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Forstwirtschaft Klimawandel drückt die Holzpreise

Dürre und Hitze machten in den vergangenen beiden Jahren nicht nur vielen Menschen zu schaffen, sondern vor allem auch den Bäumen.

Von Ingo Freihorst 15.03.2020, 14:00

Schönhausen l Um etwa 30 bis 60 Prozent waren die Holzpreise im letzten Jahr im Vergleich zu 2018 wegen der vielen Kalamitäten – so werden die Forstschäden bezeichnet – eingebrochen. „Es war einfach zu viel Holz im Angebot“, begründete Steffen Northe, Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) „Elb-Havel-Winkel“, auf der Mitgliederversammlung am Freitag in Schönhausen den massiven Preisverfall.

Dagegen waren die Jahre 2015 bis 2017 richtig gute Jahre für alle Waldbauern gewesen. Nach den Fällarbeiten hatten die Bestände mehr Luft, Hitze und Dürre der beiden letzten Jahren setzten vor allem dichten Waldbeständen zu. Der Trockenstress macht die Bäume anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer oder Pilze, auch gesunde Bestände werden davon angesteckt. Vor allem im Südbereich der FBG um Genthin herum sind die Schäden massiv, 28 Hektar wurden kahlgeschlagen. Denn hier gab es bereits im relativ nassen 2017 weit weniger Niederschläge als anderswo.

Neben Dürre und Hitze kamen auch noch diverse Sturmschäden hinzu. Die gewaltige Schwemme von so geschädigtem Holz führte zum Preisverfall. Hauptabnehmer ist in der Region der Mercer-Gruppe, welche das Zellstoffwerk nahe Arneburg betreibt.

Eine weitere Folge der Kalamitäten ist, dass die Harvester der beiden in der Region tätigen Firmen nicht mehr zur Ruhe kommen. Denn das Schadholz muss alsbald raus aus dem Wald, damit nicht auch noch die Nachbarbäume befallen werden.

Der Klimawandel zwingt die Waldbesitzer zum Umdenken. Die Extreme werden weiter zunehmen, auch der milde Winter war ideal für Schadinsekten. Die abgeholzten Bestände müssen wieder aufgebaut werden – doch mit welchen Arten? „Das ist wie ein Blick in die Glaskugel“, verglich Steffen Northe.

Dabei befinde man sich hier schon mit auf den trockensten Standorten Deutschlands. Weshalb die Kiefer weiterhin dominieren wird, aber Laubbäume dazwischen wohl unerlässlich werden. Die von Bund und Land geforderte Selbstüberlassung des Waldes sei aber das falsche Signal, meinte der Redner.

Pro Hektar zahlen die etwa 300 Mitglieder der FBG einen Beitrag von 16,60 Euro, welcher mit 13 Euro Förderung vom Land aufgestockt wird. Die Förderung wurde jetzt allerdings geändert, gefördert werden nunmehr zehn Prozent der Mitgliedsfläche. Die vom Land gezahlte Fördersumme blieb aber dennoch in etwa gleich. Weshalb auch die Beitragshöhe erst mal unverändert bleibt.

Trotz diverser Austritte besitzt die FBG mit derzeit 1560 Hektar Wald nur einen Hektar weniger als im vorherigen Berichtszeitraum, denn es gab auch viele Eintritte. So stieß im Vorjahr die FBG Nielebock hinzu, auch gab es eine Anfrage einer weiteren Nachbar-FBG.

Eigentlich war im April eine Waldbegehung geplant, wobei eine Kahlschlagsfläche besichtigt werden sollte. Doch ist wegen der Corona-Krise, wegen der auch die Versammlung auf der Kippe gestanden hatte, dieser Termin noch ungewiss.

Steffen Northe dankte den beiden Kassenprüfern, welche in diesem Jahr weit mehr Arbeit gehabt hatten. So mussten sie an zwei Tagen ihre Arbeit verrichten, zudem stieß noch eine weitere Helferin hinzu.

Wilfried Jahns informierte beim Verlesen der Protokolle, dass im kommenden Jahr die Kosten für die Betreuung durch das Genthiner Forstamt steigen werden. Kassiererin Christine Düsterhöft wies in ihrem Bericht zudem darauf hin, beim Überweisen der Beiträge die Rechnungsnummer nicht zu vergessen.

