Bundeswehr Soldaten des Panzerpionierbataillons Havelberg arbeiten auf hohem Niveau
Dreimal war das Panzerpionierbataillon 803 in Havelberg Dienstort für Stephan Meister. Drei Jahre war der Oberstleutnant stellvertretender Kommandeur und davon ein halbes Jahr in Afghanistan.

Havelberg - „Ich habe den Weg immer wieder zurück nach Havelberg finden dürfen“, blickt Oberstleutnant Stephan Meister auf insgesamt acht Jahre Dienst beim Panzerpionierbataillon 803 in Havelberg zurück. Offiziell verabschiedet hat ihn Kommandeur Oberstleutnant Ralph Peter bereits Ende März beim Bataillonsantreten. Doch beendet war sein Dienst in Havelberg da noch nicht. In dieser Woche trat er seinen neuen Posten beim Kommando Heer in Strausberg an. Regelmäßige Dienststellen- und Standortwechsel sind bei der Bundeswehr an der Tagesordnung. Ausnahmen bestätigen die Regel. Doch Stephan Meister hat sich gefreut auf den neuen Job. Einerseits weil er, wie er es empfindet, als stellvertretender Kommandeur in Havelberg alles gegeben hat. „Die drei Jahre waren dafür gut ausreichend. Jetzt ist das Feld frei für einen anderen. Mein Arbeits- und Betätigungsfeld habe ich ausgereizt.“ Andererseits wegen der Nähe zur Familie. Für die nächsten drei Jahre ist er kein Wochenendpendler mehr, worüber sich seine Frau und die beiden Kinder freuen.
Auf seinem neuen Dienstposten geht es um die Frage, wie sich das Heer in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren weiterentwickeln soll. Der Oberstleutnant arbeitet in der Realisierungsplanung mit. Dabei geht es unter anderem darum zu prüfen, ob die festgelegten Schritte in den Bereichen Organisationsstruktur sowie personelle und materielle Ausstattung eingehalten und dem geforderten Aufgabenspektrum gerecht werden.
Seine langjährigen Erfahrungen an der Basis werden dem 41-Jährigen dabei zugute kommen. Und davon hat er reichlich – sowohl im Inland als auch im Ausland. Das Aufgabenpaket des stellvertretenden Kommandeurs ist vollumfänglich, wie er es kurz beschreibt. Die Geschicke des Verbandes liegen mit in seinen Händen. „Ich war zugleich stellvertretender Standortältester und qua Amt ohnehin auch zuständig für die Reservistenangelegenheiten und die Grundausbildung.“
Hauptauftrag in Corona-Zeiten war die Amtshilfe
Der Kernauftrag aber ist es, den gesamten Stab zu führen, die Arbeit so zu koordinieren, dass alle Aufgaben umgesetzt werden können. Damit schafft der Stellvertreter zugleich die Entscheidungsgrundlage für den Kommandeur. Alles, was aufläuft, zu lesen, auszuwerten, zu bewerten und inhaltlich aufzuarbeiten ist, gehörte zu seinem Aufgabenfeld. Ganz wichtig auch aufzupassen, dass gesetzte Termine eingehalten werden. Mindestens sechs Monate im Voraus werden die Aufgaben geplant. Mit einem Acht-Stunden-Tag ist das nicht zu schaffen. Zumindest dann nicht, wenn man wie Stephan Meister den Anspruch hat, seine Arbeit richtig gut zu machen. Deshalb war er meist morgens um sechs schon im Büro. Mit einer „To-Do-Liste“ steckte er genau ab, was er schaffen wollte am Tag. „Ich muss nicht auf die Minute gucken. Mein Credo ist, so lange zu arbeiten, so lange was zu erledigen ist. Das ist das Geschäft, als stellvertretender Kommandeur habe ich eine Fürsorgepflicht für die Soldaten.“
Herausforderungen gibt es viele im Leben eines Offiziers. Mit der Corona-Pandemie kam 2020 eine vollkommen neue hinzu. Viele Ausbildungen konnten gar nicht oder nur in veränderter Form stattfinden. Dazu kamen die Amtshilfeanforderungen, die bis heute den Alltag auch des Panzerpionierbataillons 803 in Havelberg mit bestimmen.
