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Straßenausbau Bürger sollen selbst entscheiden

Die CDU-Fraktion im Haldensleber Stadtrat will Anwohner befragen, ob sie geplante Straßenbaumaßnahmen wirklich wollen. Der Antrag liegt vor.

Von Jens Kusian 25.10.2018, 01:01

Haldensleben l In dem Absatz, den die CDU in der Satzung haben möchte, heißt es: Straßenbaumaßnahmen werden bei Anliegerstraßen „unter den ausdrücklichen Vorbehalt der Zustimmung der späteren Beitragspflichtigen gestellt. Für die Feststellung der Mehrheit gilt, dass jedes Grundstück mit einer Stimme vertreten ist. Wird die erforderliche Mehrheit zur Zustimmung (50 Prozent plus eine Stimme) nicht erreicht, hat der Stadtrat die Angelegenheit zu entscheiden.“

Diskutiert wurde der Antrag der CDU im jüngsten Bauausschuss. Seine Fraktion habe das Papier auch vor dem Hintergrund der gerade im Landtag von Sachsen-Anhalt laufenden Debatte zu Straßenausbaubeiträgen erarbeitet, sagte Thomas Seelmann (CDU). So wird derzeit diskutiert, ob Straßenausbaubeiträge nach dem Vorbild anderer Bundesländer in Sachsen-Anhalt generell abgeschafft werden sollen. Weil eine Entscheidung des Landtags aber noch aussteht, habe die CDU-Fraktion nun etwas für die Bürger tun wollen und deshalb ihren Antrag erarbeitet. Er stützt sich auf das Kommunalabgabengesetz des Landes, das besagt, die Gemeinde „kann die Entscheidung über eine beitragsauslösende Maßnahme (...) unter den ausdrücklichen Vorbehalt der Zustimmung der später Beitragspflichtigen stellen.“

„Aus dieser Kann-Bestimmung wollen wir nun eine Muss-Bestimmung für die Stadt machen“, erläuterte Thomas Seelmann den Bauausschuss-Mitgliedern. Der CDU-Antrag löste unter ihnen einige Diskussionen aus, die sich vor allem auf das „Wie“ bezogen.

„Das Kommunalabgabengesetz sieht vor, dass wir die Befragung der Anlieger schriftlich vornehmen“, erläuterte Haldenslebens Dezernentin Andrea Schulz das Prozedere, das sich mit der Änderung der Satzung ergeben würde. Ihr zufolge gäbe es zwei Möglichkeiten: entweder könnten die Anlieger Post von der Stadt erhalten und ihre Einverständniserklärung zurücksenden, andererseits könnten sie bei den üblichen Einwohnerversammlungen zu den jeweiligen Baumaßnahmen ihre schriftliche Zustimmung geben.

Wie es mit einer Baumaßnahme weitergehe, wenn sich die Mehrheit der Anlieger gegen diese entscheide, wollte Bodo Zeymer (Die Fraktion) wissen. Haldenslebens Bauamtsleiter Holger Waldmann machte darauf aufmerksam, dass mit einer solchen Entscheidung einige Probleme verbunden seien. Denn wenn der Stadtrat seinen jeweiligen Haushalt mitsamt aller Baumaßnahmen beschließt, werden auch Fördermittel dort hinein gerechnet. Um Bürgern eine Baumaßnahme vorzustellen, ist außerdem die Planung nötig, für die bereits Kosten anfallen. Oft werden Bautätigkeiten auch mit einzelnen Versorgern, wie den Stadtwerken oder dem Abwasserverband, gemeinsam geplant, um Aufwand und Kosten zu minimieren. Würden sich Bürger und Stadträte nun im Nachhinein gegen eine Baumaßnahme entscheiden, wären bereits zugesagte Fördermittel und die Zusammenarbeit mit Versorgern gefährdet.

Je länger sich der Ausbau einer Straße durch eine Entscheidung dagegen hinziehen würde, umso schwieriger und eventuell auch kostenintensiver würde er laut Holger Waldmann mitunter werden. Bodo Zeymer bat darum, dem Antrag der CDU diese Erläuterungen, also das Für und Wider, hinzuzufügen, bevor am 22. November endgültig der Stadtrat darüber entscheidet. Mehrheitlich stimmten die Bauausschussmitglieder dem Antrag mit Zeymers Zusatz zu.

Auch der Hauptausschuss des Stadtrats beschäftigte sich bereits mit dem CDU-Antrag und entschied sich mehrheitlich dafür. Allerdings stand dort die sachliche Diskussion eher im Hintergrund. Vielmehr warfen Boris Kondratjuk (Bürgerfraktion) und Anja Reinke (Die Fraktion) der CDU vor, mit ihrem Antrag Wahlkampf betreiben zu wollen. „Was bringt der Antrag für die Bevölkerung?“, stellte Kondratjuk in den Raum. „Für das Haushaltsjahr 2019 kommt er doch sowieso schon zu spät. Das ist nur Blabla, Hauptsache die CDU hat was zu sagen.“

Der CDU-Antrag sei aufgrund der rechtlichen Grundlage realisierbar, meinte Bernhard Hieber (SPD). „Doch er sorgt für Ärger“, vermutete er und nannte als Grund dafür die Unterscheidung zwischen Anlieger- und Nicht-Anlieger-Straßen. „Daher bin ich für die große Lösung – die generelle Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Dies hier ist nur ein kleines Signal, das verpufft. Das kann ich so nicht empfehlen.“

Vor diesem Hintergrund stellte Anja Reinke den Antrag, dass die Verwaltung die Klassifizierung der Straßen im Stadtgebiet hinsichtlich des Status „Anliegerstraße“ noch einmal prüfen solle. Dieser Antrag fand jedoch keine Mehrheit.

Die CDU sieht ihren Antrag dagegen sehr wohl als „Signal nach oben“. „Auch wir wollen die Abschaffung der Straßenausbaubeträge“, unterstrich Fraktionsvorsitzender Mario Schumacher. „Deshalb verstehen wir unseren Antrag auch als deutliches Signal der Parteibasis an die Landesspitze.“

Für die Stadt Haldensleben würde die Erweiterung der Straßenausbaubeitragssatzung um den besagten Paragrafen unterdessen einiges Chaos bringen. Besser wäre es, so bestätigte Dezernentin Andrea Schulz im Bauausschuss, wenn das Land bald eine grundlegende Entscheidung bezüglich der Straßenausbaubeiträge treffen würde.

Die Stadt hat deshalb ein Schreiben an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sowie den Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt geschickt. Darin bittet sie darum, die Diskussion um die Beiträge nicht unnötig in die Länge zu ziehen. In Haldensleben gäbe es mittlerweile mehrere Bürgerinitiativen gegen geplante Baumaßnahmen, heißt es in dem Brief. Darin signalisiert die Stadt auch ihr Verständnis für die Anlieger, die mitunter sehr hohe Baukosten nicht zahlen wollen.