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Entdeckerpfad Mit dem Smartphone auf Irrwegen quer durch Haldensleben

Angestrengt auf Google-Maps starren statt entspannt der Route folgen und gähnende Leere statt spannende Einblicke in die Historie der Stadt. Unsere Volontärin Lena Bellon hat den aufgefrischten, digitalisierten Entdeckerpfad der Stadt Haldensleben ausprobiert. Und wurde enttäuscht.

Von Lena Bellon 16.06.2021, 17:48
An der Ruine Nordhusen steht ein Hinweisschild zum Entdeckerpfad. Allerdings erweist sich die digitale Jagd nach Haldensleber Sehenswürdigkeiten noch als als schwierig
An der Ruine Nordhusen steht ein Hinweisschild zum Entdeckerpfad. Allerdings erweist sich die digitale Jagd nach Haldensleber Sehenswürdigkeiten noch als als schwierig Foto/Screenshots: Lena Bellon

Haldensleben - Einblick in das Leben der Ur- und Frühgeschichte, Kulturdenkmäler virtuell erleben und dabei die Stadt erkunden – für mich als Neuling in Haldensleben klingt der „Entdeckerpfad Zeitspuren“ vielversprechend. Knapp zwei Jahre hat die Stadt Haldensleben an der Umsetzung der Virtual-Reality-App gearbeitet, damit der bereits bestehende Pfad zu einem digitalen Erlebnis wird.

Es gibt viele historische Orte in Haldensleben, auf deren Spuren Interessierte nun wandeln können – und diese dank Smartphone sogar so sehen können, wie sie einst aussahen: Ruine Nordhusen, Burgwall Althaldensleben, Templerburg Wichmannsdorf, Hünengrab Teufelsküche, Wüstung Niendorf und Germanensiedlung an der Beber sind nur einige der insgesamt zehn Stationen. Die Stationen bestehen aus silbernen Infotafeln, auf denen neben einem Informationstext für Nicht-Smartphone-Besitzer ein QR-Code angebracht ist. Mit der entwickelten Smartphone-App soll es möglich sein, reale Einblicke in die historische Vergangenheit der Stadt zu bekommen, indem die QR-Codes gescannt werden.

Stadt erteilt Startschuss

Seit Oktober 2019 wird an der Umsetzung des Projekts getüftelt – die Corona-Pandemie hat auch hier für eine Verzögerung gesorgt. Dann verkündet die Stadt endlich auf ihrer Facebook- und Instagram-Seite: Der Entdeckerpfad präsentiert sich jung und modern und könne an den Wochenenden die ganze Familie bespaßen – so zumindest das Versprechen kurz vor Pfingsten.

Das Wetter ist hochsommerlich – also los, Haldensleben entdecken! Gewappnet mit Turnschuhen, Kamera und Smartphone mache ich mich auf den Weg – meine erste Station ist die Wüstung Niendorf an der Ohre.

Ich öffne die App und verschaffe mir einen Überblick über die Funktionen. Dank integrierter Navigationsfunktion kann ich ganz ohne Landkarte und Ortskenntnis losziehen – dachte ich zumindest. In der Karte ist der Punkt der Station zwar markiert, aber mir wird von der App mitgeteilt: „Die Route kann aktuell nicht berechnet werden.“ Ich versuche es erneut und vergewissere mich über ausreichende Internetverbindung – die Routenführung von Station zu Station funktioniert an dieser Stelle nicht. Als Neuling in der Stadt macht das den Trip natürlich anstrengender, aber ich suche mir Anhaltspunkte wie Straßen oder Parks in der Nähe heraus, um die Orte zu finden und lasse mich von einer anderen App mit Routenführung zu der Station führen.

Keine Stationen in Sicht

Als ich ankomme, ist die Station laut meinem Handy ganz in meiner Nähe – als ich jedoch einige Meter an der Ohre entlanggelaufen bin, merke ich, dass die Station schon längst hätte auftauchen müssen. Ich laufe noch einige Meter, dann noch mal in die andere Richtung – kein QR-Code oder ein Hinweis auf die Station weit und breit. Der kleine blaue Punkt, der mir in der App anzeigen soll, wo ich mich gerade befinde, ist mir nicht gefolgt. Stattdessen sagt mein Display, ich würde noch auf dem Parkplatz stehen.