„Unser Hauptauftrag war tatsächlich die Amtshilfe. Zudem mussten wir die 2020 wieder im Bataillon installierte Grundausbildung und die Ausbildung der Offizieranwärter stemmen“, blickt Stephan Meister zurück. 2019 war neben dem normalen Dienstalltag von der Hilfe beim Waldbrand in Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern und der Sicherung der Absturzstelle der beiden Eurofighter an der Mecklenburgischen Seenplatte geprägt. 2018, das erste Jahr als stellvertretender Kommandeur, war dagegen ein ganz normales Jahr. Zumindest für das Bataillon. Für Stephan Meister bedeutete es, sich auf seinen dritten Einsatz in Afghanistan vorzubereiten, den er dann im März 2019 für ein halbes Jahr in Mazar-e Sharif antrat.
Der Nato-Einsatz in Afghanistan war gut und notwendig
Als Spezialist war sein Wissen gefragt. Er war als Chief Engineer zuständig für die Pionierkräfte der NATO im Norden Afghanistans und der oberste Pionierberater für die afghanische Armee. „Ich habe bei meinen drei Einsätzen immer mit afghanischen Sicherheitskräften zusammengearbeitet und kann einschätzen, dass sie sich deutlich weiterentwickelt haben, unsere Arbeit Früchte getragen hat. Insofern, dass es gewisse militärische Strukturen gibt, die Aufgaben verteilt sind“, sagt der Oberstleutnant mit Blick auf den nun in Gang gesetzten Abzug der Nato-Truppen aus dem Land.
Aufgrund dessen stellt sich ganz aktuell die Frage, was der knapp 20 Jahre währende Nato-Einsatz gebracht hat und wie sich das Land entwickeln wird. Stephan Meister sagt dazu: „Ohne diese Unterstützung wäre das Land nicht so weit. Ich bin mir aber nicht sicher, wie lange die Strukturen halten. Als gescheitert würde ich den Nato-Einsatz nicht bezeichnen, er war gut und notwendig.“
Bei der Bewertung, ob Afghanistan ein Land mit einer sicheren Demokratie ohne Terror werden kann, will er sich zurückhalten. Der Oberstleutnant berichtet von unterschiedlichen Ethnien auch im Militär, von Korruption im ganzen Land, in allen Schichten, von einem anderen Verhältnis zu Leben und Tod, als wir es kennen. „Die Menschen dort ticken mental ganz anders als wir.“ Er berichtet aber auch von Frauen in der Luftwaffe, von Hubschrauberpilotinnen. „Es gibt diese positiven Fälle. Frauen im Militär zu haben, ist nicht nur graue Theorie.“ Die Menschen in dem Land seien aber sehr individuell eingestellt. Aufgrund ihrer Historie gehe es ihnen vor allem darum, selbst als Familie klar zu kommen. Ein Gemeinschaftsgefühl, wie wir es kennen, gebe es eher nicht.
Junge Leute haben ähnliche Vorstellung vom Leben
„Die Grundidee vom Leben ist aber vor allem bei den jungen Leuten die gleiche wie bei uns. Sie sind modern eingestellt, wollen arbeiten gehen, Kinder groß ziehen. Sie sind kriegsmüde und wollen nicht ständig mit der Angst leben, den nächsten Tag nicht zu überleben.“
Um sich ein Bild machen zu können, hat sich Stephan Meister bei seinen Einsätzen stets einheimische Sprachmittler genommen. „Sie sind Teilnehmer am Leben in Afghanistan und ich bekam dadurch einen ganz anderen Zugang zu den einheimischen Soldaten. Die Arbeit hat mir viel Spaß gemacht, auch wenn der Tod oft mit zum Tagesgeschäft gehört hat.“ Er denkt dabei an seinen jüngsten Einsatz zurück, als ihm zwei Ansprechpartner der afghanischen Streitkräfte vorgestellt werden sollten. Sie hatten die Nacht nicht überlebt. „In die Trauer hineinplatzen zu müssen, ist sehr bedrückend. Da ist es dann auch schwer, Fuß zu fassen. Die Sicherheitslage ist sehr fragil, das war sie immer.“
Das hat er am eigenen Leib auch 2019 erlebt bei Terminen in Kunduz. Das Nato-Camp, in dem Havelberger Soldaten 2012/13 den Stab führten und mit jeweils rund 100 Frauen und Männern Dienst leisteten, war 2013 aufgelöst worden. Die afghanischen Streitkräfte übernehmen seither die Sicherung des Gebietes am Hindukusch. Einen Beschuss mit Raketen durch die Taliban musste Stephan Meister miterleben.
Seinen Sprachmittler von 2013, dessen Frau und Kind hat er nach dem Abzug der Bundeswehr aus Kunduz nach Deutschland geholt. Dessen Vater arbeitete beim Fernsehen in Kunduz, Sprengfallen wurden vor seiner Haustür gefunden.
