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Weihnachten Kuhstall statt Weihnachtsbaum

Tiere versorgen im Kuhstall anstatt genüsslich Plätzchen vor dem Christbaum zu futtern. Das muss auch die Familie Drüsedau in Seggerde.

Von Anett Roisch 25.12.2020, 00:01

Seggerde l Wenn sich am Heiligabend die winterlich frühe Dunkelheit über das Land legt und in den Wohnzimmern der Lichterglanz der Weihnachtsbäume die Bescherung ankündigt, ziehen andere ihre Arbeitsklamotten an. Landwirte wie Heiko Drüsedau und seine Tochter Frauke gehören zu denen, die auch am Heiligabend in ihre Gummistiefel schlüpfen. Für sie ist wichtig, dass zuerst die Tiere im Stall versorgt sind, bevor die vom Stallduft parfümierte Arbeitskleidung gegen eine nette Feiertagsgarderobe getauscht und Weihnachten mit einigen Leckerbissen aus der Küche eingeläutet werden kann.

„Die Vorbereitungen für die Weihnachtsfeiertage beginnen schon einige Tage davor. Die Abkalbesaison hat begonnen. Auf dem Hof und auf den Weiden leben 120 Mastrinder, Mutterkühe und deren Kälber. In diesem Jahr haben wir das Glück, dass alle Rinder im Stall unterkommen. Also heißt es in diesem Jahr seit langem mal wieder für unsere Mutterkühe: Ab in den Stall“, erklärt Frauke Drüsedau.

Vor Weihnachten sind noch einige Arbeiten zu erledigen. Gemeinsam mit ihrem Vater Heiko Drüsedau holt sie Stroh- und Grassilageballen zum Hof, damit sie an den Feiertagen etwas schneller beim Füttern sind. Nach den Ausführungen der jungen Landwirtin muss der Stall noch eingestreut werden. Die Kühe werden in neue Gruppen eingeteilt. „Dies ist für die Mädels sehr aufregend. Die Färsen – die weiblichen Rinder, die zum ersten Mal ein Kalb bekommen – werden in einem extra Stall untergebracht. Sie benötigen besondere Aufmerksamkeit, da die erste Kalbung für die Tiere eine neue Situation darstellt“, weiß die 22-Jährige, die auf dem Hof der Familie aufgewachsen ist. Die erfahrenen „Mädels“ kommen in einen anderen Stall und dürfen dort die Feiertage genießen.

Heiligabend versuchen Vater und Tochter, etwas früher mit der Arbeit fertig zu sein. Alle Tiere bekommen Futter und frisches Stroh. „Weihnachten gibt es für die Kühe auch das ein oder andere Leckerli in Form einer Schaufel Schrot“, beschreibt die Landwirtin. Hin und wieder ertönt der ein oder andere Weihnachtssong aus dem Stallradio. So kommt bei der Arbeit etwas Weihnachtsstimmung auf.

„Bei uns ist es Tradition, am 24. Dezember in die Kirche zu gehen und somit die Weihnachtsfeiertage einzuläuten. Leider ist das in diesem Jahr nicht möglich. Nach einem leckeren Essen und der Bescherung schauen wir bei den Kühen nochmals nach dem Rechten“, erzählt sie.

Heiko Drüsedau schwärmt vom Selbstbewusstsein und der Entschlussfähigkeit seiner Tochter. „In ihrem Alter weiß sie genau, was sie will. Sie geht einfach ihren Weg“, sagt der Papa voller Bewunderung. Er gesteht, dass er nur durch besondere Umstände zum Beruf des Landwirtes kam. „Ich habe eigentlich mal Schlosser gelernt. Mit der politischen Wende übernahm ich den Hof meiner Großeltern. Meine Frau Claudia und ich hatten damals überlegt, einfach ein paar Kühe zu halten, um den Hof zu erhalten. Aus einer Laune heraus ist der Betrieb hier entstanden“, erinnert er sich.

Es folgte für Vater Drüsedau eine zweite Ausbildung als Landwirt. Er besuchte die Fachschule in Haldensleben und wurde außerdem staatlich geprüfter Wirtschafter.

