard Merten aus Vogelsdorf, der gern mit dem Fahrrad unterwegs ist und vor fast 20 Jahren bei einer seiner Touren auf dieses Grab aufmerksam wurde.

„Das Grab war damals in einem sehr schlechten Zustand“, so Erhard Merten. Das habe ihn geärgert und zugleich motiviert. Seither pflanzt er im Frühjahr Blumen, bringt regelmäßig Wasser und deckt es rechtzeitig vor dem Winter ab. Und selbstverständlich wird das Grab stets am 30. Juli, dem Geburtstag des Unglückspiloten, und im November zum Volkstrauertag immer besonders geschmückt. Warum er das mache? „Einer muss sich doch kümmern“, so Merten.

Eine prächtige Eibe steht direkt neben dem Grab, spendet Schatten und schützt vor dem Wind, der an dieser etwas erhöhten Stelle fast immer weht. „Die Grabanlage hat hier einen besonders schönen Platz“, bemerkt Anne Merten, die ihren Mann gern zum Fliegergrab begleitet. „Ich bin sehr stolz auf meinen Mann, wie er sich für dieses Grab verantwortlich fühlt.“ Als Erhard Merten vor zwei Jahren nach einem Schlaganfall in der Klinik weilen musste, hatte sie in dieser Zeit die Grabpflege übernommen. Nun sei sie froh, dass ihr Mann wieder genesen ist und diese Aufgabe wieder selbst wahrnehmen könne. „Meistens fahre ich mit dem Fahrrad, das sind insgesamt sieben Kilometer“, erklärt Erhard Merten.

Das größte Problem sei das Wasser, das er regelmäßig in Flaschen herbringe. „Wenn ich dann das nächste Mal hergekommen bin, waren die Flaschen alle leer.“ Das sei gerade im Sommer besonders ärgerlich. Und eine echte Hürde für seine „alten Knochen“ sei der eiserne Zaun, über den er stets steigen müsse, um zum Grab zu gelangen.

Was mit dem Grab wohl wird, wenn er mal nicht mehr kann? Erhard Merten wird nachdenklich. „Es wäre schön, wenn sich jemand finden würde, der hier Ordnung hält und das Grab pflegt.“ Im Heimatverein Badersleben habe es wohl schon Überlegungen dazu gegeben. Anne Merten hat sich vorgenommen, diese Frage auch mal in der eigenen Familie zu stellen.

Zeitzeugen aus Badersleben, die sich an das Unglück vor über 76 Jahren noch erinnern, gibt es mittlerweile fast keine mehr. „Es wäre schön, wenn sich noch jemand findet, der mehr über diesen Luftkampf und den Absturz weiß“, so Erhard Merten. Er wüsste auch gern mehr über den Piloten. Doch alle Nachforschungen seien bislang vergebens gewesen und so kennt er nur die Daten, die auf dem Holzkreuz vermerkt sind.

„Es ist schon einige Jahre her, da lag plötzlich ein Gebinde mitten auf dem Grab“, erinnert sich Merten. Den genauen Wortlaut auf der Schleife habe er vergessen, aber an die Worte „Schwester“ und „Hexe“ könne er sich noch gut erinnern. „Ich bedauere sehr, diese Frau nicht getroffen zu haben, das hätte vielleicht Licht in das Dunkel gebracht.“

In einem Buch über Flugzeugabstürze im Harzvorland (Sternal/Hartmann) wird das Engagement von Erhard Merten sogar besonders gewürdigt. Dort heißt es, dass das Grab von Hans Niesgen das letzte in der Region sei, das noch regelmäßig gepflegt wird.