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Saissonstart Traktoren rollen wieder auf dem Acker

Nach dem „Winter“ ziehen die Traktoren ihre Kreise, düngen und bestellen. Trotz aller Sorgen sitzen die Bauern optimistisch hinterm Lenkrad.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 17.03.2020, 16:32

Schönhausen l  Die Last, die sie mit sich ziehen, wiegt schwer: Immer mehr Vorordnungen, Verbote, Reglementierungen – übergestülpt von der Politik. Dazu zwei Dürrejahre.

„Das erste Mal, seit ich hier in Schönhausen wirtschafte, musste ich jetzt Futter zukaufen, weil es nicht für unsere rund 100 Milchkühe gereicht hätte.“ Bernd Bleis und seine Frau Barbara gehören seit 1991 zur Schönhauser Dorfgemeinschaft. Neben der örtlichen GbR betreiben sie zusammen mit Steffen und Dieter Northe aus Fischbeck und mit Niels Wrogemann, der seit 2008 in Schönhausen als Landwirt im Ackerbau tätig ist, die Klosterdomäne in Jerichow. Bernd Bleis und Niels Wrogemann berichten im Volksstimme-Gespräch, mit welchen Gedanken sie jetzt, mit zwei Wochen Verzug wegen der vom Regen zu nassen Äcker, in das neue Erntejahr starten.

Das vorab und über allen Sorgen stehend: Mit Freude! Mit Zuversicht! Mit Bereitschaft, für ihre Rechte zu kämpfen und auf sich aufmerksam zu machen! Und voller Hoffnung, dass nach den zwei Dürrejahren die Wasserspeicher nun halbwegs gut gefüllt sind und der Frühling und der Sommer nicht zu heiß und zu trocken werden, damit sie zumindest mit einer durchschnittlichen Ernte für ihre Mühe belohnt werden.

Denn die Reserven sind aufgebraucht. „An großartige Investitionen ist erst einmal nicht zu denken“, sagt Bernd Bleis. „Wir müssen zusehen, wie wir über die Runden kommen. Die zusätzlichen 15 000 Euro für das zugekaufte Futtern tun schon weh. Aber so ist das nun mal in der Landwirtschaft: Es gibt gute Jahre und es gibt schlechte Jahre. Derzeit überwiegen die schlechten Jahre. Es gibt genug Betriebe, die aufgeben mussten, weil ihre harte Arbeit nicht entsprechend entlohnt wurde, Ernteausfälle dazu kamen. Die Einnahmen, die wir für Getreide, Milch und Fleisch erzielen, liegen immer noch auf dem Niveau der 70-er Jahre. Das steht in keinem Verhältnis mehr zu dem, was wir reinstecken. Uns laufen die Kosten davon, die Rechnung geht nicht mehr auf! Alles ist teurer geworden: Maschinen, Dünger, Saat, Diesel ...“ zählt Bernd Bleis auf. Im Supermarkt muss dagegen alles billig sein, das Bewusstsein für gute regionale Grundnahrungsmittel ist oftmals verlorengegangen. Und selbst wenn es Preissteigerungen gibt, kommen die ganz am Anfang der Kette, bei den Bauern, nicht an, weil sich andere den Gewinn einstecken.

Dazu kommt ein in den letzten Jahren immer größer werdendes Problem: die Agrarpolitik. Gemacht ohne die Landwirte, sondern am Schreibtisch weit weg in Berlin oder in Brüssel. An den immer strengeren Vorschriften haben die Betrieb zu knabbern. Die Vorschriften sind in Deutschland besonders streng und werden auch akribisch kontrolliert. In anderen Ländern der Welt, selbst bei Nachbarn in Europa, ist das nicht so, „von Chancengleichheit kann keine Rede mehr sein“, ist Niels Wrogemann verstimmt. Bernd Bleis ergänzt, dass in Deutschland mit gerade Mal neun Prozent der Lebenshaltungskosten die Lebensmittel im Vergleich zu anderen vergleichbaren Ländern am niedrigsten sind.

