1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Zweite Generation: Musik gegen das Vergessen

Jean-Louis Bertrand zu Gast in der Klaussynagoge Zweite Generation: Musik gegen das Vergessen

Von Christina Stapel 12.04.2012, 03:17

Jean-Louis Bertrand, Sohn eines KZ-Überlebenden, präsentierte am Dienstag sein Programm "Mémoire et Paix" in der Halberstädter Klaussynagoge. Mit Liedern und Gedichten ehemaliger Häftlinge gedachte der Franzose der Opfer des Faschismus und bot ein Programm für den Frieden dar.

Halberstadt l Jean- Louis Bertrand ist Franzose und dennoch ist sein Lebensweg fest mit dem Ort Langenstein verknüpft. 1944 wurde sein Vater, Louis Bertrand, als KZ-Häftling von Buchenwald nach Langenstein- Zwieberge deportiert. Zum Andenken an seinen Vater und der vielen weiteren Opfer des Nazi-Regimes stellte er am Dienstag sein Programm "Mémoires et Paix" in der Halberstädter Klaussynagoge vor.

In einem kleinen, fast familiären Rahmen präsentierte Bertrand Lieder und Gedichte ehemaliger KZ-Häftlinge in seiner Muttersprache. Eine Gitarre und ein Notenständer war alles, was der Franzose für seinen Auftritt benötigte. "Mir ist es wichtig, dass wir die Ereignisse der Geschichte nutzen, um unsere Lehren daraus zu ziehen", erklärte Jean-Louis Bertrand. Gerade jetzt, wo in Frankreich der Wahlkampf stattfinde, sei es häufig so, dass viele Leute extreme Parteien wählen würden. "Es herrscht ein ungesundes, soziales Klima in Frankreich. Viele Menschen haben den Eindruck, nichts an der Gesellschaft ändern zu können. Sie haben das Gefühl, die großen Parteien seien mit daran Schuld und tendieren deshalb dazu, politische Extreme zu wählen", erläuterte er. Bertrand zog hierbei den Vergleich zu Deutschland in den 1930er Jahren. Umso wichtiger wird das Gedenken an die Folgen des Nationalsozialismus, so der Musiker.

Als Sohn eines KZ-Überlebenden gehört Jean-Louis Bertrand zur Gruppe der "2. Generation", den Nachkommen und Angehörigen von Zeitzeugen. Es ist sein Bestreben an das Schicksal der KZ- Häftlinge zu erinnern. "Jean- Louis ist vielen sicher bekannt. Seit mehreren Jahren unterstützt er die Arbeit des Fördervereins der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge", erklärte die Vorsitzende des Vereins, Hanka Rosenkranz.

Aus dem Engagement des Musikers entwickelten sich sogar Freundschaften zu den Bewohnern des Ortes, wie sich bei dem Konzert am Dienstagabend herausstellte.

"Ich durfte deinen Vater kennenlernen", erklärte der Langensteiner Otto Herzberg und fügte hinzu: "Es war uns schon damals wichtig, auch die zweite Generation in die Aufarbeitung der Geschehnisse in Langenstein einzubeziehen." So schlug Herzberg vor Jahren vor, die Kinder und Angehörigen zu den Tagen der Begegnung einzuladen. Diese werden jährlich im April von der Gedenkstätte Langenstein- Zwieberge angeboten, um den Austausch zwischen Zeitzeugen und Besuchern der Gedenkstätte anzuregen. "Dein Vater sagte damals, er kann nichts versprechen. So brachten wir zunächst unsere Kinder mit zu den Gesprächen und wenige Jahre später kam er dann mit dir und deiner Schwester nach Langenstein", erläuterte Herzberg.

Aus den Treffen an den Tagen der Begegnung in Langenstein hat sich eine tiefe Verbundenheit zu den Bürgern vor Ort entwickelt. "Aus der zweiten Generation ist eine Kraft entstanden, die vieles angestoßen hat", fasste Otto Herzberg, selbst langjähriges Mitglied des Fördervereins, zusammen.

Gerade aus diesem Grund liegt es Bertrand am Herzen, dass trotz der sprachlichen Barrieren ein Miteinander geschaffen wird. "An den Tagen der Begegnung kommen Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammen und trotz der sprachlichen Barrieren schaffen wir es mit einer Stimme zu sprechen. Es ist genau die Art von Europa, die ich mir wünsche. Nicht ein Europa der Zentralbanken und Institutionen, sondern der Menschen", sagte Jean-Louis Bertrand.