Sprachmittler nach Deutschland geholt
Der Sprachmittler hätte kein sicheres Leben führen können in seiner Heimat. Zusammen mit Pro Asyl schaffte es der Oberstleutnant, die Familie nach Hamburg zu holen. „Irgendwann will er aber wieder zurück.“ Zum Abzug jetzt gibt es ähnliche Pläne für Sprachmittler. „Das ist wichtig, wir tragen eine gewisse Mitverantwortung.“
Bevor er in dieser Woche seine Arbeit in Strausberg begann, war Stephan Meister damit betraut, im Panzerpionierbataillon alles dafür zu tun, dass 2021 ein Normaljahr ohne Corona werden kann.
Zumindest sind die Pläne so. Die Realität sieht noch anders aus. Bis zu 150 Soldaten sind aktuell in Pflegeheimen, Gesundheitsämtern und Impfzentren zur Amtshilfe abgestellt. 50 Prozent der rund 650 Pioniere sind am Standort im Dienst, alle anderen im Homeoffice oder unterliegen vergleichbaren Regelungen zur Realisierung der erforderlichen Auflockerung.
Wieder mehr Normalität ist wichtig, etwa für die Ausbildung. Stephan Meister denkt dabei zum Beispiel an die dritte Kompanie, die sich auf den Einsatz in Litauen Anfang des nächsten Jahres vorbereiten muss. Oder an die Grundausbildung und Ausbildung der Offiziersanwärter, damit ihnen keine Laufbahnnachteile entstehen.
Kameradschaft hat gelitten
Beitragen wird dazu das verstärkte Impfen. Seit dieser Woche übernehmen die Sanitäter am Standort das Impfen der insgesamt rund 1100 Soldaten und zivilen Mitarbeiter in der Elb-Havel-Kaserne. Wöchentlich sind 100 Impfungen geplant. Rein rechnerisch könnten dann alle nach dem Sommerurlaub im September durchgeimpft sein. „Dann ist an Lockerungen zu denken. Es hat viel gelitten unter den Einschränkungen in der Corona-Zeit, neben der Ausbildung aller Soldaten auch die Kameradschaft. Und der zivile Bereich. Die Schwimmhalle kann nicht von der Bevölkerung genutzt werden, der Schwimmunterricht für Grundschüler nicht stattfinden. Das Havelbiwak muss wieder ausfallen. Der Tag der Bundeswehr für alle Interessierten findet digital statt.“
Nach der Neubesetzung der Stelle des stellvertretenden Kommandeurs – der Nachfolger tritt am 16. August seinen Dienst an – folgt am 23. September der Übergabeappell für den Kommandeur. So lange übernimmt Oberstleutnant Robert Thiele als Reservist die Führungsaufgaben für das Bataillon.
Ob Stephan Meister auch ein viertes Mal nach Havelberg kommt? Ausschließen will er es nicht. Das wäre dann der Kommandeursposten. Er schätzt diesen Standort aus militärischer Sicht, weil er gut eingebettet ist in die Landschaft mit Elbe und Havel, wegen des Wasserübungsplatzes in Nitzow und des Übungsplatzes in Klietz. Auch die Truppenübungsplätze Altmark, Altengrabow und Lehnin liegen nicht weit weg. „Wir haben unheimlich gute Übungsmöglichkeiten hier.“
Als Mensch und Kamerad betrachtet
An seinem Arbeitsort Havelberg schätzt Stephan Meister die „ländlich schöne Lage, das historisch gesehen gewisse Flair und die tollen Menschen hier“. Mit Ernst Andersch in Schönfeld etwa, wo er einst eine Dienstwohnung hatte, gibt es noch immer eine Verbindung. In den vergangenen drei Jahren hatte er eine Wohnung auf der Stadtinsel und genoss es, sich nach Dienstschluss gegen 18/19 Uhr in zivil ans Wasser zu setzen und den Abend zu genießen. Zum Radfahren oder Inlineskate-Fahren ist er nicht oft gekommen.
Zurückblickend auf drei Jahre als stellvertretender Kommandeur ist der Oberstleutnant dankbar dafür, dass er sich dienstlich ausleben durfte, er seine Arbeit machen konnte, wie er es für richtig gehalten habe. Mit beiden Kommandeuren habe er auf Augenhöhe gearbeitet. „Sie haben mich gewähren lassen. Das war eine schöne Ergänzung. Man wird hier als Mensch und als Kamerad betrachtet, mit allen Stärken und Schwächen.“ So hat auch er es gehalten.
Dabei stand für ihn immer 803 im Vordergrund. „Die Havelberger Pioniere arbeiten auf einem hohen Niveau. Wir entwickeln uns stets weiter und arbeiten immer an unserem guten Ruf.“