Frank Meyke erinnert sich noch immer gern an seine Kindheit zurück und will die Stadt im Sommer besuchen Botschafter in Sambia ist ein gebürtiger Havelberger
Frank Meyke ist in Havelberg geboren. Heute ist er in Sambia tätig: als deutscher Botschafter. Heimatforscher Helmut K. J. Knopf hat ihn ausfindig gemacht und mit ihm Kontakt aufgenommen.
Havelberg l Vor wenigen Tagen konnte man auf den Titelseiten fast aller deutschen und ausländischen Zeitungen lesen, dass die Fußball-Nationalmannschaft Sambias zum ersten Mal den Afrika-Cup gewonnen hat. Es war eine große Überraschung, als sich Sambia im Elfmeterschießen gegen die hochfavorisierte Elfenbeinküste durchsetzte. Für das Land war dieser Fußballsieg eine Sensation und ein Tag der Rückerinnerung und Trauer zugleich, denn am Ort der Austragung des Afrika-Cups wurde am 27. März 1993 bei einem Flugzeugabsturz die damalige sambische Fußball-Nationalmannschaft getötet.
Auch die deutsche Botschaft in Lusaka gratulierte der sambischen Nationalmannschaft zu diesem großartigen Triumph.
Wenn man diese Nachrichten liest und sich gerade aus einem bestimmten Grund mit diesem Land beschäftigt hat, bekommen diese Meldungen gleich eine andere Bedeutung. Der Grund, sich für ein Land zu interessieren, das tausende Kilometer entfernt im Süden Afrikas liegt, ist, dass seit dem Jahr 2009 ein gebürtiger Havelberger in Lusaka, der Hauptstadt Sambias, als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Bundesrepublik Deutschlands amtiert. Als mir durch Recherchen dieser Umstand bekannt wurde, war es ziemlich einfach, zum dortigen Botschafter Kontakt aufzunehmen.
Erster Kontakt über die Internetseite der Botschaft
Die Botschaft betreibt eine sehr gute und bedienerfreundliche Web-Seite, durch die man sogar direkt mit dem Botschafter in Kontakt treten kann. Da ich der Meinung bin, dass dieser in Havelberg geborene Botschafter für unsere Stadt eine bedeutende Persönlichkeit darstellt und es mir wert erschien, ihn in seiner Heimatstadt Havelberg vorzustellen, schrieb ich ihm über die Web-Seite der Deutschen Botschaft einen längeren Brief. Auf Antwort wartend, befasste ich mich mit diesem Land Sambia.
Ich war von der Naturschönheit dieses Landes überwältigt. Dort findet man zum Beispiel die gigantischen Victoriafälle und eine schier einzigartige Flora und Fauna. Man kann sich gar nicht satt sehen an den vielen herrlichen Bildern außergewöhnlicher und für uns fremdartiger Tierarten, die sich dort in freier Natur bewegen.
Sambia ist ein Binnenstaat im südlichen Afrika und grenzt an Angola, Kongo, Tansania, Malawi, Mosambik, Simbabwe, Botsuana und Namibia. Früher gehörte er zu Nordrhodesien und wurde am 24. Oktober 1964 vom Vereinigten Königreich (Großbritannien und Nordirland) unabhängig. Ende September des Jahres 2011 gab es in Sambia demokratische und freie Wahlen, die einen Regierungswechsel hervorbrachten und somit ein Vorbild für viele Staaten in Afrika darstellt.
Erinnerung an ehemalige Spielkameraden
Als ich die erste Antwort des Botschafters erhielt, war ich schon sehr berührt von der großen Heimatliebe zu seiner Vaterstadt Havelberg, die aus vielen seiner Worte sprach. Wie soll man es anders werten, wenn er zum Beispiel schreibt: "Als ich im Oktober 1990 wenige Tage nach der Wiedervereinigung zusammen mit meiner Frau nach 35 Jahren zum ersten Mal wieder Havelberg besuchte, war dies einer der schönsten Tage meines Lebens." Oder: "Ich freue mich, dass ich aus einer so schönen, geschichtsträchtigen Stadt stamme." Auch der Satz "Ich freue mich auch deshalb darüber, dass mein Wohnsitz in Deutschland Berlin ist, weil ich damit Havelberg wieder näher gekommen bin", zeigt doch deutlich die tiefe Heimatliebe zu seiner Geburtsstadt.
