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Bäckerei-Museum Ein aussterbendes Handwerk bewahrt

Eine Rarität hat sich der Flechtinger Heimat- und Mühlenverein an Land gezogen: das Bäcker-Museum erzählt über die Kunst des Backhandwerks.

Von Carina Bosse 06.10.2020, 01:01

Flechtingen l Als Bäckermeister Hannes Bleßmann im Jahr 1995 damit begann, Dinge und Zeitdokumente rund um das Bäckerhandwerk zu sammeln, ahnte er nicht, welches Ausmaß seine Leidenschaft annehmen würde. 25 Jahre später krönte er seiner Hände Arbeit mit der Eröffnung eines Bäcker-Museums in der Flechtinger Schloss- und Wassermühle.

Die in mühevoller Kleinarbeit seines Bäckerstammtisches und der Vereinsmitglieder des Heimat- und Mühlenvereins aufgebaute Schau wurde am Tag der Deutschen Einheit eröffnet - und sie kann sich sehen lassen.

Dort, wo bis zum vergangenen Jahr der Schlossladen mit regionalen Produkten durch den Verein betrieben wurde, können Besucher nun sehen, wie in den Backstuben von einst mit sehr viel Handarbeit Brot, Brötchen, Kuchen und Gebäck entstanden sind und zum Teil bis heute entstehen.

Das älteste Exponat stammt aus dem Jahr 1867, zeigt Hannes Bleßmann während des ersten Rundganges auf eine Brötchenpresse, die er aus Zerbst erhalten hatte. 30 Teile a 50 Gramm könne der Bäcker damit exakt abteilen.

Viele der Gerätschaften konnte er dank eines alten Buches in ihrem Alter bestimmen, etliche haben die Jahrhunderte überdauert, die meisten stammen jedoch aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Das Handwerk ist jedoch viel älter. Schon Erzbischof Burchard sprach dem Handwerk im 13. Jahrhundert das Innungsrecht zu. Jährlich musste ihm dafür von den Bäckern unter anderem ein Schwein übergeben werden.

Die einzigartige Schau lebt von den Sammelstücken des Haldensleber Bäckerstammtisches. Regelmäßig treffen sich bis heute die Bäckermeister der Region. Sie spendierten einen Großteil der Stücke von der Knetmaschine, über Backofenlampen, Semmelmühle, Sahnegebläse und Spekulatiusformen bis hin zum Brotschieber, zur Baumkuchenmaschine und dem Sackklopfer - ob Georg Henke, Wolfgang Bartels oder Volker Boockmann.

Einer, der von Beginn an dabei war, ist der Haldensleber Georg Henke. In seiner Bäckerei in der Magdeburger Straße waren die Ausstellungsstücke längere Zeit untergebracht, ehe das Haus verkauft wurde. Die Schau wanderte nach Barleben, wo sie in einer alten Bäckerei untergebracht werden sollte, doch das zerschlug sich.

Hubertus Nitzschke war es, der den Vorschlag unterbreitete, das Bäckermuseum in der Schloss- und Wassermühle unterzubringen. Als Vereinsmitglied wusste er um die Aufgabe des Schlossladens und dass damit eine Etage der Mühle leerstehen würde.

„Ohne Hannes Bleßmann hätte es die Ausstellung nie gegeben“, würdigte Georg Henke dessen Sammelleidenschaft. Unter großartiger Mitwirkung des Heimat- und Mühlenvereins konnte das Museum eingerichtet werden, so der 90-Jährige. Es würde seinesgleichen suchen. Alte Bäckereien, die ihre Pforten mal öffnen würden, gebe es viele, aber ein Bäcker-Museum wie in Flechtingen nicht. Man müsse bis nach Zittau fahren, um so ein Museum zu besuchen, oder bis nach Ulm, wo es ein Brotmuseum gebe. „In 25 Jahren gibt es keine Innungsbäcker mehr“, prophezeit Georg Henke. Das Handwerk sterbe wegen der zunehmenden maschinellen Massenfertigung aus. Mit dem Museum allerdings kann ein Stück Handwerksgeschichte der Haldensleber Bäckerinnung aufrecht erhalten werden.

Zu den ersten Besuchern der Ausstellung gehörten am Sonnabend Betreuungsforstamtsleiter Thomas Roßbach und der Flechtinger Martin Camehl, doch etliche weitere Besucher stellten sich im Laufe des Nachmittages ein. Sie zeigten sich erfreut und beeindruckt von der Ausstellung. Einen passenderen Platz als in der funktionstüchtigen Wassermühle hätte das Museum gar nicht finden können.