Die beiden südlichen Reviere Havemark und Jerichow stellte anschließend Revierförster Steffen Lieder vor. Er betreut in seinem 7807 Hektar großem Revier Havemark 924 Hektar Wald von FBG-Mitgliedern, im 8663 Hektar umfassenden Nachbarrevier Jerichow sind es 508 Hektar.

Diese Reviere waren es auch, welche besonders von den Kalamitäten betroffen waren. Laut Schadensregister wüteten im Jahr 2017 die Stürme Paul, Xavier und Herwart, im Januar 2018 folgte Frederike und im Vorjahr die Sturmtiefs Eberhard und Franz. Zudem setzten in den beiden letzten Jahren extreme Hitze und Trockenheit den durch die Stürme schon genug geschädigten Wäldern zu.

Fielen im langjährigen Mittel 570 Millimeter Niederschlag, waren es zum Beispiel 2019 nur 390 Millimeter. Dazu knackten die Temperaturen einen Hitzerekord nach dem anderen. Wind erhöhte die Verdunstung und damit die Brandgefahr.

Für die Bäume sei dies der pure Stress, denn ihre Wurzeln gelangten nicht mehr ans Grundwasser. Das wiederum machte die Pflanzen anfällig für Schädlinge wie den Borken- oder den Kiefernprachtkäfer sowie den Diplodia-Pilz. Die Folge waren landesweit exorbitant hohe Absterberaten.

Zählte man in den Jahren zuvor in den beiden Revieren jeweils nur wenige Festmeter Schadholz, summierte sich dies in 2019 im Revier Jerichow explosionsartig auf immerhin 17 000 Festmeter, in Havemarker Revier waren es mit 15 250 Festmeter auch nicht viel weniger. Es gab mächtige Probleme, genug Firmen zur Aufarbeitung des enormen Schadholzanfalles zu finden. In den Revieren Klietz und Havelberg fielen in dem Jahr hingegen lediglich um die 2000 Festmeter Schadholz an.

Als Gründe für die enormen Kalamitäten nannte der Förster den nahen Fiener, ein riesiges Waldgebiet und dass nur Zweidrittel der üblichen Niederschläge in den letzten beiden Jahren gefallen waren. Im Nordgebiet der FBG liege man näher an der Elbe, dort sei das Grundwasser entsprechend höher. Die in den Kiefern wachsenden Misteln seien für ihn der Inbegriff des Absterbens – und das einzige Grün im Baum, erklärte der Förster. „Es ist ein Trauerspiel!“ Hinzu komme der Blaue Kiefernprachtkäfer, welcher den bereits geschwächten Bäumen den Todesstoß versetzt. Er kann nur manuell bekämpft werden.

Das Schadholz muss so rasch als möglich aus dem Wald, sonst wird es vom Bläuepilz befallen und kann dann nicht mehr gewinnbringend vermarktet werden. Die FBG verkauft größere Mengen als ein einzelner Waldbesitzer und kann so bessere Preise erzielen.

Die Mitgliedschaft in der FBG rechne sich auch mit Blick auf die Waldbrandversicherung, ergänzte Peter Sültmann, der Leiter des Genthiner Betreuungsforstamtes. Das Gros der Waldbesitzer ist ohne forstliche Betreuung, eine Försterstunde kostet diese 57 Euro.

Oft bleiben Waldbauern trotz Schäden untätig, was in der Diskussion auch zur Sprache kam. Hier kam der Hinweis auf ein Waldstück an der Bundesstraße gegenüber vom Wuster Damm, wo es verheerend aussehe. Der Besitzer wohnt allerdings weit weg...

Das Genthiner Forstamt arbeitet personell am Limit. Früher gab es acht Revierförster, nach dem Ausscheiden wurden etliche Stellen nicht neu besetzt, die Reviere immer größer. Jetzt ist kein Förster mehr zu finden. So können auch bei Waldbrandwarnstufe 5 nur zwei Förster ihren Dienst verrichten, darunter auch der Forstamtsleiter, der eigentlich dafür gar nicht zuständig ist.

„Die Kiefer bleibt in unserer Region der Brotbaum“, erklärte der Amtsleiter. Gute Ergebnisse erzielte man zudem mit Naturverjüngung, wobei der Boden aber für die Samen vorbereitet werden muss. Junge Eichen müssen vor Verbiss geschützt werden, denn die riesigen Rotwildrudel fressen alles kahl – wie im Havelberger Stadtwald.