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Heimatgeschichte Raubritter suchten Wulkau oft heim

Über die Anfänge der Besiedlung von Wulkau berichtete Historiker Günter Tuchow bei einem Treff der Volkssolidarität.

Von Ingo Freihorst 16.09.2017, 01:01

Wulkau l Warum wurde die Wulkauer Kirche wohl außerhalb der Bebauung errichtet und steht wie in anderen Orten nicht mitten im Dorf? Eine Kirche wird mit der Achse in Ost-West-Richtung errichtet, wozu eine größere Lücke in der Bebauung nötig wäre. Wahrscheinlich sei die Ortsdurchfahrt von Wulkau damals schon bebaut gewesen, so dass die Kirche in die zweite Reihe rücken musste, mutmaßte der studierte Historiker. Die ersten Ansiedlungen könnte es an den beiden Tümpeln im Ort gegeben haben.

Ein Forscher aus dem Jerichower Land datierte den Bau der Kirche ins erste Drittel des 14. Jahrhunderts. Das könnte stimmen, vermutete Günter Tuchow und bemühte dazu die Geschichte: Der askanische Markgraf Waldemar, seit 1308 alleiniger Herrscher über die Mark Brandenburg, war 1319 verstorben. Seine Witwe Agnes bekam Teile der Altmark sowie das Ländchen Kamern und das Amt Sandau. Sie ließ 1322 die Sandauer Stadtmauer errichten und könnte auch den Bau der Wulkauer Kirche als „Entwicklungshilfe“ in Auftrag gegeben haben.

Der Ortsname selbst stammt aus dem Slawischen, denn die aus dem Osten eingesickerten Slawen besiedelten einst auch das Elb-Havel-Land. Dort bedeutet es soviel wie Wolf. In der dünn besiedelten Region dominierten damals noch lockere Eichenmischwälder, in tieferen Lagen befanden sich Moore. Der Trübenbruch war noch nicht trockengelegt und die Ortsverbindungen verliefen anders – so führte der alte Sandauer Weg gen Norden.

Um 1300 existierte in der Nähe auch der Ort „Glewe am See“, wohl auch slawischen Ursprungs. Der Name steht für Viehstall, was im Wolfsgebiet durchaus Sinn macht. Wichtigste Leistungsträger im mittelalterlichen Wulkau waren die zehn Hüfner, später Ackerleute genannt. Sie bekamen etwa je um die 30 Hektar Land zugewiesen sowie Nutzungsrechte an Wald und Wiesen, welche sich im Eigentum des Dorfes befanden. Dafür mussten sie Spannpferde vorhalten und damit Spann- und Fuhrdienste für das Amt leisten. Auch Abgaben waren zu leisten, zumeist in Naturalien.

Die heutige Friedensstraße ist etwas breiter als andere Straßen, hier hindurch wurde das Vieh auf die Weide getrieben. Solch Weg hieß „Trift“.

Niedriger in der Dorfhierarchie standen die 20 Kossaten, sie besaßen lediglich soviel Land, um ihren Eigenbedarf zu decken. Sie bearbeiteten ihr Land mit dem Spannvieh der Hüfner, mussten auch diesen bei der Arbeit zur Hand gehen. Aus den Kossäten entwickelten sich später auch Spezialisten, in Wulkau waren dies unter anderem Stellmacher.

Die Ackerleute wohnten gegenüber der Kirche, zeigte Günter Tuchow auf einer Tafel. Neben dem Gotteshaus befanden sich die Gebäude von Pfarrer und Küster, auf einer Seite wohnten auch Ackerleute. An den anderen Stellen siedelten die Kossaten.

Das Elb-Havel-Land bis nach Sandau wurde 1354 dem Erzbistum Magdeburg zugesprochen, der Erzbischof war zugleich weltlicher Herrscher. Der aus Stendal stammende Dietrich Kagelwit wurde 1361 Erzbischof, er vollendete nach 150 Jahren endlich den Dombau. 1367 sollten in Sandau ein neues Schloss sowie ein Hospital errichtet werden, für den Unterhalt des Letzteren sollten Wulkauer Bauern Abgaben in Form von 80 Scheffel Getreide leisten. Der Vertrag gilt als erste urkundliche Erwähnung von Wulkau. Die Abgaben brauchten die Hüfner übrigens nie leisten, denn Dietrich verstarb kurz danach.

Das 14. Jahrhundert brachte viele Katastrophen. 1315/16 gab es extreme Niederschläge, denen Hungersnöte folgten. In den 1340er Jahren folgten kalte Winter und kühle Sommer. Hinzu kamen etliche Überschwemmungen, wobei die Elbe nahe Jerichow sogar ihr Bett wechselte. Die extremste war 1342. Kurz danach grassierte die Pest, wobei ganze Landstriche entvölkerten. Etliche Orte fielen wüst – wie Glewe.

Raubritter aus der Prignitz suchten Anfang des 15. Jahrhunderts Wulkau gleich mehrfach heim. Sie erhoben Ansprüche gegen den Magdeburger Erzbischof, weil Sandau befestigt war, hielt man sich in Wulkau schadlos. Es wurden 72 Gebäude verbrannt sowie 62 Pferde, 180 Kühe und 480 Schafe fortgetrieben.