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Kunsthandwerk Ein Keller voller Schwibbögen

Wer bei Gerhard Schrader die Kellertreppe hinuntersteigt, landet in einer hölzernen Weihnachtswelt.

Von Jasmin Teut 23.12.2019, 00:01

Süplingen l Die Kellertreppe ist steil. Gerhard Schrader berichtet, ihm falle es immer schwerer, sie hinabzusteigen. Doch er sucht ihn gerne auf, den Rückzugsort voller handgefertigter Holzarbeiten. Pyramiden, Adventskalender, Riesenräder und viele, viele Schwibbögen haben sich dort angesammelt. Insgesamt rund 45 handgefertigte Holzkunstgegenstände. „Ich habe immer noch sehr viel Freude am Werkeln mit Holz, doch heute fehlt mir einfach die Kraft dazu“, sagt Schrader etwas betrübt.

Den ersten Schwibbogen, der bei ihm im Wohnzimmer auf der Fensterbank steht, fertigte er in den 70er Jahren an. Stark angewachsen ist der Bestand dann ab dem Jahr 2013. In jenem Jahr starb seine Frau. Danach hätten die Werkeleien erst so richtig begonnen, berichtet der 91-Jährige.

Seine Werkstatt im Keller ist heute prall gefüllt. Auf jeder freien Stelle steht entweder eine Pyramide, ein Karussell oder ein Schwibbogen. Neben den weihnachtlichen Bögen, stellte er auch viele Adventskalender her. Die meisten haben die Form eines Hauses, darin befinden sich 24 kleine Holzschubladen, in denen nach Belieben Kleinigkeiten verstaut werden können. Vieles ist mit batteriebetriebenen Lichterketten ausgestattet.

Auf dem Dach eines Adventshäuschens sitzt ein kleines Rentier. In die vielen Riesenräder und Karussells baute Gerhard Schrader Motoren ein, damit sie sich bewegen. In den Fahrkabinen lassen sich fein verzierte Holzfiguren entdecken. Auf die Frage, wie lange er für ein Riesenrad benötigt, antwortet er gelassen: „Von der Planung bis zur Fertigstellung etwa drei Wochen“. Keine Frage, Schrader ist vom Fach.

„Schon als kleiner Junge mochte ich das Arbeiten mit der Laubsäge“, berichtet er. Da sei es für ihn selbstverständlich gewesen, eine Lehre zum Tischler in Haldensleben zu beginnen. Später arbeitete Schrader 34 Jahre lang bei den VEB Steinwerken in Haldensleben, wo ihm auch sein Traum erfüllt wurde. „Ich konnte meine eigene Tischlerei mithilfe des Betriebs aufbauen.“

Heute sagt Schrader rückblickend: „Die DDR-Zeit war die beste Zeit in meinem Leben.“ Zu dieser Zeit lernte er auch seine Frau Margarete kennen. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Annegret und Wolfgang. Seine Tochter Annegret habe damals sein Kunsthandwerkshobby befeuert, erinnert sich der Süplinger. Als sie etwa zehn, elf Jahre alt gewesen sein, habe er ihr ein kleines Spielzeugriesenrad gebaut. Damit habe sie sehr gerne gespielt, sagt er. „Beim Umzug in unser neues Haus entdeckte ich die Zeichenmappe“, berichtet der ehemalige Tischler. Darin waren noch die Skizzen des Riesenrads für seine heute 70-jährige Tochter. Das habe ihn wieder auf die Idee gebracht, neue Holzarbeiten anzufertigen.

Obwohl Schrader schon einige seiner Werke verschenkt hat, ist sein Keller noch rappelvoll. „Meine Tochter sagt, ich soll sie doch verkaufen“, erzählt der Süplinger. Ob er sich wirklich von seinen geliebten Schätzen trennen wird, lässt Schrader im Ungewissen. Geschenke für das Weihnachtsfest hätte er jedenfalls genug im Keller.