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NVA probte Ernstfall - Transport von militärischem Material vom Klietzer Truppenübungsplatz auf die andere Seite des Flusses Eisenbahngeschichte: Für kurze Zeit gab es eine Eisenbahnbrücke über die Elbe bei Neuermark

Von Heinz Mangelsdorf 07.11.2012, 01:14

Sich für die Geschichte seiner Heimat interessierend, ließ sich Heinz Mangelsdorf von alten Eisenbahnern erzählen, wie das damals war mit dem geheimen Bau einer Brücke über die Elbe bei Neuermark-Lübars. Heute zeugen nur noch Gleisreste von der militärischen Aktion.

Neuermark-Lübars l Während einer Dampferfahrt auf der Elbe von Tangermünde nach Storkau plauderte ich mit Reinhard Meyer, einem ehemaligen Eisenbahner aus Jerichow über dies und das, als man vom Oberdeck des Schiffes ganz kurz den Kirchturm von Hohengöhren sehen konnte. Ich geriet ins Schwärmen über mein Heimatdorf mit seiner herrlichen Umgebung. Da erzählte Reinhard Meyer, dass nördlich von Hohengöhren im Waldgebiet der Bahnstrecke Sandau - Schönhausen einmal ein Gleis zur Elbe führte. Meine spontane Erwiderung war: "Niemals! Das müsste ich ja als Einheimischer, der hier in dieser Gegend aufgewachsen ist und jeden Winkel kennt, doch wissen." Der Eisenbahner berichtete weiter, dass Willi Lorenz mit seinem Triebwagen auf einer rund 800 Meter langen Brücke über die Elbe gerollt ist und ein weiterer beladener Zug der NVA den Fluss auf Höhe von Billberge überquert hat.

Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Der Jerichower Eisenbahner Hans Katerbaum bestätigte, dass es diese Geschichte mit einem Gleis bis zur Elbe und darüber tatsächlich gegeben hat. Willi Lorenz schilderte mir dann die Geschichte seiner Triebwagenfahrt am 23. September 1981 über die Elbe folgendermaßen: Das feste Bahngleis mit einer Montagebrücke zur Überquerung der Elbe wurde auf Veranlassung einer Militärübung der ehemaligen Warschauer Vertragsstaaten unter den Bedingungen des "Kalten Krieges" errichtet, um bei einem eventuellen Ausfall der Brücke bei Hämerten das gesamte Armee-Material vom Klietzer Truppenübungsplatz über die Elbe in Richtung Westen transportieren zu können.

Dazu wurde schon im Jahre 1977 im Rahmen einer Bataillonsübung der Eisenbahnbautruppen auf der westlichen Seite der Elbe von Hassel aus ein rund fünf Kilometer langes Gleis bis kurz vor dem Elbabhang verlegt. 1978 begann unter Regie der NVA der Bau des östlichen Zuführungsgleises auf Höhe der Überführung des Schienenstranges Berlin - Oebisfelde in Richtung Sandau. Vom Schönhauser Damm aus wurde eine rund einen Kilometer lange Verbindungskurve zur Nebenstrecke Schönhausen-Sandau mit einer Weicheneinbindung in Richtung Hohengöhren geschaffen. Kurz vor dem Bahnhof Neuermark-Lübars wurde ebenfalls ein Gleisabgang mit einer Weiche in südlicher Richtung mit einem längeren Gleisbereich für Abstellzwecke ausgebaut. Von dort aus zweigte ein 2,4 Kilometer langes Zuführungsgleis durch die Gemarkung von Lübars in Richtung Elbe ab, welches unter teilweiser Nutzung des Nebengleises auf dem Elbdeich endete.

Nun musste nur noch die Elbe selbst mit ihrem Auental auf einer Länge von 820 Metern nördlich in der Nähe von Billberge überbrückt werden. Dazu wurden speziell vorgefertigte und eingelagerte Brückenbauteile mit der Bezeichnung ESB-16 benötigt und aus den umliegenden Zwischenlagern herangefahren.

Drei Tage Bau im September 1981

Vom 22. bis 24. September 1981 wurde in einem einmaligen Einsatz der Eisenbahnbautruppen der größte Brückenschlag einer "temporären Brücke" über die Elbe vorgenommen. Um die Bauzeit zu verkürzen, wurden die 51 Einzelfelder der Brücke von beiden Seiten aus mit einem Vorbaukran SRK-50 über das Vorland und den Fluss montiert. Um gegen Hochwasser gewappnet zu sein, hatten die Gittermaststützen eine Bauhöhe bis zu zwölf Meter.

Als erste Belastungsprobe wurde die fertige Brücke mit einer Diesel-Lok der Baureihe 118 befahren. Danach erfolgte die volle Belastung der Konstruktion mit einem NVA-Normzug, der von einer Dampflok gezogen wurde (siehe Foto).

Diese einmalige Pionierbrücke wurde bis Ende Oktober wieder abgebaut.

Triebwagenführer Willi Lorenz hatte zum damaligen Zeitpunkt die Aufgabe, den gesamten Stab der "Warschauer Vertragsstaaten" zur Übung, die unter Leitung von Armeegeneral Heinz Hoffmann befehligt wurde, in seinem Triebwagen von der westlichen Seite der Elbe abzuholen und über die neugebaute Strecke zur Kommandostelle am östlichen Ufer zu fahren.

Dort stellte sich kurz vor Ankunft des elitären Stabes ein schwerwiegender Fehler der Manövermacher heraus. Auf der östlichen Seite der Elbe war gar kein Führerbunker vorhanden. In größter Eile wurde aus der Region um Klietz eine Truppe ziviler Kräfte organisiert, die in Handarbeit mit Schaufel und Spaten aus Schwellen und Erdreich einen Unterkunftsraum herstellen mussten. Schon kurz vor dessen Fertigstellung erschien schon der Tross mit seinem Armeegeneral und die Bunkerbauer mussten hinter einem bewachsenen Berg in Deckung gehen, damit die Arbeiter nicht bemerkt werden konnten. So verlief diese Aktion letztendlich planmäßig und zur vollsten Zufriedenheit der Manöverführung.

Waggons standen auf dem Abstellgleis

Nach Darstellung von Willi Lorenz wurde noch ein weiterer Güterzug auf diesem Wege über die Elbe geleitet. Für weitere Zwecke wurde diese Gleisanlage nicht mehr genutzt. Der Bau und die Führung eines Gleises über die Elbe war eine einmalige Manöveraktion. Von einigen Bürgern aus Neuermark wurde in diesem Zusammenhang noch geschildert, dass längere Zeit auf dem Abstellgleis in Richtung Elbe des öfteren leere Waggons von der ehemaligen Deutschen Reichsbahn abgestellt wurden.

Die Aktion war eine geheime Unternehmung der DDR-Regierung in den 80-er Jahren, als die Warschauer Vertragsstaaten noch ihre Stärke gegenüber dem Nato-Bündnis präsentieren wollten. Diese Nebengleisstrecke wurde danach mit der Aufgabe der Strecke nach Sandau abgebrochen. Heute sind nur noch Reste der ehemaligen Gleistrasse zu erkennen.