Diese überaus freundlichen und herzlichen Worte über unsere gemeinsame Geburtsstadt haben mich tief bewegt. Aus dieser Heimatliebe speist sich auch das unglaubliche Gedächtnis und die Erinnerung an die nur sechs Lebensjahre in Havelberg. So kannte er noch zwei seiner Spielkameraden namentlich. Der eine war Rainer Eschenhagen (Sohn des Gymnasiallehrers Eschenhagen) und der andere Anselm Schreiber (Sohn des Dompfarrers). Durch diese Angaben war es mir möglich, einmal nachzuforschen, ob es noch jemand in Havelberg gibt, der die Familie Meyke kennt. Ich besuchte Ingeborg Eschenhagen in ihrer neuen Wohnung. Ich war sehr erstaunt, dass sich die 90-Jährige nach nunmehr 58 Jahren noch so genau an die Familie Meyke erinnern konnte. Ihr Sohn Rainer, der einer der Spielfreunde war und den noch viele Havelberger kennen, hat nach dem Gymnasium in Havelberg in einer technischen Fachrichtung studiert und wurde Diplomingenieur. Später promovierte er und arbeitet jetzt am Klinikum Neuruppin im technischen Bereich. Ingeborg Eschenhagen wusste sogar noch von einer lustigen Anekdote zu erzählen, die mit Frank Meyke zu tun hatte.
Familie kam aus Ostpreußen in die Stadt an der Havel
Seitdem sind die gegenseitigen Grüße schon hin und her gegangen und ich konnte Ingeborg Eschenhagen ein Porträt von Frank Meyke, das er mir für die Veröffentlichung zur Verfügung stellte, überreichen. Interessant war auch, dass der andere Spielfreund mit Vornamen Anselm hieß. Ingeborg Eschenhagen erzählte, dass der damalige Dompfarrer Schreiber seinem Sohn den Namen des Gründers unseres schönen Domes gab.
Frank Meyke wurde am 14. Mai 1949 in Havelberg geboren. Er wohnte mit seinen Eltern und einem Bruder in der Lindenstraße 4. Dieses Haus wurde schon vor längerer Zeit abgerissen und ein neues Haus errichtet. Es ist das Blumenhaus Buchholz mit der Nummer 8a. Ingeborg Eschenhagen berichtete, dass der Assistenzarzt Hans-Werner Meyke nicht in unserem Krankenhaus am Dom, wie ich erst vermutete, sondern im Auguste-Victoria-Heim bei Dr. Urban gearbeitet hat. Hildegard Meyke, geborene Köller, war als Hauswirtschaftslehrerin tätig. Beide Elternteile stammten aus Ostpreußen und retteten sich 1945 nach Havelberg. Hildegard Meyke und ihre Mutter kamen nach der traumatischen Flucht aus Gumbinnen zunächst auf der Stadtinsel bei einem Fräulein Bücher zur Miete unter. Die Eltern von Frank Meyke heirateten im Jahre 1947 in Havelberg. Leider entwickelten sich die politischen Verhältnisse so dramatisch in die falsche Richtung, dass die Eltern zum zweiten Mal ihre Flucht planen mussten. Wie viele andere in dieser Zeit flohen sie im Jahre 1955 in den westlichen Teil Deutschlands. Bis zum Mauerbau am 13. August 1961 waren es etwa drei Millionen Menschen, die ihre Heimat aus politischen Gründen verließen. Auch viele Havelberger flüchteten meist heimlich aus ihrer geliebten Stadt und hinterließen ihr gesamtes Hab und Gut. Die meisten wurden mit dem schmerzhaften Verlust ihrer Heimat niemals fertig.
