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Flutausstellung Exponate wecken Erinnerungen

Vier Jahre dauerte das Forschungsprojekt der Freien Universität zur Flutkatastrophe. Eine Ausstellung in Schönhausen präsentiert nun die Ergebnisse.

Von Ingo Freihorst 15.07.2018, 18:00

Schönhausen l In fast 260 Haushalten der Region fanden Befragungen statt, etwa 300 Fragebögen waren auszuwerten, 35 Betroffene wurden interviewt. Anonymisierte Auskünfte, Diagramme, viele zumeist private Fotos und auch eine Hörstation sind bis zum 15. September im Dachgeschoss über der Schönhauser Touristinfo zu sehen.

Begleitet hatten das Projekt seit Anbeginn Cordula Dittmer und Daniel Lorenz von der Katastrophen- forschungsstelle der FU. Sie verlasen Zeitzeugenberichte von verschiedenen Katastrophen, nämlich von 1845 und von 2013. Das Frappierende: Man konnte kaum Unterschiede erkennen.

Im April 1845 herrschte allerdings Mangel an Lebensmitteln, während man im Juni 2013 volle – aber stromlose – Kühltruhen und allerhand Obst in den Gärten hatte. Gleich war das Gebrüll der Kühe, gleich war die Hilflosigkeit angesichts des entfesselten Elements. Die Menschen verschmolzen zu einer Notgemeinschaft – die individuellen Erfahrungen verarbeitet die Ausstellung im Gärtnerhaus.

Was Betroffene durchlitten hatten, darüber berichtete Verena Primus. Sie hatte in einem Buch persönliche Berichte für die Nachwelt festgehalten. Wie von dem Paar, das gerade erst einen Bungalow für die Mutter errichtet hatte, welcher ein halbes Jahr später vernichtet wurde. Oder vom Bäcker, der in einem privaten Backofen seine leckeren Flutbrote backte. Oder dem Landwirt, der nicht wusste, wohin mit seinen Kühen. Viele mussten später notgeschlachtet werden, weil sie durch den Stress krank wurden – eine Entschädigung gab es aber nur für ertrunkene Kühe ...

In Schönhausen hatte sich eine Notgemeinschaft gebildet, man wollte schließlich sein Eigentum schützen, Landwirte konnten ohnehin nicht weg. Das war das Positive an jener schlimmen Zeit: die große Solidarität und Hilfsbereitschaft.

Gastgeberin Andreas Hopp von der Bismarck-Stiftung erinnerte sich daran, als sie Schönhausen erstmals nach der Katastrophe wiedersah: „Das Ausmaß der Zerstörung war unfassbar und immens, für den Wiederaufbau war enorme Kraft gefordert.“ Die Schönhauser waren mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und evakuiert worden. Manche standen danach vor den Trümmern ihrer Existenz.

Für den Landkreis sei es seine bis dato größte Katastrophe gewesen, erklärte Beigeordneter Sebastian Stoll. Zur Vorbeugung gegen die leider immer mehr um sich greifende „Flut-Demenz“ gibt es die alljähr­liche Hochwasserkonferenz am Jahrestag des Deichbruchs.

Dass Extreme infolge der Klimaerwärmung zunehmen, zeigt sich derzeit: Lag der Elbpegel Tangermünde am 10. Juni 2013 bei 8,38 Metern, hat er nur noch 1,17 Meter.