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Abriss Rediko weicht für Drogeriemarkt

In der Havelberger Uferstraße „fressen“ sich die großen Abrissbagger immer weiter in das einstige Betriebsgelände des VEB Rediko.

Von Wolfgang Masur 01.02.2016, 17:15

Havelberg l Die zur Uferstraße gelegenen Garagen, das einstige Schulungsgebäude für die Auszubildenden, der große Speise- und Kulturraum und ein Großteil der früheren Wickelei sind bereits dem Erdboden gleichgemacht.Weithin sichtbar hängt am Bauzaun das Rossmann-Schild, das auf den Drogeriediscounter, der hier einen neuen Markt baut, aufmerksam macht.

Für viele Havelberger und Leute aus dem Altkreis, die hier früher einmal tätig waren, verschwindet ein Stück Geschichte. Aber wie sagt der Volksmund: „Alles hat seine Zeit“. Einige Jahre später hätte der Zahn der Zeit das weitläufige Betriebsgelände noch grauer und unansehnlicher gemacht.

Mit einer Träne im Auge sieht der Havelberger Walter Kühn die Abrissarbeiten. Es kommt ihm so vor, als ob sein eigenes Haus abgerissen würde. Er ist aber nicht der Einzige, der dem Abriss zuschaut. Besonders an den Wochenenden sind viele Schaulustige an der Baustelle zu sehen.

Der heute 85-jährige Walter Kühn war im Kindesalter ein Elektrobastler. Das hierzu benötigte Material kaufte er damals im Ladengeschäft von Wilhelm und Olga Rosenhagen, die zu dieser Zeit in der Langestraße 13 ein Elektrogeschäft betrieben, aus dem dann später der VEB Rediko hervorging. Der Seniorin Olga Rosenhagen fiel der Junge wegen seines Interesses an allem Elektrischem auf. So war es nicht verwunderlich, dass sie ihm eine Berufsausbildung in der Firma anbot.

Am 1. April 1944 begann Walter Kühn seine dreieinhalbjährige Lehre zum Elek­tro-Maschinenbauer und blieb nach deren Ende seinem Beruf und auch der Arbeitsstätte auf dem Grundstück treu. Gern erzählt er von der in der Ausbildung gewonnenen Tugend des Ordnungshaltens. Feierabend war erst, nachdem die Werkstatt gesäubert war und sämtliche Werkzeuge sich wieder an ihrem Stammplatz befanden.

Dieser Philosophie, als Voraussetzung für einen effektiven nächsten Arbeitstag, ist er ein Leben lang treu geblieben. Sie galt auch bei seiner Frau Ingrid, die heute leider nicht mehr lebt, als anerkannter Entschuldigungsgrund, wenn er nicht sofort aus seiner Hobby-Werkstatt nach Hause kam. „Es war eine schöne Zeit damals und ich habe bei den Rosenhagens, hier war ich der erste Lehrling, sowie später bei Rediko ein tolles Arbeitsleben verbracht“, erinnert sich der Senior.

Obwohl er über 40 Jahre seinem Betrieb treu blieb, ist Walter Kühn jetzt auch etwas froh darüber, dass die Betriebsruine, die ja nur noch ein Schandfleck war, nach so langem Leerstand abgerissen wird und Platz für Neues entsteht. „Die Zeiten ändern sich, und wenn ich daran zurückdenke, wie wir früher täglich mit dem Fahrrad von Havelberg nach Klietz zur Baustelle gefahren sind und auch noch Material mit dabei hatten, muss ich feststellen, dass das heute kein Mensch mehr machen würde. Und auch nicht machen muss!“

Auf dem großen Hofgelände, wo nun die Technik für den Abriss steht, war früher immer viel Betrieb. Eine Zeitlang war der frühere VEB Kraftverkehr hier ebenfalls ansässig und einige Busse, für die das Hofgelände noch verbreitert wurde, standen dort. Viele Lkw kamen täglich, um Motoren abzuholen und andere brachten Waren.

„Ich wünsche dem Drogeriediscounter, der die Altstadt beleben wird, viel Erfolg auf diesem historischen Standort. Es ist ja eine sehr gute Lage, direkt an der Bundesstraße, und mit der Zuwegung von der Langen Straße 13 aus für viele Menschen gut zu erreichen“, so Walter Kühn.