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Corona Ablenken von der Gastro-Krise

Auch wenn er gerade alles andere als optimistisch ist, will Gastwird Maik Rohrschneider nach vorn blicken. "Es wird ja weitergehen - irgendwann.“

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 06.11.2020, 00:01

Schollene l Dass „irgendwann“ tatsächlich am 1. Dezember ist und er nach dem Ausfall von Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten nun wenigstens das Weihnachtsgeschäft mitnehmen kann, bezweifelt Maik Rohrschneider. Der Wirt der Schollener Gaststätte „Zur Linde“ war froh, dass nach zehn Wochen Schließzeit während des ersten Lockdowns alles wieder gut lief, „auch wenn man den Verlust natürlich nicht wieder ausgleichen kann“. Auch die beiden Gästezimmer waren gut gebucht.

„Und nun das! Ich habe Verständnis für die Anordnungen der Regierung – wenn sie denn wirklich etwas bringen und damit Menschen vor Ansteckung geschützt werden. Aber hier hat sich doch niemand angesteckt. Wir Gastwirte haben alle Vorschriften befolgt, Geld dafür ausgegeben. Was allein das Desinfektionsmittel kostet, ist unglaublich. Vor zwei Wochen habe ich noch freiwillig zwei Luftreiniger angeschafft für 500 Euro. Und nun sind wir Gastronomen wieder gezwungen, Däumchen zu drehen“, würde Maik Rohrschneider, von allen Piets genannt, viel lieber am Herd und hinter der Theke stehen. Er befürchtet, dass er auch all die Weihnachtsfeiern für Dezember aus dem Buch streichen kann. „Ich glaube auch nicht an eine Silvesterfeier. Und wer weiß, wie es im neuen Jahr weitergeht, Corona wird dann nicht vorbei sein.“

Von der versprochenen finanziellen Hilfe des Bundes, dass 75 Prozent des Novemberumsatzes von 2019 gezahlt werden, hat der Schollener Wirt noch nichts gehört, „das wird zwar vollmundig angekündigt, aber nicht, wo und wie wir das beantragen können“. Er weiß, dass die Situation für viele seiner Berufskollegen existenzbedrohend ist. Er selbst ist seit vier Jahren Eigentümer des Gasthauses.

Noch etwas lastet dem 52-Jährigen auf der Seele. Vor kurzem ist sein Kellner, der 30 Jahre in der „Linde“ gearbeitet hat, verstorben. Steffen Treder war mehr als ein Angestellter. „Er hat zu unserer Familie gehört, war quasi das fünfte Kind von meinen Eltern, wir sind wie Geschwister aufgewachsen, schon zusammen in den Kindergarten gegangen. Steffen hat schon bei meinen Eltern Brigitte und Siegfried Rohrschneider, die die Gaststätte seit 1987 führten, gearbeitet. Er war fast jeden Tag hier, hatte ein Auge auf alles, auf ihn konnte ich mich zu 100 Prozent verlassen. Es fällt sehr schwer, auf ihn verzichten zu müssen. Gerade jetzt, wo alles schon nicht so leicht ist.“

Den Kopf in den Sand stecken will Maik Rohrschneider nicht. Den ersten Lockdown hatte er genutzt, um den Gastraum zu modernisieren. „Jetzt mache ich draußen weiter.“ Die Fassade des Hauses, das schon seit über 100 Jahren eine Gaststätte beherbergt, soll in Fachwerkoptik neu gestaltet werden – passend zum rustikalen Ambiente der „Linde“. Auch der Biergarten, im Sommer vor allem von durchradelnden Touristen zum Pausemachen genutzt, gefällt ihm nicht mehr, auch hier gibt es Ideen für die Neugestaltung. „Das alles würde viel mehr Spaß machen, wenn man wüsste, dass wir Corona bald soweit im Griff haben, dass das Leben wieder normal wird.“