„Die Rahmenbedingunen passen einfach nicht mehr, wir haben unsere Selbstständigkeit verloren“, sagt Niels Wrogemann. „Statt dass wir einfach nur unsere Arbeit machen, sitzen wir im Büro, um Nachweise zu führen, Anträge zu stellen und und und. Uns Bauern wird gar nichts mehr zugetraut. Dabei sind wir alle gut ausgebildet, wissen, was auf dem Feld zu tun ist und was nicht. Düngemittel-Bedarfsberechnung, Sperrgrenzen-Einhaltung – wir wissen, wie‘s geht und halten uns daran. Freiwillig, weil es für uns selbst verständlich ist. Aber heute muss für alles ein Berater bezahlt werden. Alles wird kontrolliert – soll ja auch so sein, aber nicht zu unseren Lasten!“ Bernd Bleis fügt an, dass es sicher auch ein paar Schwarze Schafe gibt, die sich beispielsweise beim Düngen nicht an Abstandsgrenzen zu den Gräben halten, „aber das ist die Ausnahme! Wir wissen um die Verantwortung für die Natur. Schließlich haben uns unsere Vorfahren ein wertvolles Gut hinterlassen, wir selbst wollen hier noch ein paar Jahre gut arbeiten und unser Nachwuchs steht in den Startlöchern. Da sind wir doch diejenigen, die am meisten bestrebt sind, dass die Bedingungen optimal sind. Natürlich sollen Kontrollen sein. Aber man muss uns auch arbeiten lassen und bei Entscheidungen mit zu Rate ziehen. Und eben darauf achten, dass die Bauern in Deutschland die gleichen Bedingungen haben wie in anderen Ländern – sonst verlieren wir den Wettbewerb.“

Niels Wrogemann, Bernd Bleis und viele anderen Bauern aus dem Elbe-Havel-Winkel sind bereit, für ihren Berufsstand zu kämpfen und auf sich aufmarksam zu machen. Deshalb beteiligten sie sich im Herbst und im Frühjahr auch an der Treckerdemos in den großen Städten, sind im langen Konvoi mit nach Berlin oder Magdeburg gefahren, um sich Gehör zu verschaffen und Einigkeit zu demonstrieren. „Wir hoffen, es nützt etwas! Die Politik soll mit uns und nicht gegen uns agieren. Und der Verbraucher soll die guten Grundnahrungsmittel zu schätzen wissen und bereit sein, gerechte Preise zu zahlen – nicht billig und nicht überteuert. Wir Bauern dürfen nicht der Sündenbock für alles sein.“ Beispiel Nitrat: Die teilweise hohen Belastungen des Grundwasser stammen nicht ausschließlich von der Düngung. Geklärtes Abwasser beispielsweise, das aus jedem Haushalt kommt, ist auch nitrathaltig. Und Schädlingsbekämpfungsmittel wie das vieldiskutierte Glyphosat – „in richtigen Mengen dosiert eingesetzt, ist es nicht schädlich“, blickt Bernd Bleis inpunkto Schädlingsbekämpfung besorgt in die Zukunft. Denn andere Mittel müssen mehrfach im Jahr ausgebracht werden, was den Aufwand und so auch die Umweltbelastung deutlich erhöht. Und weitere Mittel verlieren die Zulassung. Beispielsweise das gegen den Kohlschotenrüssler. „Deshalb wird auch der Raps mehr und mehr aus unserer Region verschwinden.“ Bernd Bleis hatte im Herbst schon weniger angebaut, „es ist das letzte Jahr“, Niels Wrogemann überlegt noch. Denn eigentlich passt der Raps in die Region, der Boden ist gut dafür. „Aber Raps kostet im Anbau viel Geld – da müssen die Einnahmen stimmen. Mit dem Kohlschotenrüssler, den wir nicht mehr bekämpfen können, verringern sich die Gewinne um die Hälfte. Somit verschwindet der Raps und die Artenvielfalt leidet – ist das gewollt?“ Als natürlichen Dünger greifen die Bauern mehr und mehr auf Zwischenfrüchte zurück. Diese Pflanzen werden dann umgepflügt und sind natürlicher Dünger. „Aber das kostet Zeit und Geld – bezahlt niemand! Aber auch das tun wir hier in Deutschland. Im Gegenzug bekommen wir von der Politik keinen Rückenwind, sondern immer mehr Knüppel zwischen die Beine geworfen.“

Die Bauern sind bereit! Bereit für die Arbeit auf dem Feld von frühmorgens bis spätabends, bereit, sich an Vorschriften zu halten, aber auch bereit, für ihre Rechte zu kämpfen.