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111. Geburtstag Ältester Deutscher ist ein Havelberger

Heute wird der Havelberger Gustav Gerneth 111 Jahre alt. Er dürfte der älteste in der Bundesrepublik lebende Mensch sein.

Von Andrea Schröder 15.10.2016, 01:01

Havelberg l Besuch außer der Familie möchte Gustav Gerneth an seinem Ehrentag heute nicht haben. Das regt ihn alles zu sehr auf. Vielmehr muss er Kraft tanken. Dennoch werden heute viele Havelberger in Gedanken bei dem Senior sein, der mit 111 Jahren ein äußerst seltenes Jubiläum begeht. Zu seinem 110. Geburtstag im vorigen Jahr hatte er noch Bürgermeister Bernd Poloski an seinem Geburtstagstisch begrüßt. Das war nicht nur wegen seines Geburtstages ein ganz besonderer Tag. Gustav Gerneth trug sich auch in das Goldene Buch der Hansestadt ein. Es war ein schönes Wiedersehen, beide plauderten über Fußball – Gustav Gerneth ist großer Sportfan – und scherzten. Etwa, als sie ein Bild betrachteten, das sie gemeinsam beim 100. Geburtstag zeigt. „Wir haben uns doch kaum verändert.“

„Wir sind sehr stolz darauf, dass der älteste Mensch Deutschlands in unserer Hansestadt beheimatet ist, das ist eine ganz besondere Freude“, sagt der Bürgermeister. Er denkt gern daran, „mit welcher Lebensfreude Gustav Gerneth trotz mehrerer Schicksalsschläge die Gespräche mit uns geführt hat, mit welchem Optimismus und welcher Zufriedenheit. Ich wünsche ihm, dass er sich gesundheitlich weiter stabilisiert und Freude hat. Seine Familie kümmert sich sehr liebevoll um ihn. Er hat ein Kämpferherz“.

Noch immer wohnt Gustav Gerneth in seiner Wohnung in der Fischerstraße. Dort hat er einen guten Blick auf den Dombereich. Als letztes Jahr die Bundesgartenschau stattfand, nahm er Anteil am bunten Treiben, freute sich über die vielen Menschen auf der neuen Aussichtsplattform am Prälatenweg. Von seinem Fenster aus hat er einen guten Blick darauf. Die Stadtentwicklung hat er stets mit verfolgt. Und auch dazu beigetragen, dass Stadtgeschichtliches bewahrt bleibt.

Einen Großteil seines Berufslebens verbrachte er als Maschinist auf dem Schraubendampfer „Frieda“ seines Schwiegervaters Friedrich Grubert aus Havelberg. Hauptsächlich waren sie zwischen Hamburg und Berlin unterwegs. Herbert Stertz hat mit ihm für sein Buch „Havelschifffahrt unter Dampf“ gesprochen, wo ihm das Kapitel „Der Maschinist“ gewidmet ist. Und auch zur Buchreihe „Historisches Havelberger Allerlei“ von Wolfgang Masur hat er mit seinen Erinnerungen beigetragen. „Ab 1948 habe ich im Gaswerk gearbeitet und bis in die 50-er Jahre haben noch Gaslaternen zum Beispiel in der Havelstraße und im Hohlweg gestanden. Diese wurden von mir gewartet. Erst später, als es keine Teile mehr für die Gaslaternen gab, kamen modernere Leuchten in die Stadt“, ist er dort zum Beispiel zitiert. Und er berichtete auch von der Kohle, aus der Gas produziert wurde. „Wir hatten einmal zwei Kähne voll mit amerikanischer Kohle dabei. Die war so gut, dass wir daraus die doppelte Menge herstellen konnten.“ Vor größeren Feiertagen mussten die Arbeiter im Gaswerk hart ran: „Die Leute hatten viel Kuchen zu backen, und so wurde mehr Gas benötigt.“

Am 15. Oktober 1905 wurde Gustav Gerneth in Stettin geboren. Dort lernte er den Beruf des Maschinenschlossers und war später als Schiffsmaschinist in der See- und Binnenschifffahrt auf allen großen deutschen Flüssen und auf der Ostsee zu Hause. Durch die Schifffahrt lernte er in der Silvesternacht 1930 seine spätere Frau kennen. Ihr Vater kam aus Havelberg und hatte zwei Schiffe, auf denen Gustav Gerneth auch tätig war. Geheiratet wurde in Havelberg, drei Söhne wurden geboren. Die junge Familie zog, als die Jungs ins Schulalter kamen, nach Stettin. Gustav Gerneth arbeitete als Flugzeug- und Bordmechaniker. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges begann sein Militärdienst. Nach zweieinhalb Jahren in russischer Gefangenschaft wieder in Freiheit, fand er seine Familie dann in Havelberg. Bis zur Schließung des Gaswerkes 1972 arbeitete er in dem Betrieb.

Mit weit über hundert Jahren hat Gustav Gerneth zu seinen Geburtstagen öfter für Schlagzeilen gesorgt. Erst als ältester Sachsen-Anhalter, dann als ältester Mann Deutschlands, nun als wohl ältester Mensch Deutschlands. Geistig fit und auch noch recht rege, was etwa seine Kochleidenschaft für Rouladen, Steaks und Fisch betraf, machte er so manchen Journalisten neugierig. Zu seinem Hundertsten hatte er gesagt, „auf den Hintern sollte man sich nicht setzen, da wird man steif“. Und sein Rezept für ein langes Leben verriet er zum 109.: „Ich habe immer gut gelebt und gegessen. Keine Diät. Immer Butter, keine Margarine. Ich habe mein Leben lang keine Zigarette angerührt und Alkohol nur zu Feiern getrunken.“

Im vergangenen Jahr, zum 110. sagte er: „Mein Kraftwerk funktioniert noch ganz gut.“