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Naturschutz Totholz lockt Insekten und Fledermäuse an

Corona zwang die Fledermaus-Experten, ihr Abendseglercamp zu verlegen. Statt bei Müggenbusch trafen sie sich in Kamern im Grünen Haus.

Von Ingo Freihorst 30.07.2020, 19:23

Kamern l Gierig saugt die kleine Mückenfledermaus Wasser aus der Pipette, welche ihr Edda Kreidelmeyer vor den Mund hält. Danach wird gefüttert, es gibt Mehlwürmer, welche zuvor mit Vitaminen gemästet wurden. „Das damals 2,5 Gramm schwere Fledermausmännchen wurde vor einer Woche bei mir abgegeben“, berichtet die Frau aus dem schleswig-holsteinischen Eutin. Dank der guten Pflege hat der Findling sein Gewicht mit 4,6 Gramm fast verdoppelt und kann bald ausgesetzt werden – dann ernährt er sich selbst.

Die Flugkünste des jungen Säugetieres kann der Experte unter einem Moskitonetz testen – man muss es dann nur rasch wieder einfangen. Eine weitere Frau in der Runde der 21 Fachleute hatte zwei Zwergfledermäuse in Pflege, sie wurden mit jungen Heimchen gefüttert. Auch der Sandauer Peter Busse als Gastgeber der alljährlich beim „Abendsegler-Camp“ zusammen kommenden Runde hatte schon Pfleglinge groß gezogen.

Gecampt wurde in diesem Jahr wegen Corona erstmals nicht, untergebracht waren die Experten aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in den Zimmern des Grünen Hauses. Es war übrigens ein Wiedersehen: Hier hatten sie vor sieben Jahren nach der schlimmen Überschwemmung beim Aufräumen geholfen, statt sich auf Fledermaus-Exkursion zu begeben. Die Kästen mit den Wochenstuben wurden damals nur nebenbei kontrolliert.

Zwei Nächte haben die Experten, um die Wochenstuben der Fledermäuse zu kontrollieren – weshalb das Treffen immer Mitte Juli stattfindet. Die erste Nacht wurde im Kümmernitzer Wald ausgeschwärmt, bis Mitternacht wurde die Flattertiere abgefangen. „Dort gibt es ein großes Artenspektrum“, berichtetet Peter Busse. Dieses Jahr war es allerdings etwas geringer als üblich. 87 Tiere wurden in den von Peter Busse entworfenen Hochnetzen abgefangen, zumeist Mücken- und Breitflügelfledermäuse sowie einige Zwerg-, Rauhaut-, Fransen- und Wasserfledermäuse. Ins Netz ging aber auch die sehr seltene Teichfledermaus. Abgefangen wurden zudem einige Große Bartfledermäuse sowie Große Abendsegler, nach denen das Camp benannt wurde. Gefangen wurde auch ein Kleiner Abendsegler. Vermisst wurde im Kümmernitzer Wald dieses Jahr die Mopsfledermaus.

Zudem wurden im Sandauer und im Havelberger Stadtforst Kästen kontrolliert, berichtete Peter Busse weiter. „Dieses Jahr ist ein sehr gutes Fledermaus-Jahr“, erklärte er. Die Tiere wiesen gute Gewichte auf, was auf ein ausreichendes Insektenangebot schließen lässt. Zwar waren die Jungen teilweise noch nicht so gut entwickelt wie üblich, doch lag das am recht kühlen Frühjahr. Dann nämlich setzt die Eireife bei den Weibchen erst später ein.

Im Wald zwischen Kamern und Neukamern flog den Naturschützern neben etwa 120 weiteren Flattertieren auch endlich eine Mopsfledermaus ins Hochnetz. Hier wurden auch etliche Kleine Abendsegler gefangen – wie Peter Busse es erhofft hatte. Überhaupt war 2020 das Jahr des Kleinen Abendseglers: Fing man zuvor immer nur sehr wenige, waren es dieses Jahr immerhin 56 Tiere. Das kommt davon, da es in den Wäldern um Kamern wegen der Überflutung von 2013 viel Totholz gibt. Das lockt Bockkäfer an, von denen sich Abendsegler und Breitflügelfledermäuse ernähren.

Insgesamt wurden 996 Tiere begutachtet, eine enorme Zahl. Viele wurden beringt, was nur der darf, wer bei der Fledermaus-Zentrale eine Prüfung abgelegt hat – dies erfolgt wegen des Artenreichtums oft auch in Sachsen-Anhalt. Jungtiere können noch nicht beringt werden – sondern erst, wenn ihr Unterarmknochen ausgewachsen ist. Um Doppelungen zu vermeiden, werden jene Tiere, welche nicht beringt wurden, mit Nagellack an der Daumenkralle markiert.