Ich zweifle an meiner Internetverbindung oder würde es auf meine mangelnden Ortskenntnisse schieben. Ein Blick auf die Karte des Entdeckerpfades und meiner Karten-App sagt mir aber eindeutig: Ich war an der richtigen Stelle, nur die Station war nicht da.

Ich fahre die nächstgelegene Station an: Beberdüker am Mittellandkanal steht auf dem Plan. Um die Geschichte etwas abzukürzen: Gleicher Prozess, gleiches Ergebnis – kein QR-Code, den ich für spannende virtuelle Erlebnisse scannen könnte. Während ich ständig angestrengt die Karten und Ortungspunkte auf meinem Handy vergleiche, weil die Routenführung noch immer nicht funktioniert, denke ich an die Zielgruppe des Entdeckerpfads: Beispielsweise Familien oder Großeltern mit ihren Enkeln. Die Großeltern starren dann wahrscheinlich verdutzt auf ihr Smartphone, stolpern durch das Grün, während die Enkel nörgelnd danebenstehen und fragen, was es denn hier eigentlich zu entdecken gibt.

Auf Nachfrage bei der Stadt Haldensleben erfahre ich, dass meine ersten beiden Stationen „Wüstung Niendorf“ und „Beberdüker“ tatsächlich noch nicht aufgebaut waren und inzwischen nachgereicht wurden. Auf der Internetseite und den Social Media Kanälen der Stadt war von dieser Information allerdings keine Spur.

App hält Versprechen nicht

Aller guten Dinge sind drei – deswegen mache ich mich auf den Weg zum Burgwall Althaldensleben. Mein Ehrgeiz ist geweckt, wenigstens einen dieser Codes zu finden und doch noch einen Mammut über meinen Handy-Bildschirm rennen zu sehen. Ich folge der Beschilderung zum Burgwall und bemerke, dass der Ortungspunkt auf der Karte des Entdeckerpfads mir brav folgt – jetzt muss es doch klappen, denke ich. Der blaue Punkt auf der Karte ist exakt auf dem markierten Punkt, an dem sich die Station befinden soll. Ich drehe mich im Kreis und sehe weit und breit nichts, was einer solchen Station ähnlich ist. Da ist nur Grün, sonst nichts. Weshalb die Station am Burgwall nicht aufzufinden ist, bleibt auch für Lutz Zimmermann, Stadtpressesprecher und Betreuer des Projekts, unklar.

Voller Hoffnung fahre ich die vorerst letzte Station an diesem sonnigen Nachmittag an: Die Ruine Nordhusen wartet auf mich. Von Weitem erkenne ich schon die silberne Station und freue mich, endlich ein Erfolgserlebnis zu haben – aber ich habe mich zu früh gefreut. Die Informationen auf der Tafel sind sowohl denen einer anderen dort aufgestellten Informationstafel und denen, die ich vorab schon in der Web-App ablesen konnte, sehr ähnlich – etwas wirklich Neues lerne ich vor Ort also nicht.

Der QR-Code ist sehr klein, schätzungsweise nehmen ihn Touristen nicht wahr, wenn sie nicht explizit danach suchen. Als ich ihn scanne, öffnet sich lediglich die Infotafel, die ich auch zuvor schon sehen konnte, die Panorama-Funktion steht aber still und zeigt mir einen schwarzen Bildschirm an. Versprochen wurde hier, dass man die Ruine Nordhusen virtuell in einstiger Pracht sehen kann. Ich sehe allerdings nur einen schwarzen Bildschirm.

Ohne spannende Eindrücke oder wissenswerte Informationen zu den vier besuchten Orten kehre ich schließlich in die Redaktion zurück. Zusammenfassend habe ich zwar neue Ecken der Stadt entdeckt – aber eher auf eigene Faust statt durch die App. Die versprochenen Animationen und die entspannte Routenführung haben allerdings gefehlt und bei mir mehr Frustration und Verwirrung ausgelöst, als eine entspannte Tour bereitet.