Während Vater und Tochter auf dem Hof wirtschaften, arbeitet Mutter Claudia Drüsedau in einem Umweltamt. Sohn Christian ist 19 Jahre alt und lernt bei Nord-Zucker in Wanzleben den Beruf des Industriemechanikers. Noch leitet Heiko Drüsedau den Betrieb allein. „Wenn Frauke möchte, kann sie den Betrieb übernehmen. Das Unternehmen ist inzwischen so groß, dass ich es allein gar nicht mehr schaffe“, beschreibt der Landwirt.

Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag lassen es die Drüsedaus etwas entspannter angehen. Da würden sie dann halt mal nicht schon um 7 Uhr in den Stall gehen, sondern erst gegen 9 Uhr. „Bei Mutterkühen hat man das Glück, dass auch ein bisschen auf Vorrat gefüttert werden kann und niemand pünktlich zum Melken aufstehen muss“, weiß die junge Bäuerin aus Erfahrung. Wenn es aber absehbar ist, dass eine Kuh mit dem Kalben beginnt, dann wären Vater und Tochter natürlich doch etwas früher im Stall. „Man sollte aber auch in diesem Fall keine Hektik verbreiten, denn meistens geht alles gut“, ergänzt Heiko Drüsedau.

Traditionell gibt es bei der Familie am ersten Weihnachtsfeiertag den Enten- oder Gänsebraten. Selbstverständlich von dem Geflügel, welches auf dem eigenen Hof im Sommer aufgewachsen ist.

Es sei – nach Ansicht von Heiko Drüsedau – wichtig, sich auch mal eine Pause zu gönnen, auch wenn es nur über die Feiertage ist. „Man hat das ganze Jahr oft ohne viel Urlaub oder freie Tage gearbeitet und kann an den Weihnachtsfeiertagen darauf zurückblicken, was man im vergangenen Jahr geschafft und bewerkstelligt hat. Auch die Zeit im Kreis der Familie ist sehr wertvoll“, sind sich die Drüsedaus einig.

Obwohl die junge Landwirtin weiß, was auf sie zukommt, ist sie sich ganz sicher, dass der Hof ihre Zukunft sein soll. Bereits mit 14 Jahren habe sie gewusst, dass sie genau diesen Beruf erlernen möchte. „Ich hatte mir zwar noch andere Berufe angeschaut, aber letztendlich fiel meine Entscheidung auf die Landwirtschaft. Hier bin ich jeden Tag an der frischen Luft. Kühe sind meine Lieblingstiere“, gesteht sie. Im Sommer 2018 hat Frauke Drüsedau ihre Ausbildung beendet und ihre Prüfung als Landwirtin mit Bravour bestanden.

Und kaum sind die Weihnachtsfeiertage vorbei, steht auch schon Silvester vor der Tür. Einen großen Unterschied zu den Weihnachtsfeiertagen gäbe es nicht. Die Tiere müssen versorgt werden. Und das 365 Tage im Jahr.

Silvester wird in den Abendstunden im Stall das Licht angelassen, damit die Kühe sich nicht allzu sehr erschrecken, wenn die Raketen einen Lichtschein in den Stall werfen. Gut für die Tiere, dass es in diesem Jahr kein Feuerwerk geben soll.

„In dem Stallgebäude, wo die Färsen untergebracht sind, haben auch meine beiden Pferde ihre Boxen. Hier haben wir sonst immer ein Radio an, um Stress und Hektik während des Jahreswechsels zu vermeiden“, sagt die junge Studentin. In den letzten Jahren haben die Kühe – nach den Erzählungen der Tierfreundin – den Jahreswechsel gut verkraftet. Jedoch waren die Hunde am Silvestertag schon am Nachmittag verschwunden und versteckten sich im Stall. Sie mögen die Knallerei überhaupt nicht. Sicher wird – trotz des Feuerwerkverbots – auch schon einige Tage vor dem 31. Dezember hier und da der Knall eines Feuerwerkskörpers zu hören sein. Dies erschwert den Tieren – aber vor allem den Hunden – das Leben an diesen Tagen.

Das neue Jahr wird nachts mit einer Stallrunde beginnen, um zu sehen, ob es allen Tieren gut geht. Dann sei wirklich Feierabend. „Zu jedem Jahreswechsel macht man sich Gedanken, was das neue Jahr für den Betrieb bringt. Neues Jahr – neues Glück?“