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Nachwuchssorgen Wie lockt man Ärzte aufs Land?

Der Landkreis Börde, rund um Haldensleben und Co, hat ein Ärzteproblem. Einigen Gemeinden droht eine Unterversorgung.

Von Juliane Just 01.11.2019, 00:01

Haldensleben l Die Mediziner der Börde überaltern. Ein Drittel der Haus- und Fachärzte im Landkreis ist mindestens 60 Jahre alt. Wenn sie in den Ruhestand gehen, braucht es mehr als 60 neue Ärzte, um den sogenannten Nachsetzungsbedarf auszugleichen. Ergo braucht es junge Ärzte auf dem Land. Wie man wieder Ärzte in ländliche Gebiete lockt, zeigen andere Kommunen in Deutschland mit erfolgreichen Projekten. Ein Überblick:

Die gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung haben eine Förderung in Millionenhöhe auf die Beine gestellt, um überall im Land die Versorgung mit Vertragsärzten sicherzustellen. Bereits im Studium können junge Mediziner dabei von den finanziellen Mitteln profitieren – wenn sie sich für ein Studium an Sachsen-Anhalts Universitäten entscheiden. Seit 2010 bietet die Kassenärztliche Vereinigung Stipendienprogramme für Medizinstudierende an, die nach einer Weiterbildung zum Allgemeinarzt in Sachsen-Anhalt arbeiten wollen. Dabei suchen sie sich eine Region aus, in der sie später praktizieren wollen.

Mit dem Förderprogramm können unter anderem Praxisgründungen oder -übernahmen in Sachsen-Anhalt mit einem Zuschuss von bis zu 60.000 Euro gefördert werden. Anstellungen von Ärzten können in bestimmten Regionen mit bis zu 10.000 Euro gefördert werden.

Die Hansestadt Osterburg (Altmark) kämpft auf eine ähnliche Art gegen den Ärztemangel auf dem Land an. Die Stadt bietet ein Stipendium, das sich an Medizinstudenten richtet. Bewerben kann sich jeder, der am Osterburger Gymnasium Abitur machen – und sich verpflichten will, nach dem Ende des Studiums und der Facharztausbildung wieder in Osterburg zu praktizieren. Damit möchte die Stadt diejenigen ansprechen, die später in ihre Heimat zurückkommen wollen.

Insgesamt 700 Euro erhalten die Stipendiaten monatlich – die eine Hälfte ist von der Stadt, die andere von der Kassenärztlichen Vereinigung. Während der Facharztausbildung zahlt die Stadt 200 Euro im Monat. Rund 100.000 Euro investiert die Stadt pro Stipendiat. Eine Ausgabe, die sich jedoch für die Stadt rentiert hat.

Wenn mehrere Ärzte gleicher oder unterschiedlicher Fachrichtungen unter einem Dach zusammenarbeiten, handelt es sich um Medizinische Versorgungszentren. Diese sind inzwischen etabliert und werden nicht nur von angehenden Ärzten häufig als interessanter Arbeitgeber genannt, sondern haben sich teilweise auch als ein wichtiges Bindeglied bei der Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung erwiesen.

Als Vorzeigebeispiel gilt das Ärztezentrum in Büsum (Schleswig-Holstein). Dort rang sich die Gemeinde als erste in Deutschland im Jahr 2015 durch, als Trägerin des örtlichen Ärztezentrums aufzutreten und damit den drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung zu verhindern. Inzwischen schreibt das Ärztezentrum schwarze Zahlen, hat fünf junge Ärzte in das Gebiet gelockt und ist als Erfolgsmodell gegen Ärztemangel auf dem Land bekannt.

Auch sogenannte Ersthelfergruppen sind immer wieder im Gespräch. Dabei handelt es sich nicht zwingend um ausgebildete Mediziner, sondern geschulte Helfer. Das besondere an dem Konzept: Sie sind freiwillig und ehrenamtlich und haben Mindeststandards. Sie sollen ergänzend zum professionellen Rettungsdienst zur Verfügung stehen und die Rettungskette ergänzen. Damit ist es den Rettungsdienststellen möglich, solche Ersthelfergruppen im Notfall zu alarmieren.

Die DLRG-Ortsgruppe Diesdorf (Altmarkkreis Salzwedel) ist mit einem Beispiel vorangegangen – und gescheitert. Die Ortsgruppe hatte dem Landkreis vorgeschlagen sogenannte „First Responder“ auch in der Altmark einzusetzen. Der Altmarkkreis hatte diesen aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen eine Absage erteilt.

Ein weiteres Konzept, dass es bereits zu DDR-Zeiten gab, wird derzeit von der Uni Greifswald geprüft: Die Gemeindeschwester. Das Projekt trägt den Namen „Agnes“. Die Abkürzung ist dabei nicht an die aus dem gleichnamigen Film bekannte „Schwester Agnes“ angelehnt, sondern steht für „Arztentlastende, gemeindenahe, E-Health-gestützte, systemische Intervention“. Ziel ist es, speziell ausgebildete Kräfte als verlängerten Arm des Arztes einzusetzen. Diese übernehmen nach Anweisung des teilnehmenden Hausarztes Hausbesuche bei Patienten, wobei die vorbeugende, beratende/betreuende und Therapie überwachende Tätigkeit im Vordergrund steht. In dieser Weise kann der Hausarzt bei einem erhöhten Versorgungsradius entlastet und unterstützt werden.

Derzeit wird eine Machbarkeitsstudie zu dem Projekt „Agnes“ durchgeführt. Auf der Internetseite der Universität Greifswald steht dazu: „Das Projekt wird durch die Mehrheit der Teilnehmer positiv angenommen und die ersten Erfahrungen bei den Hausbesuchen zeigen, dass das Konzept der ein erhebliches Potential dafür besitzt, die Hausärzte in ländlichen Regionen zu entlasten.“