1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Havelberg
  6. >
  7. Plaudern mit Uroma am Fenster

Seniorenheim Plaudern mit Uroma am Fenster

Alte Menschen sind am stärksten vom Risiko betroffen, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Sie müssen auf Abstand gehen.

Von Andrea Schröder 28.03.2020, 00:01

Havelberg l Gerda Neumann steht am Fenster ihres Zimmers im zweiten Obergeschoss des Seniorenwohnparks „Am Camps“. Sie hat Besuch. Die Urenkel Malte und Finn sind mit Margot Neumann vorbeigekommen und winken ihr zu. Finn hält zwei Broschen in seiner Hand. Sie gehörten der Uroma. Finn gefallen sie. Was sie ihr mitgebracht haben, haben sie schon am Eingang zum Seniorenheim abgegeben. Nun plaudern sie noch ein wenig.

Den Besuch vom Fenster aus zu sehen, ist derzeit die einzige Möglichkeit für die Bewohner des Havelberger Heimes. Denn Angehörige müssen draußen bleiben. Das strikte Besuchsverbot – wegen der Corona-Pandemie von der Heimaufsicht bundesweit verfügt – gilt seit zehn Tagen. Nur in Ausnahmefällen dürfen Fremde ins Haus. Zum Beispiel, wenn jemand im Sterben liegt. Angefangen hatte das eingeschränkte Besuchsverbot bereits am 13. März.

„Das ist schon traurig für die Bewohner und es tut mir auch sehr leid. Doch wir müssen uns an die Regeln halten. Gerade die alten Menschen sind die gefährdetsten“, sagt die Leiterin des Wohnparkes Andrea Frommke. Die derzeit 59 Bewohner sind in ihren Wohnbereichen zusammen, können sich dort frei bewegen, weiterhin gemeinsam essen und sich zum Beispiel zum Eierkuchenbacken treffen. Die Flure sind groß. Im unteren Bereich bietet das Atrium Gelegenheit, frische Luft im Sonnenschein zu genießen. Doch raus in den Park geht es nicht. Eine Abgrenzung ist dort nicht möglich. Zu groß die Gefahr, mit anderen zusammenzutreffen und unter Umständen das Virus mit ins Haus zu tragen. Das zu verhindern, ist das oberste Ziel.

Mit dem Wohnparkbeirat wurde über die Problematik gesprochen. Das Verständnis ist da, auch wenn es angesichts des beginnenden Frühlings mit der erwachenden Natur nicht leicht fällt. „Wenn wir die Maßnahmen nicht einhalten, wer weiß, was dann kommt“, gibt Andrea Frommke zu bedenken. Wohnbereiche übergreifende Veranstaltungen dürfen nicht stattfinden. Therapeuten, Friseure, Fußpfleger – ihre Termine mussten abgesagt werden. Auch die Bewohner des betreuten Wohnens können nicht mehr ins Heim zu Veranstaltungen kommen. Regelmäßig sind sie normalerweise zum Sport und zum Kaffeekränzchen im Heim. Abgesagt sind bis auf Weiteres auch die Tanzstunden und Saunabesuche, an denen Leute von außerhalb teilnehmen. Die Osteoporose-Gruppe darf auch nicht kommen.

Das Essen wird bis zur Tür geliefert, ebenso die Wäsche. Auch die Blisterschläuche mit Tabletten vom Apotheker werden an der Tür in Empfang genommen. Und Angehörige geben ihre Mitbringsel für die Senioren ebenfalls am Eingang ab. Ärzte und Rettungsdienst dürfen natürlich ins Haus und auch Facharzttermine außerhalb, auf die oftmals schon längere Zeit gewartet wurde, werden wahrgenommen.

Wichtig sind gerade für die älteren Menschen die direkten Kontakte, auch mal das Streicheln einer Hand und eine Umarmung. Das muss jetzt von den Angehörigen ausbleiben. Können die Mitarbeiter die fehlende Nähe kompensieren? „Wir können die Angehörigen nicht ersetzen. Doch sind wir ein kleines Haus, in dem es sehr familiär zugeht. Die Mitarbeiter wissen, was den einzelnen Senioren gut tut“, sagt Andrea Frommke.

Wie sich die ganze Situation besonders auf Demenz kranke Bewohner auswirkt, ist schwer abzuschätzen. Das hängt vom Zustand jedes Einzelnen ab. Da ihnen oft die zeitliche Orientierung fehlt, mag es kein Problem für sie sein, dass sie längere Zeit keinen Besuch empfangen dürfen. Doch Sorgen, sie könnten einen geliebten Menschen dann nicht mehr wiedererkennen, sind nicht unbegründet.

Und wie gehen die 48 Mitarbeiter mit der Situation um? Welche Sorgen und Ängste haben sie? „Meinen Mitarbeitern spreche ich ein großes Lob aus. Alle sind da, bringen sich ein. Mit der Schließung der Einrichtung sind auch die Ängste abgeklungen, eine Anspannung war schon da. Nicht ganz einfach war es in zwei Fällen bei alleinerziehenden Müttern mit der Kinderbetreuung in den Kitas. Inzwischen haben wir aber die Notbetreuung mit Ach und Krach hinbekommen“, berichtet die Wohnparkchefin. In einem Fall hatte die Stadtverwaltung auf das geteilte Sorgerecht verwiesen, das es für das Kind gibt. „Aber der Papa wohnt weiter weg und die Kollegin hat hier niemanden, der auf ihr Kind aufpassen kann.“ Hier hätte sie sich mehr Flexibilität gewünscht.

Mit Schutzmitteln ist der Wohnpark bis auf Schutzmasken gut ausgestattet. Zweimal hat Andrea Frommke bereits Bedarf für Schutzmasken angemeldet. Noch ist nichts angekommen. So, wie man es derzeit von überall hört, spricht auch sie von den enorm gestiegenen Kosten dafür. Desinfektionsmittel, Handschuhe und Overalls sowie normaler Mundschutz sind aber vorhanden. „Wir bestellen immer einen Jahresvorrat. Das kommt uns nun zugute. Auch wenn er natürlich dieses Mal nicht für das ganze Jahr reichen wird.“

Andrea Frommke hat mit Blick auf die Schutzvorkehrungen wegen des Coronavirus die Hoffnung, dass künftig alle sensibilisiert sind, was Händedesinfektion und Schutz vor der Übertragung von Krankheiten betrifft. Nicht nur, wenn das Heim etwa beim Auftritt des Norovirus zu Vorsichtsmaßnahmen mahnt. Oftmals schon hat sie erlebt, dass Angehörige die Empfehlungen ignorieren oder auch verschnupft und hustend die Senioren besuchen. Hier sieht sie eine Chance durch Covid 19. Denn die ältere Generation ist nicht nur bei Corona einem besonderen Risiko ausgesetzt.