Von der mütterlichen Seite der Familie Meyke war es schon die dritte beziehungsweise vierte Flucht aus politischen oder religiösen Gründen. Als Gumbinnerinnen hatten sie Vorfahren, die in der Geschichtsschreibung als "Salzburger Emigranten" bezeichnet werden. Der preußische König Friedrich Wilhelm I. ( Soldatenkönig ) gab diesen verfolgten Protestanten aus dem Salzburger Land eine neue Heimstatt, nachdem sie in ihrer Heimat ihres Glaubens willen massiv verfolgt und auch getötet wurden. Vorrangig wurden sie in Ostpreußen angesiedelt und dort besonders in der Stadt Gumbinnen. Daher stammen die Großmutter und Mutter von Frank Meyke, die auch noch hugenottische Vorfahren hatten. Auch diese protestantischen Hugenotten mussten aus ihrer Heimat Frankreich aus Glaubensgründen flüchten.
Um das Jahr 1685 flüchteten fast 50 000 Hugenotten nur allein nach Deutschland. Das Land Brandenburg war hier bei der Aufnahme der Verfolgten wieder besonders aufnahmebereit. Diese Toleranz vom regierenden Kurfürsten Friedrich Wilhelm (Grosser Kurfürst) war für damalige Verhältnisse außergewöhnlich. Auch im späteren Preußen wurde für Bedrängte aus allen Ländern viel Toleranz geübt. Der Ausdruck: " Jeder soll nach seiner Fasson selig werden" geht auf Friedrich II. zurück, dessen 300. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern. Für Havelberg ist die Anzahl von zirka 100 Hugenotten, die hier eine Heimstatt fanden, bekannt. Sie erhielten in der Stadtkirche eigene Zeiten zur Ausübung Ihres Gottesdienstes.
Nach der Flucht der Familie Meyke in den Westen Deutschlands ging Frank Meyke in der neuen Heimat zur Schule. Er musste sich neue Freunde suchen, vergaß aber seine alten Freunde aus Havelberg bis heute nicht. Später studierte er Geschichte und englische Sprache. Er legte seine zweite Staatsprüfung für das Lehramt an einem Gymnasium ab und arbeitete von 1976 bis 1977 als Lehrer an einem Gymnasium.
Diplomatischer Dienst in Afrika, Neuseeland und Russland
Nach dem Eintritt in den Auswärtigen Dienst im Jahre 1977 folgten Verwendungen an der Botschaft in Kenia, im Auswärtigen Amt, in der Botschaft Ghana in der Hauptstadt Accra (von 1985 bis 1987 als Ständiger Vertreter des Botschafters) sowie an der Botschaft in Irland. Bei seiner Verwendung in Ghana streifte er auch die Geschichte Havelbergs, indem er auf einer Dienstreise die Festung Großfriedrichsburg - sie wurde einst auch von Havelberger Schiffen angefahren und es gab einen Bezug zum Havelberger Schiffbau - mit zwei deutschen Ingenieuren besuchte, um zu ergründen, inwieweit eine bauliche Erneuerung möglich wäre. Die ermittelten Kosten waren wohl doch zu hoch und ließen das Auswärtige Amt vorerst von einem Engagement zurückschrecken.
Von 1990 bis 1995 war Frank Meyke Leiter eines Referats im Auswärtigen Amt in Bonn. Anschließend war er fünf Jahre Ständiger Vertreter des Botschafters in Neuseeland. Von 2000 bis 2003 arbeitete er als Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Nowosibirsk/Russland. Vom Jahre 2006 bis 2009 war er als deutscher Botschafter in Dhaka (Bangladesch) tätig. Danach übernahm er die Leitung der Botschaft in Lusaka (Sambia). Diese Aufzählungen der dienstlichen Verwendungen als Diplomat sind schon beeindruckend und zeugen von einem hohen Grad der beruflichen Identifizierung im gewählten Beruf.
In der letzten schriftlichen Antwort, die bei mir eintraf, teilte Frank Meyke mit, dass er wohl Ende März vom Auswärtigen Amt erfährt, wohin man ihn Mitte des Jahres versetzt. Es steht also eine weitere interessante Versetzung im diplomatischen Dienst an. Dann weiß er auch, wann er im Sommer in Deutschland sein wird. Diese Zeit will er nutzen, um Havelberg zu besuchen. Darauf freuen wir uns schon sehr, denn so können wir ihm seine schöne Heimatstadt mit seiner unglaublichen Geschichte noch näher bringen.