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Schulen Schulsozialarbeiterinnen vor dem Aus: Zwei Stellen müssen im Landkreis Börde wegen klammer Kassen gestrichen werden

Es war eine Schocknachricht für viele Beteiligte: Zwei der acht vom Landkreis Börde geförderten Schulsozialarbeiter können im Schuljahr 2021/2022 nicht mehr beschäftigt werden. Für Anika Wilke in Samswegen und Franziska Ribbert in Altenweddingen bricht damit eine Welt zusammen.

Von Juliane Just 14.05.2021, 12:49
Die Stellen der Schulsozialarbeiterinnen Franziska Ribbert (l.) der Grundschule in Altenweddingen und Anika Wilke der Grundschule Samswegen stehen auf der Kippe. Wenn keine Finanzierung gefunden wird, müssen sie gehen.
Die Stellen der Schulsozialarbeiterinnen Franziska Ribbert (l.) der Grundschule in Altenweddingen und Anika Wilke der Grundschule Samswegen stehen auf der Kippe. Wenn keine Finanzierung gefunden wird, müssen sie gehen. Foto: Juliane Just

Samswegen/Altenweddingen - „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen“, sagt Anika Wilke. Vor einer Woche hat die Schulsozialarbeiterin der Grundschule in Samswegen (Niedere Börde) erfahren, dass sie zum Ende des Schuljahres im August gehen muss. Auch Franziska Ribbert, die in der Grundschule in Altenweddingen (Sülzetal) angesiedelt ist, ist vor den Kopf gestoßen. War es das jetzt wirklich?

Seit Jahren bangen acht von insgesamt 39 Schulsozialarbeiter im Landkreis jährlich um ihre Stellen. Der Grund: 31 Stellen werden über Mittel des Europäischen Sozialfonds realisiert, deren Finanzierung bis zum Ende des Schuljahres 2023 festgezurrt ist. Die übrigen acht Stellen werden über das Paket „Bildung und Teilhabe“ finanziert. Die Förderung aus dem Programm ist jedoch nicht mehr möglich, sodass die Stellen am 31. Juli 2021 ausgelaufen wären.

Um die Schulsozialarbeiter zu halten, hatte sich der Landkreis im vergangenen Jahr ein Rettungspaket überlegt. Im Jahr 2023 soll laut Dirk Michelmann, Leiter des Dezernats für Bildung, Jugend, Soziales und Migration im Landkreis, ein neues Förderprogramm für Schulsozialarbeit aufgesetzt werden. Dort wolle man die acht Schulsozialarbeiter angliedern. Um die Brücke bis dahin zu bauen, hatte der Landkreis vorgeschlagen, die Stellen gemeinsam mit den Gemeinden noch bis 2023/24 zu sichern.

31.000 Euro für Rettung der Schulsozialarbeiter

Doch der Landkreis kann die Finanzierung nicht allein stemmen, die anteilige Finanzierung der Gemeinden war zwingend nötig. Das betrifft Ummendorf und Hötensleben (beide Obere Aller), Altenweddingen (Sülzetal), die Gemeinden Rogätz und Barleben, Samswegen (Nieder Börde), die Gemeinde Flechtingen und Rätzlingen (Oebisfelde-Weferlingen).

Insgesamt 31.000 Euro müssen die Gemeinden stemmen, um die Schulsozialarbeiter in ihren Gebieten zu halten. Laut Dirk Michelmann können fünf Gemeinden die Finanzierung bis 2023/24 übernehmen. „In diesen Gemeinden können die Stellen weiter bestehen. Aus jetziger Sicht laufen die beiden anderen Stellen mit Ende des jetzigen Förderzeitraumes aus“, so Michelmann. Das bedeutet das Aus für die Schulsozialarbeiterinnen in Samswegen und Altenweddingen.

„Ich war so schockiert. Erst einmal habe ich mich in die Arbeit gestürzt, um mich abzulenken“, sagt Anika Wilke. Sie habe viele Ideen für das kommende Schuljahr gehabt, nun werde sie dann vielleicht nicht mehr da sein. „Wir hatten große Hoffnung, denn das Rettungspaket klang positiv“, betont sie. Nun klammere sie sich an jeden Strohhalm.

