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Sommerschule Wissenwertes über Theodor Fontane

Die Sommerschule in Wust wird von einem Kulturprogramm begleitet. Das widmete sich an zwei Abenden Theodor Fontane und Effi Briest.

Von Susanna Kramarz 22.07.2019, 23:01

Wust l Wer war Theodor Fontane und was ist denn nun das Besondere an seinem späten Roman „Effi Briest“? Diesen beiden spannenden Fragen gingen Bärbel Conrad aus Tangermünde (ehemals Sydow) und Dr. Barbara Poittner aus Bad Kreuznach an zwei Vortragsabenden der Wuster Sommerschule gemeinsam nach.

Theodor Fontane, so machten die beiden Referentinnen deutlich, hatte von Kindheit an ein unstetes Leben: Der Vater, Apotheker und Spieler, zog auf der Flucht vor seinen Schulden ständig um. Theodor wurde im Jahr 1819 geboren und wechselte allein in seinen ersten 26 Lebensjahren mindestens achtmal seinen Aufenthaltsort, schloss zunächst eine Ausbildung zum Apothekergehilfen und dann zum Apotheker ab und schrieb und dichtete nebenher, bis er mit 30 Jahren den Apothekerberuf aufgab, um nur noch zu als Journalist und Autor tätig zu sein. Kämpfte er 1847 noch auf Seiten der Revolutionäre, so trat er bereits 1851 in die Redaktion der streng konservativen Neuen Preußischen Zeitung ein, für die er bis 1870 arbeitete, unterbrochen von vier Jahren in London als Korrespondent im Auftrag der preußischen Regierung. Von 1870 bis 1876 arbeitete er, ebenfalls mit Unterbrechnungen, für die Vossische Zeitung, entschloss sich dann aber im Alter von 57 Jahren, trotz erheblicher finanzieller Unsicherheiten, nur noch als Schriftsteller zu arbeiten.

Erst zwischen seinem 60. und 80. Lebensjahr entstanden seine großen Romane, darunter der Stechlin, die Poggenpuhls und die Effi Briest, und zwar zunächst als Fortsetzungsromane in einer Zeitung, weil hierdurch bessere Honorare zu erzielen waren als mit dem Verlegen von Büchern. Effi Briest, an der er viele Jahre gearbeitet hatte, schloss er erst drei Jahre vor seinem Tod (1898) ab.

Seine Frau hatte er bereits im Alter von 16 Jahren kennengelernt – sie war zu dem Zeitpunkt erst elf Jahre und, da aus einer illegitimen Beziehung entstanden, von ihrer Mutter zwangsweise zur Adoption freigegeben worden. Er heiratete sie 14 Jahre später nach seiner Apotheker-Approbation. Sie war die Konstante in seinem Leben und wichtige Gesprächs- und Briefpartnerin; sie schrieb seine meist mehrfach und bis zur Unleserlichkeit überarbeiteten Manuskripte ab, so dass sie für die Setzer lesbar waren. Und sie organisierte das Überleben der Familie trotz der dauerhaften finanziellen Not und vieler Reisen ihres Mannes. Erst in den letzten gemeinsamen Lebensjahren nach der Veröffentlichung der erfolgreichen Romane erlebten die Fontanes ein Ende der Existenzkämpfe.

Bärbel Conrad und Barbara Bittner ließen das Leben der beiden, das fast das ganze 19. Jahrhundert füllte, am ersten der beiden Vortragsabende in der Sommerschule lebendig werden.

Am zweiten Vortragsabend stand „Effi Briest“ im Mittelpunkt – der wichtigste Roman Fontanes und, so die beiden Referentinnen, die wichtigste Romanfigur des 19. Jahrhunderts. Die adelige, jung verheiratete Effi, deren Ehemann sich später mit einem längst verabschiedeten Liebhaber Effis duelliert und sie verstößt, und die vereinsamt und ihrer geliebten Tochter entfremdet stirbt, ist aus zwei realen Frauenfiguren aus dem Umfeld Theodor Fontanes „zusammengesetzt“: Zum einen ist dies Elisabeth von Plotho, die allerdings nach der Scheidung nicht starb, sondern später als Krankenpflegerin und Gesellschafterin arbeitete und 98 Jahre alt wurde, und zum anderen Caroline de la Motte Fouqué, eine geborene von Briest aus Nennhausen, die nach ihrer Scheidung erneut adlig heiratete und das Schloss ihrer Vorfahren erbte.

Während die beiden realen Frauen nach der Scheidung aus einer unglücklichen Ehe ihre Situation bewältigten und sich aus der engen Moralvorstellung ihrer Umgebung emanzipierten, zeigt Fontane in seinem Roman die Absurdität des herkömmlichen Ehrbegriffs bis in die letzte Konsequenz auf – bis zum Tod durch ein Duell, das selbst Effis Ehemann als sinnlos bezeichnet, und bis zu Effis ausweglosem Tod. Er kommentiert und deutet dabei nicht selbst, sondern beobachtet, lässt die Handlung und die Gespräche fortlaufen; Wasser, Pflanzen, Wind, Geräusche, Tiere bekommen von Beginn der Erzählung an eine Bedeutung, die weit über den Moment hinausgeht. Erkenntnis zwingt Fontane nicht auf, sondern lässt sie bis zuletzt offen: „Das ist ein zu weites Feld“ sind die letzten Worte im Roman.

Bärbel Conrad und Dr. Barbara Poittner nehmen die Zuhörer mit ins 19. Jahrhundert, in die Situation der Effi Briest, in die schiere Zwangsläufigkeit der Handlung, die letztlich keine eigenen Entscheidungen und keine Alternativen zulässt, und in die Genialität Theodor Fontanes, eines der größten deutschen Schriftsteller.

Wem das alles zu viel und zu kompliziert ist, dem empfiehlten die Vortragenden eine zehnminütige Kurzfassung im Internet mit Playmobil-Figuren:

Der Kurzfilm „Effi Briest …“ auf www.sommers-weltliteratur.de bildete an beiden Abenden den erfrischenden Schlusspunkt.