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Wo Eberhard Cohrs Auto einen Kratzer bekam und Meister Nadelöhr angeheitert von der Bühne geleitet wurde Mühlenholz: Zur Bühne gibt\'s viele Geschichten

Von Wolfgang Masur 20.10.2012, 01:13

Konzerte, Theater, Freilichtkino und anderes mehr - die Bühne im Mühlenholz würde dafür eine wunderbare Kulisse bieten. Das Kulturprojekt Stadtinsel möchte sie deshalb wieder zum Leben erwecken. Wie beliebt die Bühne einst war, zeigt ein Blick in die Geschichte.

Havelberg l Trist und verlassen, auch etwas zerstört, ist die Freilichtbühne auf dem einst zum Pferdemarkt gehörenden sehr belebten Festplatz, unter den über hundert Jahre alten Eichen, zu finden. Dabei war sie vor einigen Jahrzehnten ein beliebter Anlaufpunkt für Tausende Pferdemarktbesucher. Die Geschichte des Havelberger Pferdemarktes ist lang. Das immer größer werdende Spektakel, das auch die Bezeichnung Heiratsmarkt trug, hatte viele Standorte. Von der historischen Altstadt aus vergrößerte der Markt sich in Richtung Lehmkuhle und an die frühere "Concordia" Am Camps. Seit dem 1. September 1963 wurde der Große Markt, wie er dann zu DDR-Zeiten hieß, in das Festgelände Mühlenholz verlegt.

Die kulturellen Angebote zum größten Volksfest in der Region hatten einen hohen Stellenwert und die Veranstaltungen auf der Bühne wurden in der Volksstimme sehr zeitig angekündigt. Es war die Zeit, in der man sich nicht so wie heute am Riesenrad traf, sondern an der "Haifischbar". Diese war, neben einigen anderen Versorgungszelten, ebenfalls auf dem Festplatz an der Bühne zu finden und lockte zum Beispiel mit Sekt mit Ananas.

Kreiserntefeste fanden zum Großen Markt statt

1967 lud die Produktionsleitung des Kreislandwirtschaftsrates Havelberg im Rahmen des Markttreibens zu einem Kreiserntefest ein. Diese Kreiserntefeste wurden oft mit dem Großen Markt zusammengelegt. Sie begannen mit einem Festumzug durch das Stadtgebiet und endeten dann auf dem Festgelände Mühlenholz. An der Bühne gab es eine Festansprache vom Vorsitzenden des Kreislandwirtschaftsrates. Anschließend wurden hier Auszeichnungen und Prämierungen der besten Genossenschaften im Komplexwettbewerb sowie der besten Kooperationsgemeinschaften in der Getreideernte und weitere kollektive und Einzelleistungen vorgenommen. Daran können sich heute bestimmt noch zahlreiche ältere ehemalige Mitarbeiter in der Landwirtschaft erinnern.

Erinnern können sich aber auch die Musikliebhaber an die vielen Konzerte und Schlagersänger, die es auf der Bühne zu sehen und zu hören gab. Ebenfalls im Jahr 1967 wurde unter dem Motto "Der Schlager des Marktes" "Cohrs Lachkabinett" mit Eberhard Cohrs, Bobby Bölke und weiteren durch Funk und Fernsehen bekannten Künstlern auf der Freilichtbühne angekündigt. Daran kann sich der Sandauer Kurt Rehfeld, der bei der Abteilung Kultur des Rates des Kreises tätig war, noch gut erinnern.

"Eberhard Cohrs hatte sein Auto unter einer alten Eiche, in der Nähe der Bühne, abgestellt und ein dicker Ast ist auf das Auto gefallen. Da hat er ganz schön getobt. Das Mühlenholz ist ja auch für seine Mücken bekannt und in einem Jahr war es mal besonders schlimm. Da hat dann die Schädlingsbekämpfung über die Köpfe der Zuschauer, die an der Bühne saßen, das Bekämpfungsmittel gespritzt. Die waren natürlich sehr empört", erzählt Kurt Rehfeld.

Die Havelberger Frauen-Singegruppe und der gemischte Chor, Künstler vom Theater der Altmark Stendal und Volkskunstgruppen aus der Domstadt gehörten zu denen, die auf der Bühne im Mühlenholz standen. Aber auch Modenschauen, Jugendkonzerte und vieles anderes, was man auf einer Bühne zeigen kann, erfüllte das Leben unter den hundertjährigen Eichen. Die Bühne war zu DDR-Zeiten so stark belegt, dass andere Musikformationen, wie etwa die Jagdhornbläser und auch die Bläsergruppe aus Söllenthin, neben der Bühne ihren Auftritt hatten. Zum Großen Markt 1971 konnte man Folgendes in der Havelberger Volksstimme lesen: "Die Veranstaltungen wurden zu einem guten Erfolg durchgeführt. Einen wichtigen Beitrag zur engeren Verbindung mit den NVA-Angehörigen unserer Garnison leistete die Stabsmusikkapelle der Landstreitkräfte Neubrandenburg mit ihrem künstlerisch wertvollen Programm, welches sich als echte Bereicherung der Kulturveranstaltungen erwies. Mit der Karin-Maria-Show hat die Konzert- und Gastspieldirektion ein Spitzenprogramm vorgeführt, welches sehr guten Anklang bei den Marktbesuchern fand. Das Blaskonzert der Kapelle aus Söllenthin, die Modenschau des Handels und die Tanzveranstaltungen an der Bühne hatten ein gutes Niveau. Hervorzuheben ist noch der Auftritt der Kosmonauten der Hochartistik mit ihrer gekonnten Luftsensationsschau."

Viele ruhten sich auf dem Platz mit Bühne und Haifischbar aus

Zwei Jahre später hieß es dann an der Bühne: "Mit Meister Nadelöhr in acht Minuten um die Erde." Mit dabei waren auch Herr Fuchs, Pittiplatsch und Bummi. Für Meister Nadelöhr, bekannt aus dem DDR-Fernsehen, hat die Acht-Minuten-Reise um die Erde auch gereicht, denn er hatte vermutlich zuvor im Gasthaus Mühlenholz die deutsch-sowjetische Freundschaft mit etwas zu viel Wodka Lunikoff gefeiert. Über 2500 Zuschauer erlebten den "angeheiterten" kleinen Schneidermeister und Liebling aller Kinder, wie er von der Bühne geleitet wurde. Es gibt unzählige Geschichten zu der Bühne im Mühlenholz zu erzählen.

Ende der 1970er Jahre wurde von einer Lehrbrigade, die unter der Leitung des Lehrobermeisters Manfred Lindemann stand, ein Anbau an den hinteren Bühnenbereich geschaffen. Wasser und Strom wurden verlegt und so Umkleidemöglichkeiten für die Künstler geschaffen. Durch die "Haifischbar" und die anderen Versorgungszelte sowie die zahlreichen Bänke, die dort aufgestellt waren, war der Festplatz an der Bühne auch eine gute Gelegenheit, sich vom Markttreiben auszuruhen.

So ähnlich könnte es eventuell mithilfe des Kulturprojektes wieder an der Bühne werden. Und das nicht nur zur Marktzeit, denn kulturelle Veranstaltungen könnte man das ganze Jahr über präsentieren. Der Schauspieler Tibor Taylor aus Berlin will sich für die Belebung der alten Bühne stark machen. "Das gesamte Objekt hier unter diesen großen Eichen bildet eine wunderbare Kulisse für Aufführungen aller Art", schwärmt er.