Finanzierung der Stellen auf anderem Weg?

Für die beiden Schulsozialarbeiterinnen ist klar, dass sie nicht aufgeben wollen. „Wir wollen Lösungen für die Finanzierung unserer Stellen finden und schauen, was man tun kann“, sagt Franziska Ribbert. Ihr Arbeitgeber, der Paritätische, setze sich für den Erhalt der Stellen ein. Außerdem haben die beiden Damen Schüler, Eltern, Schulleitung und Bürgermeister um sich gescharrt.

So weiß Franziska Ribbert auch den Altenweddinger Ortsbürgermeister Ingo Reichenbach (SPD) auf ihrer Seite. „Ich versuche, jede Aktion in jeder Hinsicht zu unterstützen“, sagt er. Gerade während der Corona-Pandemie seien die Schulsozialarbeiter unabdingbar im Schulbetrieb geworden. „Mir sind als Ortsbürgermeister die Hände gebunden und ich bin bestürzt, dass man die Entscheidung jetzt vorgesetzt bekommt“, sagt er. Er betont, dass die Gemeinde das Geld hätte einplanen müssen – immerhin währt die Diskussion schon seit vergangenem Jahr.

Ähnlich sieht es auch Alexandra Cop, Ortsbürgermeisterin von Samswegen: „Auch wenn die Gemeinde nicht für die Schulsozialarbeit zuständig ist, sollten wir uns dafür stark machen.“ Der Landkreis setzte auf das falsche Pferd, wenn er die Sozialarbeiterinnen gehen lässt. Trotzdem blickt Cop nach vorn: „Wir werden das irgendwie finanziert kriegen.“

Bürgermeistern sind die Hände gebunden

Auch die Eltern wollen für ihre Schulsozialarbeiterinnen kämpfen. „Sollte Frau Wilke gehen, würde sie für alle ein großes Loch hinterlassen“, sagt beispielsweise Audrey Klein. Ihr Kind besucht die Grundschule in Samswegen. „Die Schulsozialarbeiterin ist der Kitt, der Lehrer, Eltern und Kinder zusammenhält“, ist sie sich sicher. Es gebe nun mehrere Ideen wie eine Unterschriftensammlung und eine Spendenaktion, doch das sei bisher noch in den Kinderschuhen. Klar ist für viele Eltern, dass sie die Damen nicht kampflos gehen lassen wollen.

Derweil schütteln die Gemeindebürgermeister nur mit dem Kopf – die Kassen sind leer. „Das ist eine freiwillige Leistung der Gemeinde, die wir uns einfach nicht leisten können“, sagt Stefan Müller, Bürgermeister der Gemeinde Niedere Börde. Das Haushaltsdefizit liegt bei 1,3 Millionen Euro, da seien 31.000 Euro nicht nebenbei stemmbar. „Das ist ein wichtiges Thema, aber uns sind die Hände gebunden“, sagt er.

Genau so argumentiert auch Georg Methner, Bürgermeister der Gemeinde Sülzetal: „Ich würde die Stelle gern erhalten, wenn ich das Geld dafür hätte.“ Bis 2023 befinde sich die Gemeinde in der Haushaltskonsolidierung und muss damit aktiv Schulden abbauen. „Wir werden als Verwaltung ständig angehalten, unsere freiwilligen Leistungen zu kürzen. Ich wüsste nicht, wo ich 31.000 Euro kürzen soll“, sagt er. Zumal die Gemeinde auch Schwimmbäder und Dorfgemeinschaftshäuser habe, die erhalten bleiben sollen.

Falsches Signal der Politik

Die Netzwerkstelle „Schulerfolg sichern“ mit Sitz in Haldensleben sieht die Entwicklung in der Börde kritisch. Die Einrichtung berät die Schulsozialarbeiter im Landkreis und ist eine Schnittstelle zwischen verschiedenen Institutionen, die Schüler auffangen will. „Jeder Schulsozialarbeiter zählt. Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig sie für Schüler, Eltern und Lehrer im Schulalltag sind“, sagt Birka Hübener als Netzwerkkoordinatorin. „Eigentlich bräuchten wir an jeder Schule einen Schulsozialarbeiter. Zwei gehen zu lassen, ist das falsche Signal.“