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Krakower "Wowa" Brodecki begab sich erneut auf den Spuren seines Vaters Kavallerie-Major salutiert am polnischen Ehrenmal

Von Ingo Freihorst 13.08.2011, 06:29

Auf den Spuren seines Vaters wandelte der Pole Wlodzimierz "Wowa" Brodecki am Mittwoch in Sandau: Dieser hatte am 4. Mai 1945 die Elbestadt als Angehöriger der 1. Polnischen Armee von den Faschisten befreit.

Sandau. Hoch zu Ross kam der Pole zum Denkmal für die Soldaten der 1. Polnischen Armee geritten. Er hatte eine Majors-Uniform der "Armia Ludowa" an, der einstigen polnischen Volksarmee. Der Krakower ist Mitglied im Traditions-Kavallerie-Schwadron seiner Heimatstadt und wurde dort 2002 zum Major befördert.

Im September des Jahres 1975 war er erstmals in der Elb-Havel-Region, am 27. April - zum 30. Jahrestag des Kriegsendes - war das Denkmal in Sandau unter großem Pomp eingeweiht worden. Den Weg von Chelm nach Sandau und zurück hatte er auf dem Pferderücken zurückgelegt - es sollte nicht sein einziger Ritt durch Europa bleiben.

Die Routen, die ihn zu Pferde quer durch mehrere Länder bis nach Italien, Spanien und Frankreich führten, folgten den einstigen Kampfwegen der polnischen Armee. Dazu muss man wissen, dass im Zweiten Weltkrieg zwei polnische Armeen kämpften - die bürgerliche Armee der Exilregierung in London, Heimatarmee genannt, und die Volksarmee zusammen mit der Roten Armee. Letztere wurde von den Sowjets aus kommunistischen Widerstandskämpfern rekrutiert.

Die Ritte führten den Polen unter anderem im Jahr 1984 nach Monte Cassino, wo das 2. Korps der Heimatarmee am 12. Mai 1944 nach verlustreicher monatelanger Belagerung den Befehl erhalten hatte, die von deutschen Fallschirmjägern gehaltene Klosterruine zu stürmen. Weitere Stationen des einsamen Reiters waren Paris, Rom, das italienische Bologna, die Ardennen und die Normandie. Bis zu 4500 Kilometer kamen bei einer Tour zusammen - und das alles auf dem Pferderücken.

Bei seinem zweiten Ausritt 1975 war Wowa Brodecki den Weg der 1. Warschauer Kavalleriebrigade, in der sein Vater gedient hatte, nachgeritten. Alle Stationen sind in einer Art Fahrtenbuch verzeichnet, mit Grußworten der Gastgeber, aber auch Postkarten und Fotos. So schrieb die Damerower LPG "Frohes Leben" am 22. September 1975: "Wir waren sehr überrascht, dass ein junger Mensch noch so viel Energie aufbringt, in unserer Republik so auf Wanderschaft zu gehen." Übernachtet hatte der Reiter dort bei der Familie von Michael Bauer.

Beim jetzigen Besuch der Elbestadt traf der 69-jährige Pole, der diesmal zusammen mit seiner Frau angereist war, auf einen guten alten Bekannten - Ingo Zepernick. Beide hatten sich 1975 beim ersten Abstecher an die Elbe kennengelernt. Auch diesmal ließ es sich der Pole, der als Schauspieler am Theater arbeitet, nicht nehmen, zum Denkmal zu reiten, das Pferd lieh ihm der Reiterhof Hamann.

Ingo Zepernick kann etwas Polnisch, er war als GST-Ausbilder zweimal zwei Wochen auf dem polnischen Flugplatz in Posen gewesen. Der polnischen Ärztin in Sandau hatte er von seinem Bekannten in Krakow berichtet, diese hatte die Kontakte am Telefon als Dolmetscherin aufrecht erhalten. Wlodzimierz Brodecki war selbst nie bei der Kavallerie gewesen, er hatte als Sanitäter bei den Streitkräften gedient.

Ein Blick zurück in die letzten Kriegstage: Die Hauptverbände der Polen hatten im Morgengrauen des 3. Mai das Ostufer der Havel erreicht und begannen überzusetzen. Zwei Regimenter der 6. polnischen Panzerdivision kämpften im Nordabschnitt, sie sollten die Gabelungen von Elbe und Havel vom Feind säubern und Sandau einnehmen. Die Linie Jederitz-Wulkau wurde am Abend nach schweren Kämpfen eingenommen, wobei die Infanterie von Fliegern unterstützt wurde. Die Flugzeuge griffen Neukamern und Jederitz sowie die umliegenden Wälder an, es fielen Bomben.

Am Morgen des 4. Mai erreichte das 18. Regiment der 6. polnischen Panzerdivision die Elbe südlich von Sandau. Östlich davon stieß das 16. Regiment jedoch auf starken Widerstand. Erobert wurde Sandau schließlich mit Hilfe sowjetischer Verbände der 212. Division des 80. Korps der 61. Armee, die aus Havelberg kommend vorstießen. Sandau war nun "feindfreies Gebiet". Hier endete der Einsatz der polnischen Armee, am 8. Mai kapitulierte Deutschland.

Ein erstes Denkmal wurde den polnischen Befreiern zum 20. Jahrestag 1965 errichtet, initiiert hatte den Bau Erich Klamm. Ingo Zepernicks Mutter Emmi war damals stellvertretende Bürgermeisterin, er stellte das Foto zur Verfügung. 1975, zum 40. Jahrestag, wurde das jetzige Monument errichtet. Das alte Denkmal stand danach noch lange an der Einfahrt zum Wulkauer Weg, bis es eines Tages verschwand.