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Onlinehandel Paketbetrug mit gefälschtem Pass

Wie ein Gauner versuchte, eine Haldensleber Familie um mehrere Tausend Euro zu prellen.

11.05.2020, 08:06

Haldensleben l Als das erste Paket kommt, wundert sich Birgit Kinnemann-Klefenz noch. Weil ihr Mann Heiko für gewöhnlich nicht im Internet bestellt. Und schon gar keine weißen Turnschuhe für mehr als 400 Euro. Tatsächlich streitet der 62-Jährige den Kauf ab, der auf seinen Namen abgeschlossen ist. Und spätestens jetzt ahnt Kinnemann-Klefenz wohl schon, dass es bei ihnen nun ähnlich laufen könnte wie bei ihrem Vater Günther Kinnemann. Mit Rechnungen über tausende Euro von nicht bestellten Klamotten und Handys. Und einem Betrüger mit falschem Pass vor dem Haus.

Bei ihrem Vater lief das laut so ab: An einem Tag im April vor etwa vier Wochen bekommt der 73-Jährige gleich drei Pakete an seine Wohnadresse am Probsthorn geliefert. Ein Smartphone mit einer Rechnung um die 1700 Euro ist dabei, außerdem eine Tasche, für die ein Händler mehr als 1000 Euro haben will. Und ein Mähroboter für Rasenflächen für etwa 1400 Euro. Aufgeregt berichtet Günther Kinnemann seiner Tochter davon, die gleich nebenan wohnt, und hofft auf eine Erklärung. Doch auch sie hat die Dinge nicht bestellt.

Anruf beim Onlinehändler. Dieser rät der Haldensleber Familie zur Anzeige bei der Polizei. Die nicht bestellten Dinge sollten sie wieder zurückschicken. Günther Kinnemann will sich gerade auf den Weg zur Polizei machen, als ein Mann vor seinem Haus seine Frau anspricht. Er wolle seine Pakete abholen, sagt er in gebrochenem Deutsch. Dabei wedelt er mit einem Pass herum. Bereitwillig zeigt er ihn vor. Er ist ausgestellt auf Günther Kinnemann, allerdings mit dem Bild des Mannes, der Pakete abholen will. Er sieht dem echten Günther Kinnemann nicht ähnlich, er hat nicht dieselbe Hautfarbe. Der Pass ist zudem ein französischer.

Die Familie ist geschockt. Eben deshalb, so betont Kinnemann-Klefenz, hätten sie in diesem Moment versäumt, schnell die Polizei zu rufen und den Mann nicht entkommen zu lassen. Der Betrüger verschwindet in Richtung Süplinger Berg.

Die Paketzustellungen reißen mit dem Vorfall nicht ab. Günther Kinnemann bekommt noch drei weitere Pakete, die er nicht bestellt hat und wieder zurückschickt. Den Mann mit dem gefälschten Pass sehen sie eine ganze Weile nicht – bis zum letzten Tag im April. Oder ist es ein anderer Mann?

An jenem Donnerstag soll Kinnemann-Klefenz ein Paket eines Telefonanbieters bekommen. Doch sie nimmt es nicht an. Der Zustellbote hat Verständnis dafür, sie hat ihm vom Betrüger erzählt. Auch auf den Namen ihres Mannes Heiko sind mittlerweile mehrere Pakete zurückgeschickt. Neben den teuren Turnschuhen waren vor allem Klamotten bestellt worden.

Zehn Minuten nachdem der Paketbote da war, sieht Kinnemann-Klefenz einen Mann durch ihre Straße streifen. Immer wieder schaut er auf sein Handy, wartet schließlich am Ende der Straße. Er sieht dem Betrüger mit dem gefälschten Pass nicht unähnlich. Ob er es ist, kann Kinnemann-Klefenz nicht mit Sicherheit sagen. Trotzdem ruft sie die Polizei. Die Beamten kommen. Und nehmen den Mann mit.

Laut Polizeisprecher Matthias Lütkemüller ist der 30-Jährige der Polizei bereits bekannt. Tatsächlich hätten die Kollegen bei ihm einen gefälschten Reisepass gefunden, berichtet er. Nach Abschluss der „polizeilichen Maßnahmen“ sei der Mann wieder entlassen worden. Zum Stand der Ermittlungen teilt Lütkemüller nichts Näheres mit. Er bestätigt jedoch, dass am Polizeirevier Börde „mehrere Strafverfahren wegen des Verdachts des Betruges zum Nachteil der Familie Kinnemann-Klefens anhängig“ seien.

Ob der Betrüger den Zusteller der Pakete abfangen wollte oder im Sinn hatte, ein bei den Nachbarn abgegebenes Paket würde ihm ausgehändigt, bleibt unklar. Beide Betrugsvarianten sind nicht neu. Unklar bleibt auch, ob der Betrüger sich bessere Chancen ausrechnete, weil Paketdienstleister auf eine nach Möglichkeit kontaktlose Zustellung während der Corona-Krise setzen. So sollen Kunden etwa bei Hermes derzeit nicht auf dem Scanner des Zustellers unterschreiben, sondern auf dem Paket. Der Zusteller fotografiert die Unterschrift anschließend. Dabei sollen Kunde und Bote auf Abstand bleiben. Außerdem werben die großen Zusteller dafür, dass Kunden Wunschablageorte angeben. Das kann eine Garage, Gartenlaube oder überdachte Terrasse sein. Allerdings muss der Kunde dafür vorher eine Vollmacht ausstellen.

Wie der Betrüger Namen und Adressdaten bekommen hat, weiß Kinnemann-Klefenz nicht. Bestellt hatte er über eine neu angelegte E-Mail-Adresse, in der der Familienname auftaucht.

Polizeisprecher Lütkemüller sagt, Betrugsdelikte mit Paketsendungen seien für das Polizeirevier Börde nichts Neues. Allerdings sei das Ausmaß in diesem Fall ungewöhnlich. Laut Kinnemann-Klefenz seien insgesamt etwa ein Dutzend Pakete bei ihr und ihrem Vater eingegangen, die sie nicht bestellt hätten. Allerdings, seit der mutmaßliche Täter geschnappt wurde, ist keine ungewollte Zustellung mehr angekommen.